Mehrdad Mostofizadeh: „Aus dieser solidarischen Verantwortung dürfen Land und Kommunen auch nicht entlassen werden“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Einrichtung eines Unwetterfonds'

Mehrdad Mostofizadeh

 Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass André Kuper im Saal ist, da es um ein Thema geht, das er 2014 im Landtag sehr intensiv angesprochen hat.
Im Juni 2014, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat das Tiefdruckgebiet „Ela“ sein Unwesen in Nordrhein-Westfalen getrieben. Mit über 142 Stundenkilometern ist der Orkan über Nordrhein-Westfalen gefegt und hat tiefe Schneisen der Verwüstung in unserem Bundesland hinterlassen. Es gab sechs Tote und viele Verletzte. Der Schaden bei den Versicherern lag nach deren Angaben bei über 650 Millionen €.
Wenige Wochen später gab es im Münsterland erhebliche Regenfälle, und im Oktober 2017 hat der Sturm „Xavier“ hier in Nordrhein-Westfalen erheblichen Schaden hinterlassen. So könnte ich die Liste fortführen. Allein in diesem Jahr haben in Wuppertal, Remscheid, Essen und Leichlingen Starkregenereignisse dazu geführt, dass Kommunen und Privatpersonen massiv zu Schaden kamen.
Im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen waren sich alle Fraktionen einig: Diese Ereignisse werden immer wieder stattfinden und immer wieder dazu führen, dass Privatpersonen und ganz besonders auch die Kommunen zu Schaden kommen.
Ich freue mich deswegen, dass Herr Kuper hier im Raum ist, weil er 2014 für seine Landtagsfraktion einige – wie ich finde – bedenkenswerte Punkte vorgetragen hat. Nur wenn man den Maßstab, den er damals an die rot-grüne Landesregierung gepackt hat, heute an die schwarz- gelbe Landesregierung packt, muss man – fast mit seiner damaligen Wortwahl – sagen: Das, was bisher geleistet wurde, ist beschämend, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Was dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist eine Pressemitteilung der Landesregierung vom gestrigen Tage. In der Überschrift heißt es: „Landesregierung unterstützt Wuppertal nach Umweltschäden“. – Liest man dann den Text, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt man fest, dass die Landesregierung tatsächlich den landeseigenen Bau an der Universität reparieren möchte und dass einzelnen Privatpersonen in Wuppertal geholfen wurde.
Ich stelle fest: Bis zum heutigen Tage ist nicht ein einziger Cent nach Remscheid oder Essen und schon gar nicht nach Wuppertal geflossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Landesregierung möchte die Menschen im Land hinter die Fichte führen!
(Zuruf von der SPD: Hört, hört!) Das ist nicht in Ordnung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Daher möchte ich zu einem ganz konkreten Vorschlag kommen, den wir heute mit unserem Antrag hier vorlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir werden immer wieder Starkregenereignisse, Unwetterereignisse in diesem Land haben.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hafke?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte.
Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Hafke.
Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Mich würde interessieren, ob Sie mir die Frage beantworten können, wie lange die damalige Landesregierung bei dem Starkregenereignis in Münster gebraucht hat, um Mittel für Münster zuzuweisen, also bis Geld geflossen ist.
(Beifall von der FDP)
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) Ich danke Ihnen für diese Frage. Ich merke, dass sich wiederholt, was letzte Woche im Ausschuss gelaufen ist, Herr Kollege.
(Zuruf von der SPD: Genau! Genau so! – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
–  Darf ich eben ausführen? Möchten Sie Antworten oder wollen Sie pöbeln? (Marcel Hafke [FDP]: Sie sollen die Frage beantworten!)
Letzte Woche hat Staatssekretär Heinisch im Ausschuss sehr ausführlich erklärt, dass noch geprüft werden muss usw. Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, dass für die Folgen von „Ela“ immerhin 30 Millionen € an die Kommunen geflossen sind
(Zuruf von der SPD: 5 Millionen für Private!)
und auch in Münster nach einigen Wochen Prüfung Geld geflossen ist.
Ich sage Ihnen heute auch: Ich finde es falsch, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen jeweils von der Gnade der Staatskanzlei abhängig sind, ob sie Geld bekommen, wie viel Geld sie bekommen und nach welchem Muster sie Geld bekommen. Das halten wir ausdrücklich für falsch, Herr Kollege Hafke, und darauf werde ich im weiteren Verfahren noch einmal zu sprechen kommen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zweiter Punkt: Es gibt jetzt drei Möglichkeiten, mit der Lage umzugehen. Ich rede jetzt erst einmal nur über die Versicherungsschäden, also das, was nach einem Unfall passiert. Man kann sich dagegen versichern; das ist unfassbar teuer und aus meiner Sicht nicht zu machen. Da findet sich aber die FDP wieder. Die FDP hat damals wie auch heute argumentiert: Na ja, ihr könnt ja eine private Versicherung abschließen! – Dann soll halt eine Stadt wie Wuppertal, die topografisch und aus anderen Gründen viel stärker von Starkregenereignissen betroffen ist als andere Kommunen, mehr Geld bezahlen, hat also Pech.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schlagen eine andere Variante vor, die die CDU damals von der Struktur her auch vorgeschlagen hat. Wir gründen einen solidarischen Fonds, in den sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch die Kommunen einzahlen, denn die Kommunen sind natürlich für den Hochwasserschutz und die Versicherung ihrer eigenen Anlagen zuständig. Aus dieser solidarischen Verantwortung dürfen sie auch nicht entlassen werden.
Weil mich die Landesregierung ertappt zu haben meinte, weil ich im Jahre 2014 einen Brief an den damaligen Innenminister Jäger geschrieben habe, möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich sagen: Nein, wir sind der gleichen Auffassung wie damals. Wir glauben, dass die Städte und Gemeinden selbstverständlich auch selbst Vorsorge treffen müssen. Sie müs- sen selbstverständlich Klimaschutzpolitik betreiben. Sie müssen ein Starkregenkonzept, wie Johannes Remmel und Michael Groschek es entwickelt haben, in die Tat umsetzen. Und sie müssen sich auch vorsorglich gegen solche Ereignisse versichern, also Geld in die Hand nehmen und Vorsorge betreiben. Aber sie dürfen nicht allein gelassen werden. Sie müssen die Unterstützung der Landesregierung erfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Und Sie, Herr Hafke – Sie haben es ja schön angelegt, und ich weiß auch nicht, warum Sie grinsen –, machen wieder das, was ich für völlig falsch halte: Weil die Landesregierung noch nicht gehandelt hat, weil sie kein Konzept hat, sind Sie nicht bereit, auf gute Vorschläge der Opposition einzugehen. Sie reagieren nur mit Häme und sind nicht bereit, sich fachlich aus- einanderzusetzen.
(Henning Höne [FDP]: Lauter!)
Das ist das, was wir heute hier erleben werden. (Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Und deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich bin mal gespannt, wie Sie sich gleich verhalten – ist das natürlich ein Stück Weiterentwicklung dessen, was wir und die SPD damals gesagt haben. Wir haben einerseits konkret geholfen – nicht nur den Personen, sondern auch den Kommunen –, haben aber andererseits noch keinen Unwetterfonds, den wir meines Er- achtens zwingend brauchen, um sich auch gegen Versicherungsschäden wappnen zu kön- nen.
Deswegen – und ich sage damit auch, warum wir direkte Abstimmung beantragen – beauf- tragen wir die Landesregierung, genau hier einzusteigen, also dem Parlament ein solches Konzept vorzulegen. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die CDU in dieser Situation ver- halten wird. Meine Bitte wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nehmen Sie Ihre Argumente von damals ernst! Nehmen Sie auch Ihre Position ernst, und verstecken Sie sich nicht nach dem Motto: Na ja, die Frau Kraft war ja im Funkloch, und was die damals gemacht haben, war alles noch lächerlicher als heute.
(Zuruf von der FDP: Wer würde das schon sagen?)
Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie nicht bereit sind, sich heute einer fachlichen Lösung anzunähern und klar zu sagen, was für ein Konzept die Landesregierung erstens zum Schutz vor Unwetterschäden und zweitens zur Behebung von Unwetterschäden aufstellt, dann ma- chen Sie sich gnadenlos unglaubwürdig. Deshalb bitte ich Sie eindringlich, unserem Antrag zuzustimmen,
(Henning Höne [FDP]: Das ist so wichtig, dass Sie erst darüber abstimmen müssen!) und danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Thema von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Debatte sogar noch schlimmer gekommen, als ich befürchtet hatte. Wenn man den Bei- trag von Minister Reul ernst nimmt, steht heute hier im Raum, dass die Landesregierung der Auffassung ist: Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Die Feuerwehr und die anderen Kräfte haben alles prima aufgeräumt. Die Kommunen sollen sich, bitte schön, mit Elementarversi- cherungen selbst gegen diese Schäden wappnen und sich ansonsten von der Umweltminis- terin beraten lassen, was sie an Klimaschutzmaßnahmen machen können.
(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Zuhören, Herr Kollege! – Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Minister Reul, eines kann ich Ihnen sagen: Wenn das wirklich der Standpunkt dieser Landesregierung ist, dann bin ich fassungslos.
(Zurufe von der CDU)
Die CDU hat damals vor vier Jahren vorgetragen
(Marc Lürbke [FDP]: Sie haben das damals abgelehnt!)
–  so viel zum Schnellschuss, Herr Kollege Lürbke –: Wir brauchen diesen Unwetterfonds. – Sie sagen heute: Wir brauchen ihn nicht. Wir brauchen keine Absicherung für die Kommunen,
(Minister Herbert Reul: Das ist etwas anderes! – Zurufe von der CDU) sondern private Vorsorge der Städte und Gemeinden.
Das ist nicht unsere Position. Das werden wir auch sehr klar überall erzählen.
Eines möchte ich Ihnen noch sagen, Herr Kollege Lürbke: Wir wollen auch keine Versiche- rungslösung. Sie ist viel zu teuer, unangebracht und auch unsolidarisch. Denn natürlich gibt es in Nordrhein-Westfalen Städte, die von Unwetterfolgen sehr viel stärker betroffen sind als andere. Deswegen muss es eine solidarische Lösung geben.
Eigentlich – das will ich Ihnen noch sagen – hätten wir hier und heute namentlich abstimmen müssen. Denn diese Art der Arroganz,
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagt der Richtige!)
die Sie nach einem Jahr Regierung an den Tag legen, (Zurufe von der CDU und der FDP)
haben Sie uns auch nach sieben Jahren Regierung nicht vorwerfen können. (Beifall von den GRÜNEN)
Sie sind nicht an der Sache orientiert, sondern sagen immer nur: Die anderen waren schlech- ter. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können gerne so weitermachen. Das ist aber nicht sachgerecht.
Wir haben Ihnen einen sehr konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt. (Zurufe von Ralf Witzel [FDP] und Marc Lürbke [FDP])
Sie sind nicht bereit, auch nur einen Satz dazu zu sagen, was Sie besser machen wollen, sondern sagen nur, warum Sie der Auffassung sind …
(Ralf Witzel [FDP]: Was haben Sie denn jahrelang gemacht?)
–  Herr Witzel, Sie wollen für alles „Privat vor Staat“ – das habe ich verstanden – und alles in die Versicherung schieben.
(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)
Wir wollen eine solidarische Lösung. Sie haben sie abgelehnt. Das werden wir vor Ort sehr klar erzählen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD] – Zurufe von der CDU und von der FDP)

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