Matthi Bolte-Richter: „Wie man ganz deutlich sieht, reichen die zugesagten Mittel nicht aus“

Antrag der SPD-Fraktion zur digitalen Daseinsvorsorge

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ja, wir haben es immer wieder in den letzten Wochen und inzwischen in den letzten Monaten und Jahren gehört, was sich die Landesregierung für schöne Strategien und Programme, Gipfelpakte, Masterpläne, Ankündigungen und was es noch alles so gibt, überlegt hat. Aber wenn man sich jetzt – ich finde, es ist nicht unfair, das nach fast drei Jahren zu tun – die tatsächlichen Bilanzen in den einzelnen Bereichen ansieht, dann sieht es nicht mehr ganz so rosig aus.
Sie kennen die Zahlen, was die Abrufquote bei den Fördermitteln angeht. Wenn wir 880 Millionen Euro Fördermittel für den Ausbau der digitalen Infrastruktur bereitstehen haben und davon 30 Millionen Euro bisher in den letzten vier Jahren abgerufen, abgeflossen und verbaut worden sind, dann zeigt sich da, dass es offensichtlich eine Lücke gibt zwischen dem, was die Landesregierung ankündigt und vorschlägt, und dem, was dann tatsächlich passiert.
Wenn man sich ansieht, dass in dem schon wieder viel gepriesenen Mobilfunkpakt steht, dass an den Hauptverkehrswegen, also an den Autobahnen und den ICE-Trassen, bis Ende 2019 alle Funklöcher geschlossen sein sollen, es überall LTE-Versorgung geben soll, und sich dann die Realität ansieht, dann ergibt sich, dass Schwarz-Gelb die Pendler inzwischen nicht mehr nur im Stau stehen lässt, sondern auch im Funkloch.
Wir haben Herrn Pinkwart mal gefragt, was denn eigentlich die Landesregierung an dieser Stelle tut und wie sie mit dieser Verpflichtung der Mobilfunkbetreiber umgeht. Er hat gesagt: Die haben sich dazu verpflichtet, und dann gehen wir mal davon aus, dass die sich schon daran halten werden.
(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Also, ein eigenes Monitoring an der Stelle brauchen Sie offensichtlich nicht. Denn wenn es schöne Versprechen gibt, dann sind Sie ja zufrieden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss zu diesem SPD-Antrag klar sagen, dass er in der Analyse an vielen Stellen richtig ist. Ich finde durchaus, dass man in den Beschlusspunkten an der einen oder anderen Stelle das zitierte Fleisch am Knochen durchaus auch mal suchen muss. Das stimmt. Aber damit passt der Antrag ganz gut zur Politik der Landesregierung, denn da fehlt das Fleisch am Knochen ja genauso.
Wenn man sich die Analyse ansieht. Der Wandel der Städte zu Smart Cities ist in vollem Gang. Natürlich sind da enorme Potenziale enthalten, wenn es etwa um die Energiewende, wenn es um Ressourcenschutz geht. Es sind nicht nur die Smart-City-Klassiker, sondern viele neue Entwicklungen, wo wir dahinkommen können, dass es eine Digitalisierung gibt, die den Menschen und unserem Planeten zugutekommt.
Es ist im Antrag erwähnt, dass an vielen dieser Entwicklungen Start-ups und andere Unternehmen beteiligt sind, sie von ihnen vorangetrieben werden. Insofern habe ich ein bisschen gestaunt, dass jetzt so ein klarer Dualismus „Der-Markt-ist-böse“ versus „Wer-auch-immersoll-es-besser-machen?“ von der SPD gesehen wird. Ich fand ihn an dieser Stelle wirklich ein bisschen konstruiert. Das muss eigentlich nicht sein, weil wir sehen, dass viele Marktakteure sich in der Gestaltung von Smart City sehr engagieren.
Wenn man es kritisieren möchte: Es gibt sicherlich auch Entwicklungen, die zu kritisieren sind. Aber dann sollte man das vielleicht nicht auf der ideologischen Ebene tun, sondern man sollte tatsächlich schauen: Wie können sich diese negativen Entwicklungen in der Praxis einhegen lassen?
Das gilt genauso bei den Sicherheitsfragen. Wenn ich, Kollegin Kampmann, bei dem Projekt, wie es in Duisburg gemacht wird – ich habe es angesprochen –, eng mit Huawei kooperiere, einem Unternehmen, das massiven Spionagevorwürfen ausgesetzt ist, dann ist das wahrscheinlich nicht unbedingt der Sicherheit dienlich.
Genauso ist es beim Datenschutz. Der taucht in diesem Antrag zwar auf, aber eher so als Pflichtübung. Auch das passt zu einer SPD ganz gut, die im Bund mehrmals die Vorratsdatenspeicherung mit beschlossen hat und sich auch hier im Landtag für das Polizeigesetz von Schwarz-Gelb, dieses bürgerrechtsfeindliche Polizeigesetz, hergegeben hat. Auch hier bleibt es natürlich meilenweit hinter dem zurück, was eigentlich notwendig wäre, nämlich ein starker rechtsfester Datenschutz, der sowohl den Anbietern als auch den Kunden die Sicherheit gibt, ihnen souveräne Anwendungen von Smart-City-Dienstleistungen zu ermöglichen.
Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es meines Erachtens zu vielen Punkten in diesem Antrag noch eine Menge Diskussionsbedarf.
Wo der Antrag aber völlig richtig liegt, habe ich eingangs schon angerissen. Das ist die Kritik an einer Landesregierung, die sich ganz große Ziele in der Digitalisierung und in der Digitalpolitik gesetzt hat, jetzt aber langsam sehen muss, dass es vielleicht nicht reicht, schöne Ziele zu definieren, sondern dass den schönen Worten des Ankündigungsministers Pinkwart in den Mühen der Ebene dann auch mal Taten folgen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wie man ganz deutlich sieht, reichen die zugesagten Mittel nicht aus – das kritisiert der Antrag im Detail völlig zutreffend –, um die großen Herausforderungen auf der kommunalen Ebene anzugehen. Die Koalition hat auch überhaupt nicht den Anspruch – das haben wir ja jetzt mehrfach gesehen –, dass überhaupt etwas passiert. Sie verlängern unnötig das Zeitalter der Modellprojekte. Die Entwicklung geht nicht in die Fläche.
Absolut desaströs sieht es abschließend bei der digitalen Verwaltung aus. Das hat die Landesregierung letzte Woche in ihrem Bericht zum E-Government-Gesetz selbst zugeben müssen. Die elektronische Aktenführung kommt vielleicht etwas später. Die Landesregierung attestiert sich jetzt erst mal selbst Personal- und Ressourcenmangel. Ob sie das abstellen will, wissen wir nicht. Vielleicht geschieht das durch ein neues E-Government-Gesetz, das laut Ankündigung von Herrn Pinkwart schon vor einem Jahr vorliegen sollte. Bisher ist nichts passiert. Auf die Ausschussberatungen freue ich mich trotzdem. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)