Matthi Bolte: „Sie machen ohne Not funktionierende Strukturen kaputt!“

Antrag der GRÜNEN zur Digitalisierung der Wirtschaft

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Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als Herr Laschet und Herr Lindner den Koalitionsvertrag vorgestellt haben, haben sie behauptet, NRW würde jetzt – Zitat – „stärker, moderner und digitaler“. Schon da war „digital“ nicht mehr „first“, sondern allenfalls ein Anhängsel, mit dem Sie Ihrer Rückschrittsagenda einen etwas moderneren Anstrich geben wollten.
Was wird denn digitaler? Schauen wir uns das einmal an. Wird NRW jetzt das Start-up-Land, das uns versprochen wurde? Wohl kaum. Eine der ersten Amtshandlungen des Digitalministers Pinkwart war, die Stelle des Beauftragten für die Digitale Wirtschaft NRW auslaufen zu lassen. Mit der Unterstützung von Prof. Kollmann sind in knapp zweieinhalb Jahren mehr als 1.000 neue digitale Start-ups entstanden.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Schwarz-Gelb haut diese Struktur weg, und die Begründung ist hanebüchen; denn Sie sagen: Jetzt, wo das Türschild ausgetauscht ist, wo „Digitalisierung“ im Titel des Ministeriums steht, klappt das mit der Digitalisierung ganz von allein. – Das ist Politik von gestern.
(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Michael Hübner [SPD])
Sie machen ohne Not funktionierende Strukturen kaputt. Das merkt die Start-up-Szene.
Das gleiche Spiel droht uns jetzt bei den DWNRW-Hubs. Auch da wollen Sie, nachdem die Hubs erst seit ein paar Monaten laufen, schon wieder alles anders machen, schon wieder alles über den Haufen werfen. Das ist fatal; denn auch solche Projekte brauchen Planungssicherheit.
Das Konzept hinter den DWNRW-Hubs, nicht nur Start-ups den Weg zu Mittelstand und Industrie zu ebnen, sondern besonders auch umgekehrt Mittelständler, die sich digitalisieren wollen, mit innovativen Start-ups zusammenzubringen, ist richtig; das ist weithin anerkannt. Die Landesregierung bzw. die sie tragenden Fraktionen stellen mit ihrem Koalitionsvertrag wenige Monate, nachdem es anlief, das ganze Konstrukt aber schon wieder infrage.
Wir erwarten hier und heute von Ihnen ein klares Bekenntnis zur Fortführung der DWNRW-Hubs. Wenn Sie das nicht abgeben wollen, dann zeigen Sie, dass Sie noch nicht verstanden haben, was die digitale Wirtschaft in NRW braucht. Es reicht nicht, Türschilder auszutauschen. Dahinter muss etwas passieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie viele von uns war auch ich im August auf der gamescom. Ministerpräsident Laschet und Herr Pinkwart, Sie waren ja auch da. Sie haben sich da im Glanz der Bundeskanzlerin gesonnt, und Sie haben selbst große Ankündigungen gemacht und viel versprochen. Herr Laschet, es ist schön, dass Sie endlich mal die Killerspieldebatten ad acta legen wollen.
(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)
– Ja, aber es war immer Ihre Partei, die dieses Gerede vorangetrieben hat,
(Ministerpräsident Armin Laschet: Ich aber nicht!)
obwohl Games fester Bestandteil der Jugendkultur sind, obwohl die Branche in Nordrhein-Westfalen stark ist und gigantische Umsätze erwirtschaftet, obwohl Games Innovationstreiber der IT-Entwicklung insgesamt sind.
Aber wieder einmal ist das moderne Gerede nur Fassade. Auf unsere Anfragen hin war die Landesregierung nicht zu einer Zusage bereit, das hohe Niveau der Gamesförderung beizubehalten. Noch dramatischer ist, dass Sie sich, außer „mal gucken“ zu sagen, bisher keine Gedanken über die Nachwuchssicherung der Branche durch zusätzliche Studienplätze gemacht haben.
Was mir aber auf der gamescom als größte Sorge der Branche begegnet ist, ist Ihre „Ausländermaut“ für Studierende.
 (Ministerpräsident Armin Laschet: Oh Gott!)
Damit gefährden Sie den Nachwuchs dieser wichtigen Branche, damit gefährden Sie konkret den IT-Standort Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Wir haben mit der DWNRW-Strategie bundesweit die erste Strategie für die Förderung der digitalen Wirtschaft aufgelegt. Wir haben da konkrete Unterstützung geboten – Sie bieten den Unternehmen nur Symbolpolitik.
Ich erinnere mich, wie Sie uns in der letzten Legislaturperiode – damals in umgekehrten Rollen – teilweise ausgelacht haben, wenn wir eine stärkere Beteiligung des Bundes beim Breitbandausbau, beim schnellen Internet eingefordert haben. Was kommt jetzt von Ihnen? Sie versprechen 7 Milliarden €. Aus eigenen Mitteln? Nein. Letzte Woche ließ das Digitalministerium verkünden – Zitat –:
„Pinkwart fordert mit Ministerkollegen aus Mainz und Kiel den Bund auf, sich stärker für die Digitalisierung zu engagieren.“
Hört, hört! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Im Juni versprechen Sie 7 Milliarden € für den Ausbau. Im September kommt Ihr böses Erwachen, und Sie fragen den Bund, ob er nicht Ihre Versprechen finanzieren möchte.
Was haben wir gemacht? Wir haben mehr als eine halbe Milliarde Euro Fördermittel organisiert. Wir haben flächendeckend die Breitbandbeauftragten eingesetzt, damit das Geld auch vor Ort ankommen kann. Wir haben die Studien gemacht, die Konferenzen, die Gespräche vor Ort, konkrete Förderung. Was machen Sie?
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Sie verteilen Förderbescheide, für die wir die Kofinanzierung organisiert haben. Das ist okay. Aber nicht okay ist, dass Sie unser Ausbauziel für den Glasfaserausbau in Gewerbegebieten einfach mal so kassiert haben. Da sind Sie wieder von gestern. Da verspielen Sie Zukunft.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ministerpräsident hat heute richtigerweise gesagt: Das Verschlafen der Digitalisierung gefährdet unseren Wohlstand. – Recht haben Sie, Herr Laschet. Aber die netten Bemerkungen reichen nicht aus. Denn Sie haben bisher keine Konsequenz. Es gibt keine Fortschritte bei der digitalen Verwaltung.
(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)
Sie schwächen Start-ups. Sie schwächen die Digitalisierung des Mittelstands.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Schwarz-Gelb ist unfähig zum Update, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)