Matthi Bolte-Richter: „Wir bräuchten eine flächendeckende Lösung – wir brauchen Mut und Entschlossenheit bei der Digitalisierung“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum E-Government

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Was hat uns diese Landesregierung nicht alles versprochen? Was hat uns diese Koalition nicht alles versprochen? – Digital first, alles schneller, alles früher, alles höher, alles weiter.
Was ist dabei herausgekommen? – Wenn wir uns diesen Gesetzentwurf und das Verfahren angucken, dann sehen wir erst einmal drei Jahre Aufschieberitis. Sie legen einen Gesetzentwurf vor, der nichts anderes ist als ein digitalpolitischer Offenbarungseid. Herr Pinkwart und diese Koalition sind als vermeintliche Chefdigitalisierer gestartet und heute, drei Jahre später, sind sie mit diesem E-Government-Gesetz als Digitalisierungsverschieber gelandet.
(Zuruf von Florian Braun [CDU])
Meine Damen und Herren, Sie berufen sich auf Estland. Dort spart jede Bürgerin pro Jahr eine Woche Zeit durch intelligente digitale Verwaltungsdienstleistungen. Inzwischen sind die in Estland sogar schon wieder weiter. Nicht mehr die Bürgerinnen müssen der Verwaltung sagen, welche Leistungen sie gerne hätten, sondern die Verwaltung kann auf Basis von künstlicher Intelligenz von sich aus den Bürgerinnen und Bürgern ihre Dienste anbieten. Also da sind die einfach schon viel weiter als das, was hier in diesem Gesetz steht. Sie sind meilenweit davon entfernt.
Sie sind auch meilenweit von Ihren eigenen Ansprüchen entfernt. Das Wirtschaftsministerium soll Ihre papierlose Modellbehörde – so ähnlich lautet der Begriff – sein. Wir haben mal nachgefragt, was das eigentlich heißt. „Papierloses Ministerium“ heißt bei Schwarz-Gelb 3.700 Seiten Papierverbrauch im Jahr, und zwar pro Mitarbeiterin. Meine Damen und Herren, das ist nicht digital, das ist die Zeit von Wartemarke, Amtsstubenmief und Faxgerät.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ein Ankündigungsminister wie Herr Pinkwart macht noch keine Digitalisierung. Es waren zahlreiche Ankündigungen, die wir bis zum heutigen Tag gehört haben. Am 4. Oktober 2018 wurde das E-Government-Gesetz für Ende 2018 angekündigt, am 20. Dezember 2018 dann für das erste Quartal 2019. Das war dann vorbei. Am 29. Mai 2019 ist es für vor der Sommerpause angekündigt worden. Dann wurde es in der Sommerpause für Ende 2019 angekündigt. Jetzt kommen Sie drei Monate später mit diesem Gesetzentwurf um die Ecke. Das grenzt doch schon an Arbeitsverweigerung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist ja nicht einmal etwas Gescheites dabei herausgekommen trotz dieser ganzen Zeit, die Sie verdaddelt haben. Bei der Einführung der elektronischen Aktenführung hakt es. Das haben Sie selber im Bericht an den Ausschuss zugegeben. Sie schreiben es auch in dieses Gesetz. Sie wollen Behörden von 2022 bis 2024 zusätzlich zwei Jahre Zeit geben. Das Innenministerium kriegt einfach mal pauschal zwei Jahre Digitalisierungsferien. Das Digitalste an Herrn Reul ist weiter der Staatstrojaner.
Meine Damen und Herren, Sie kommen auch bei Open Data nicht voran. Sie legen in Ihrem Gesetzentwurf explizit fest, dass es keinen Rechtsanspruch auf offene Daten gibt. Es ist ein absurder Etikettenschwindel, dass man das dann als Open Data bezeichnet und das darüber schreibt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn wir uns den einzigen Fortschritt in diesem Gesetzentwurf angucken, die elektronische Prozessoptimierung auf 2025 vorzuziehen – das ist ja ein tolles Ziel –,
(Florian Braun [CDU]: Was ist denn Ihr Ziel?)
muss man sich doch fragen: Was stellen Sie dafür bereit? Welche Möglichkeiten stellen Sie bereit, um das hinzukriegen? Wenn man sich die ganzen Probleme – das sind hausgemachte Probleme bei der E-Akte – anschaut, wird das doch nichts anderes sein als ein frommer Wunsch, der vielleicht über den nächsten Wahltermin trägt, aber doch nicht ins digitale Zeitalter für die Verwaltung.
Die Probleme sind alle hausgemacht. Sie haben es selbst geschrieben. Geld- und Ressourcenmangel hindern Sie an der Einführung der elektronischen Akte.
Aber wer ist denn für diesen Geld-, Ressourcen- und Personalmangel eigentlich verantwortlich? Ein Landeshaushalt mit Geld-, Ressourcen- und Personalmangel fällt doch nicht einfach vom Himmel, sondern das wird zwischen den Häusern und der Staatskanzlei abgestimmt, und wer sich durchsetzt, der kriegt Personal, und der kriegt Ressourcen. Aber Sie haben sich offensichtlich nicht durchgesetzt mit der digitalen Verwaltung. Das sieht man auch an diesem Gesetzentwurf.
Wenn man sich dann auch noch die Änderungen bei der E-Akte, bei Open Data und Prozessoptimierung anguckt, dass das alles weiterhin auf die Landesbehörden beschränkt bleibt, dann sehen wir auch da ein eklatantes Versagen. Denn natürlich findet ein Großteil der Kontakte zwischen Bürgern und Verwaltung und Wirtschaft auf kommunaler Ebene statt. Sie bleiben da im Zeitalter der Flickenteppiche aus Modellprojekten und von hier einer Modellkommune und dort einer Modellkommune.
Aber wir bräuchten eine flächendeckende Lösung. Wir brauchen Mut und Entschlossenheit bei der Digitalisierung. Aber Schwarz-Gelb liefert Abwarten und Teetrinken. Wir brauchen digitale Verwaltung nicht als Kostensparmodell, sondern als einen Weg, wie wir öffentliche Verwaltung besser, agiler und bürgernäher hinbekommen. Da bringt uns dieser Gesetzentwurf nicht voran. Nutzen Sie die Zeit. Nutzen Sie das Verfahren, um das noch zu ändern. Dann kommen wir vielleicht noch voran. Aber, ehrlich gesagt, nachdem Sie drei Jahre haben ins Land gehen lassen, ohne substanziell etwas vorzulegen, habe ich da keine große Hoffnung in diese Regierung. – Ich danke Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN)