Matthi Bolte: „Wir Grüne lehnen es ab, das Mautsystem zu einem Überwachungssystem auszubauen“

Antrag der SPD gegen die Nutzung von Mautdaten für Kriminalitätsbekämpfung

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Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Um es gleich vorweg zu sagen: Wir sehen den Antrag der SPD sehr positiv. Er wird ja jetzt überwiesen, sonst hätten wir heute schon zugestimmt. Aber er hätte noch ein bisschen grundsätzlicher sein können. Im Beschlussteil hätte man einen deutlichen Ausschluss formulieren können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle stehen in der Verantwortung, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Alle rechtlichen Befugnisse für Sicherheitsbehörden – das haben wir an unterschiedlichen Stellen schon gestern diskutiert – müssen sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Und diese Verhältnismäßigkeit wäre, wenn es tatsächlich eine solche Ausweitung der Zugriffsbefugnisse auf die Mautdaten gäbe, offensichtlich nicht gegeben. Das hat der Kollege Kutschaty eben schon ausgeführt.
Bei über 45 Millionen Kraftfahrzeugen in Deutschland ginge es hier um eine lückenlose Erfassung des Privatlebens der Bevölkerung. Und diese Bewegungsprofile, die sich daraus ergeben würden, wären ein tiefgreifender Eingriff in die Grundrechte. Der baden-württembergische Datenschutzbeauftrage hat das ja den beiden CDU-Minister in Baden-Württemberg nach ihrem Vorstoß ganz deutlich gesagt und ihnen einen deutlichen Rüffel erteilt, ich finde, zu Recht, denn die Nutzung der Mautdaten für Zwecke der Strafverfolgung stellt einen sehr weitgehenden Eingriff in das Recht der informationellen Selbstbestimmung dar.
Man muss doch klar sagen: Datenschutz ist kein politisches Schönwetterphänomen, sondern eine notwendige Bedingung für das Gelingen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung im 21. Jahrhundert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das vorliegende Beispiel zeigt aber auch, dass es eben bei der CDU ausufernde Überwachungs- und Kontrollfantasien gibt. Ich frage mich manchmal – und ich frage Sie das auch –: Wissen Sie eigentlich noch, wo Sie überall Strafrechtsverschärfungen, neue Sicherheitsgesetze und neue Datenerfassungen fordern? – Ich habe da manchmal meine Zweifel.
In jedem Fall zeigt schon die schiere Menge an Forderungen, die immer wieder erhoben wird, dass die CDU nicht bereit ist, wie es im Rechtsstaat eben notwendig wäre, die Chancen und Risiken neuer Instrumente in der notwendigen Differenziertheit gegeneinander abzuwägen. Manchmal mögen solche Forderungen vielleicht am Wahlstand helfen. Vielleicht hilft es sogar Herrn Bosbach in den Talkshows. Aber Sie helfen damit letzten Endes nicht
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
den Ermittlerinnen und Ermittlern. Die Vergangenheit zeigt doch, dass es den Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung schwerster Straftaten – in aller Regel jedenfalls – nicht an den Daten gemangelt hat. Wenn es heute schon eine schwierige Aufgabe ist, was wir auch immer wieder feststellen, die berühmte Nadel im Heuhaufen zu finden, dann ist es doch eigentlich der falsche Weg und kann es nur die falsche Strategie sein, dass man immer noch mehr Heu, noch mehr Daten anhäuft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es vorhin schon gehört: Alle Parteien haben den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder versprochen, dass es bei der strikten Zweckbindung der Mautdaten bleiben soll, dass das gilt, was im Gesetz steht. Wir Grüne lehnen es ab, das Mautsystem zu einem Überwachungssystem auszubauen. Wir wollen nicht die Möglichkeit zur Erstellung umfassender Bewegungsprofile schaffen. Denn damit würde man George Orwell auf die Autobahn bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließende Worte an die SPD: Wir stehen – ich habe es eben schon gesagt – diesem Antrag sehr, sehr positiv gegenüber. Aber ich kann es Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass es eben auch die Sozialdemokraten waren, die in der ablaufenden Legislaturperiode im Bundestag eine ganze Menge an Gesetzen mitgetragen haben. Ich nenne das BKA-Gesetz, den Staatstrojaner, die Vorratsdatenspeicherung als Gesetz gewordenen Generalverdacht. Da wird es noch ein bisschen dauern, bis wir Ihr bürgerrechtliches Profil so ernst nehmen, wie Herr Kutschaty das heute versucht hat, hier darzustellen. Aber da haben Sie natürlich noch Potenzial. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)