Matthi Bolte-Richter: „Wir brauchen alle Talente, die diese Innovationen hervorbringen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag gegen eine Campus-Maut für Nicht-EU-Studierende

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Weltweit gehen heute Millionen Menschen auf die Straße, um für die Bekämpfung der Klimakrise zu demonstrieren. Wenn wir es mit dieser Menschheitsaufgabe ernst meinen, dann kommen wir um mehr Innovationen, mehr Offenheit und Begeisterung für Innovationen nicht herum. Wir brauchen alle Talente, die diese Innovationen hervorbringen. Um diese Talente geht es in dieser Debatte.
(Beifall von den GRÜNEN und Frank Sundermann [SPD])
Wenn in der Klimadebatte über Innovationen gesprochen wird, dann meinen viele andere Parteien Ausreden. Was wäre passiert, wenn die Vereinigten Staaten nach dem Sputnik-Schock gewartet hätten, bis das Beamen erfunden worden wäre? – Neil Armstrong hätte nie den Mond betreten, und seine Nachfolgerinnen würden heute noch in Houston herumsitzen und auf Einsätze warten, die niemals kommen.
Viele der Technologien haben wir heute schon erforscht, durch junge Talente, durch Talente, die auch aus unserem Land kommen, die in unserem Land ausgebildet wurden. Wir haben heute schon viele digitale Unternehmen, die uns helfen, Sharing-Modelle hervorzubringen, mit denen weniger, besser und anders konsumiert wird. Wir haben neue Produktionsverfahren, die den Ressourcenverbrauch senken.
All diese Innovationen und Fortschritte, die für unsere Menschheit eine Überlebensfrage darstellen, bekommen wir nur, wenn wir heute umsteuern, wenn wir nicht mehr nur darauf schauen, wie viel andere Länder wie die USA und China in Künstliche Intelligenz investieren, sondern wenn wir eine europäische Antwort geben, wenn wir die positiven Effekte der Digitalisierung und der Innovation für unsere Gesellschaft sehen und nutzen, wenn wir erkennen, dass Roboter uns Menschen sinnentleerte Arbeiten abnehmen können, wenn wir Algorithmen demokratisch kontrollieren lernen und wenn wir nicht länger zur Kenntnis nehmen, dass die deutschen Innenminister die größten Risiken für unseren Innovationsstandort darstellen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bekämpfung der Klimakrise ist die Mondlandung meiner Generation. Darum geht es heute beim globalen Klimaaktionstag. Nutzen wir diese Chance! Denn viel mehr Chancen haben wir nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bei dieser Aufgabe – ich sagte es eingangs – brauchen wir alle Talente. Wir dürfen es nicht zulassen, dass junge Menschen davon abgehalten werden, ihren Beitrag zu leisten. Darum lehnen wir alle Hürden ab.
Deshalb lehnen wir auch die Studiengebühren, wie Sie sie einführen wollen, ab – Studiengebühren vor dem Studium, nach dem Studium und während des Studiums. Für uns war in der Vorgängerregierung die einzige Option, diesen Irrsinn zu beenden.
(Beifall von den GRÜNEN und Dietmar Bell [SPD])
Die CDU hat ausweislich des Koalitionsvertrags ihr Versprechen gebrochen, keine neuen Studiengebühren einzuführen. Sie sind eingeknickt vor dem Druck der FDP, diesen neoliberalen Irrsinn wieder aus der Mottenkiste zu holen.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Hier haben Sie sich eine besondere Schnapsidee ausgedacht: Diejenigen, die sich am wenigsten wehren können, sollen zahlen, und zwar, bitte schön, nicht zu knapp. – Das ist Bildungsnationalismus pur, ein Bürokratiemonster, eine reine Schnapsidee.
Nachdem Sie zwei Jahre herumgeprüft und herumdilettiert haben, gibt es jetzt Andeutungen aus Koalitionskreisen, dass man sich vielleicht überlegen könnte, sich doch von den Ausländerstudiengebühren zu verabschieden. Da kann ich Ihnen nur sagen: Endlich einmal eine gute Idee von Schwarz-Gelb! Das hat diesmal sogar ohne Gefälligkeitsgutachten geklappt. Respekt!
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Bolte-Richter, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Es gibt vom Abgeordneten Höne den Wunsch nach einer Zwischenfrage.
Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Gerne. Aber dann möchte ich, dass meine Zeit angehalten wird.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das wird gemacht. – Bitte sehr, Herr Kollege Höne.
Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Bolte, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Ich würde gerne etwa 30 Sekunden in Ihrer Rede zurückspringen. Da haben Sie nämlich die Behauptung aufgestellt, dass wir uns das Modell, um das es hier geht, ausgedacht hätten. Ist Ihnen auch nach längerer Debatte immer noch nicht bewusst, dass wir uns das nicht ausgedacht haben, sondern dass wir es kopiert haben, und zwar von Ihren grünen Kolleginnen und Kollegen aus Baden-Württemberg?
(Beifall von der FDP)
Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Lieber Kollege Höne, das bekommen wir natürlich immer wieder zu hören. Dazu sage ich Ihnen als ersten Punkt das, was wir Ihnen immer gesagt haben. Wir haben nämlich schon zu dem Zeitpunkt, als es diese Diskussion in Baden-Württemberg gab, ganz klar gesagt: Das ist kein Modell oder kein Fall, das oder den wir hier in Nordrhein-Westfalen in dieser Form anfassen würden.
Der zweite Punkt ist ein ganz entscheidender. In Baden-Württemberg werden nämlich die Studiengebühren, wie sie dort eingeführt wurden, erstens auch weiterhin kritisch überprüft. Zweitens wurden sie nicht, so wie Sie das hier in Nordrhein-Westfalen vorhaben, als reines Sparmodell gefahren, sondern gingen mit erheblichen Investitionen in die Betreuungsrelation einher. Das sind alles Dinge, die Sie hier im Land nicht so machen wollen.
Das heißt: Wenn Sie schon nach Baden-Württemberg gucken,
(Bodo Löttgen [CDU]: Wie funktioniert es denn in Baden-Württemberg?)
dann machen Sie es, bitte schön, richtig. Dann hätten Sie es wenigstens so machen müssen, dass Sie nicht alleine auf Kosten von ausländischen Studierenden sparen, sondern es auch mit einem Investitionsprogramm versehen, lieber Kollege Höne.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es schadet also nicht, sich auch ein bisschen tiefer in die Fachdebatte hineinzubegeben, als Sie das an dieser Stelle gemacht haben.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Was hat Ihre Prüfung nach zweieinhalb Jahren denn ergeben? Sie haben sich hier in NRW mit dem auseinandergesetzt, was in Baden-Württemberg passiert ist. Und dort ist genau das passiert, was wir immer befürchtet haben.
(Henning Höne [FDP] führt ein Gespräch mit Bodo Löttgen [CDU].)
– Hören Sie mir doch wenigstens zu, Herr Höne.
(Henning Höne [FDP]: Sie erzählen ja die ganze Zeit Quatsch!)
Die Beteiligung dieser Menschen, die wir in unserem Land für die Internationalisierung unseres Wissenschaftsstandorts brauchen, an der Hochschulbildung in Baden-Württemberg ist zurückgegangen. So hatten wir das auch gesagt. Genau deswegen ist das, was Sie da vorhaben, kein Modell für Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben dann auch noch festgestellt, dass es immer noch keine Stipendienprogramme für Menschen aus dem globalen Süden gibt. Das ist ein weiteres Detail, das ebenfalls zu dieser Debatte dazugehört.
Offensichtlich denken Sie ja in Koalitionskreisen jetzt doch noch einmal darüber nach. Inzwischen sind die Kolleginnen und Kollegen, die das bisher federführend verantwortet haben, auch aus diesem Parlament ausgeschieden. Herr Dr. Berger ist nicht mehr bei uns; Herr Körner ist nicht mehr bei uns. Frau Ministerin, Sie sind ja auch erst später dazugekommen und haben diesen Unsinn aus dem Koalitionsvertrag nicht mitzuverantworten.
Jetzt reden Sie also darüber. Wir rufen Ihnen aber von dieser Stelle aus heute in der Debatte zu: Je schneller Sie Schluss machen mit Studiengebühren, desto besser. Bekennen Sie sich, und zwar hier an diesem Ort, in diesem Parlament. Hier gehört die Debatte hin, meine Damen und Herren. Sagen Sie: Nein; Schluss; keine Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen. – Ich danke Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN)