Mehrdad Mostfizadeh: „Das ist ein Versäumnis, das Sie mit sich rumschleppen“

Antrag der SPD-Antrag zu einem "Corona-Gipfel"

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich schätze den Kollegen Klenner außerordentlich, sowohl fachlich als auch menschlich. Ich weiß gar nicht, was heute in ihn gefahren ist, dass er sich über diesen Antrag so aufregen konnte.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wenn er recht hat, hat er recht!)
Aber ich möchte in dem Zusammenhang das Gedächtnis auffrischen.
Vorweg: Ich halte es für eine absolut gute Entwicklung, dass es möglich sein wird, in Behinderteneinrichtungen und insbesondere in Pflegeheimen nun Schnelltests einzusetzen. Es ist auch gut, dass Bundesminister Spahn da Druck gemacht hat – das war ja keine freiwillige Angelegenheit des Landes – und letztlich dafür sorgt, dass das in Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird.
Es wird nötig sein, dass wir in den Einrichtungen viel umfassender testen – da bin ich ganz einer Meinung mit Frau Schneider –, um auch bei asymptomatischen Fällen diejenigen rauszupicken, die infektiös sein könnten. Ich will mich gar nicht darüber streiten, ob sie unmittelbar an dem Tag jemanden hätten anstecken können. Wer durch einen Schnelltest positiv getestet wird, sollte nicht in eine Behinderteneinrichtung und nicht in ein Altenpflegeheim gehen und auch nicht Angehörige im ambulanten Bereich anstecken können. Darauf müssen wir hinarbeiten. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe für unser Land Nordrhein-Westfalen.
Jetzt zum Stichwort „Priorisierung“: Da bin ich durchaus anderer Auffassung als alle anderen, sowohl als die SPD-Fraktion als auch offensichtlich die Koalition.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben vorgeschlagen, auch vor dem Eintritt ins Fußballstadion umfassend zu testen. Ich habe das mal ausgerechnet: Wenn man nur 16.000 Zuschauerinnen und Zuschauer, also die 20 %, die in Dortmund möglich wären, würde testen wollen und eine Testzeit von 20 Minuten unterstellt, müsste man, wenn man das Ganze auf eine Stunde begrenzen wollte, 5.400 Beschäftigte einsetzen, um das möglich zu machen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Von Fakten versteht die SPD nicht viel!)
Das ist einigermaßen abwegig. Warum sage ich das? Weil ich durchaus der Meinung bin, dass man mit den Testkapazitäten nicht durch die Gegend werfen sollte.
(Beifall Josef Hovenjürgen [CDU])
Herr Kollege Hovenjürgen, freue dich nicht zu früh. Der Minister hat im Mai, als wir gesagt haben, wir müssten priorisieren und gerade in den Pflegeheimen prioritär testen, an diesem Pult erklärt – Zitat –:
„Jetzt gibt es durchaus Menschen, die sagen, man könne sein Gewissen beruhigen, indem man ohne jeden Anlass in Massen testet. Manche Kollegen von mir sagen, es sei vielleicht ganz schlau, alle Pflegeheime durchzutesten. … Es sind 175.000 Pflegebedürftige und ungefähr gleich viele Pflegekräfte. … Deswegen meine ich, dass wir bei einer anlassbezogenen Testung bleiben sollten.“
Weiter heißt es sinngemäß, ansonsten könne man das nicht schaffen. – Herr Minister, ich gestehe zu, dass damals weniger Tests zur Verfügung standen.
(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Aha!)
Aber auch in Nordrhein-Westfalen standen zu dem Zeitpunkt 30.000 bis 40.000 Tests pro Woche zusätzlich zur Verfügung. Sie haben bis November gebraucht, um auf Initiative des Bundesministers überhaupt diese Priorisierung für die Pflegeheime festzulegen. Ich werfe Ihnen allerdings vor, dass Sie da nicht weitergekommen sind.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Einen Aspekt möchte ich an der Stelle schon noch sagen, weil es mich wirklich ärgert und wütend macht, dass wir jetzt an der Stelle sind. Ich sage: Ja, die Trägerinnen und Träger hätten sich auch auf die Pandemie vorbereiten müssen. Ja, es ist keine Ausrede, dass sie jetzt das Personal nicht zur Verfügung stellen. Sonst hätten sie Ihnen schreiben und sagen können: Lieber Minister, sorge dafür, dass wir von der AWO die Kapazitäten und die Finanzierung im Juni, Juli, August mal durchdeklinieren können.
Aber jetzt haben wir nicht das Personal, obwohl wir die Tests haben. Das wäre schon Ihre Aufgabe gewesen. Sie haben im Oktober eine Verordnung erlassen, in der steht, dass ab einer Inzidenz von 50 alle Personen in Pflegeheimen aktiv zu testen sind und diese Aufgabe nun auf die Pflegeheime übergeht. Dass eine Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes jetzt von den Pflegeheimen durchzuführen ist, ist verfassungsrechtlich bedenklich und auch technisch so nicht umsetzbar, Herr Minister Laumann.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales)
Deswegen appelliere ich an Sie – und da möchte ich Sie, Herr Klenner, konkret ansprechen –: Die Pflegekräfte beschweren sich praktisch jeden Tag in Mails und gestern und in den letzten Tagen auch durch persönliche Besuche bei mir – wobei ich versuche, Letzteres kurz zu halten oder digital zu machen –, dass sie nicht beteiligt werden.
Ich werfe dieser Landesregierung eines vor – das sage ich sehr deutlich –: Sie müssten die Zeit nutzen, um sich mit den Pflegenden in den Pflegeheimen und auf den Intensivstationen zusammenzusetzen, um schnellstmöglich Konzepte auf den Tisch zu packen. Wir brauchen die Tests. Wir müssen das umsetzen und ein Stück nach vorne kommen.
Ich finde es jammerschade, dass wir zum 11.11. immer noch kein ausreichend funktionsfähiges Testverfahren in den Pflegeheimen haben. Das ist ein Versäumnis, das Sie mit sich rumschleppen. Deswegen werden wir dem Antrag der Sozialdemokraten zustimmen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)