Matthi Bolte-Richter: „Wir lassen uns diese Vielfalt nicht kaputtmachen – gerade in dieser Zeit“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu vielfältiger Studierendenschaft

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nordrhein-Westfalen ist ein Land der Vielfalt und ein Land des Aufstiegs durch Bildung. Beides haben wir letzte Woche beim Festakt zur Verabschiedung des deutschen Steinkohlebergbaus in vielen beeindruckenden Geschichten noch einmal geschildert bekommen.
Die Hochschulen im Ruhrgebiet haben dabei eine ganz besondere Rolle gespielt. Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten vielen sogenannten Arbeiterkindern – gerade auch mit Migrationsgeschichte – eine Aufstiegsperspektive verschafft. Diese jungen Menschen haben hart gearbeitet – man könnte sagen: im Hörsaal malocht –, um ihren Familien eine neue Perspektive zu verschaffen.
Diversität leistet ihren Beitrag sowohl zur Bildungsgerechtigkeit als auch zur Exzellenz. Exzellente Wissenschaft braucht Diversität und Originalität, so beschreibt es die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Warum? Weil Diversität für Forschungsorganisationen wie auch für Hochschulen von großer Bedeutung ist. Das lässt sich noch erweitern, denn Hochschulen sind nicht nur ein Ort der Wissensgenerierung, der Wissensvermittlung, sie sind auch Orte der Aus- und Weiterbildung. Ganz besonders sind sie Impulsgeber für gesellschaftliche Weiterentwicklung, für gesellschaftlichen Fortschritt.
Gerade junge Menschen mit Migrationsgeschichte haben schon viele Unterstützungsangebote und Unterstützungsstrukturen an den Hochschulen. Wir haben in unserem Antrag einige gute Beispiele benannt. Wir zeigen aber auch auf, dass es noch Herausforderungen gibt.
Die Zahl der Bildungsaufsteigerinnen und Bildungsaufsteiger mit Migrationshintergrund ist in den letzten Jahren konstant gestiegen. Das ist gut, aber es könnten noch mehr werden, wenn wir die bereits vorhandenen guten Angebote neu und besser ausrichten, um frühzeitig das Interesse an einer akademischen Ausbildung zu wecken.
Auch die Zahl der Geflüchteten, die ein reguläres Studium aufnehmen, ist in der letzten Zeit gestiegen, und sie steigt konsequent weiter. Das zeigt den großen Willen dieser Menschen, den sie zum Aufstieg durch Bildung haben, aber das zeigt in besonderer Weise auch ihre Bereitschaft, ihren Willen und ihren Wunsch, sich in unsere Gesellschaft einzubringen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aus Respekt vor diesem Willen wollen wir Hürden abbauen, die es heute noch gibt.
Zur Diversität und zur Internationalisierung gehört auch, dass wir Ihre Ausländerstudiengebühren, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, als Irrweg betrachten. Vielfalt beschränkt sich nicht nur auf den kulturellen Hintergrund, obwohl sie in diesem Kontext oft diskutiert wird, sondern sie ist divers. Daher legen wir Ihnen heute ein umfangreiches Programm für eine bunte Uni vor.
Wir wollen Studierende mit Behinderung, mit chronischen Erkrankungen und mit psychischen Erkrankungen unterstützen. Barrierefreiheit fängt im Kopf an, heißt es immer so schön. Diesen Gedanken gilt es, mit Leben zu füllen. Es ist richtig, dass Barrierefreiheit nicht beim Hochschulbau enden darf, sondern dort anfangen muss.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir wollen auch Studierende mit Kindern fördern. Dazu gehört eine gute und ausreichende Kinderbetreuung, die so flexibel ist wie das Leben der Studierenden. Dafür ist es notwendig, dieses Thema noch stärker in den Köpfen der Menschen zu verankern und das Bewusstsein dafür zu stärken, damit der Wunsch nach Kindern und der nach einer wissenschaftlichen Karriere sich nicht mehr entgegenstehen, wie das heute noch viel zu oft der Fall ist.
Wir wollen die Zahl der Studienabbrüche reduzieren. Die Gründe für ein längeres Studium liegen in der Regel nicht mangelnder Disziplin – im Gegenteil: Gerade Studierende mit Finanzierungsproblemen zeigen einen besonderen Einsatz und arbeiten hart für die Chance, die ihnen ein Studium für ihr weiteres Leben bietet.
Besser wäre es natürlich, das Problem, das den Grund für die überwältigende Anzahl von Studienabbrüchen und von Verlängerungen der Studienzeiten darstellt, bei der Wurzel zu packen, indem der Bund endlich ein höheres, weniger bürokratisches, flexibleres, Bologna-konformes und familiengerechtes BAföG schafft. Was wir hingegen nicht brauchen, ist eine Stigmatisierung von Langzeitstudierenden und Sanktionen, wenn man nicht nach einer definierten Zeit eine vordefinierte Zahl von Credit Points erwirtschaftet hat.
Meine Damen und Herren, Hochschulen sind ein Ort des gesellschaftlichen Fortschritts, des kritischen Diskurses und des gelebten Miteinanders. Wir lassen uns diese Vielfalt nicht kaputtmachen – gerade in dieser Zeit. Wer für Vielfalt, für Demokratie und für Menschenwürde einsteht, kann sich unserer Unterstützung sicher sein.
Lassen Sie uns gerne heute und im Ausschuss darüber sprechen, wie unser Land und unsere Hochschulen Orte der Vielfalt bleiben. Auf die Beratung im Ausschuss freue ich mich. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)