Matthi Bolte-Richter: „Unser Informationsfreiheitsgesetz braucht ein Update hin zu einem Transparenz- und Informationszugangsgesetz“

Zum Bericht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist schon angesprochen worden: Es gab im Berichtszeitraum einen Wechsel bei der Position der Datenschutzbeauftragten: Frau Gayk ist seit dem 1. Juni 2021 im Amt.

Hier gilt mein Dank für ihre Tätigkeit in den vergangenen Monaten, genauso wie mein Dank ihrer Vorgängerin, Frau Block gilt, und insbesondere auch dem ständigen Vertreter Roul Tiaden, der die Behörde in der Übergangsphase sehr gut geleitet hat. Danke Ihnen allen, dass Sie eine Stimme für den Datenschutz in Nordrhein-Westfalen sind!

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Arbeitsaufkommen, über das im Bericht Ausführungen gemacht werden, zeigt, wie wichtig eine unabhängige Datenschutzaufsicht nach wie vor ist. Die Eingaben sind unverändert hoch. Es gibt in der Behörde eine hohe Arbeitsbelastung, und der bestehende Aufwand und die Personalstärke stehen nach wie vor im Missverhältnis – trotz aller Aufstockungen, die es in der Vergangenheit gegeben hat. Unabhängig von den Farbkonstellationen der Landesregierungen seit 2010 hat es eigentlich jährlich auch Personalverstärkungen gegeben, aber dieser Bedarf besteht fort. Das müssen wir uns gemeinsam für die anstehenden Haushaltsvorbereitungen für das Jahr 2023 merken.

Es besteht ein hohes Beratungsaufkommen zum Datenschutz – das haben meine Vorredner auch schon ausgeführt – ganz besonders im Kontext der Pandemie. Mit der Ausweitung der digitalen Kommunikation und Arbeit ist zweifelsohne der Beratungsbedarf noch einmal gestiegen. So wurde die Tätigkeit fast aller Bereiche stärker digitalisiert. Damit verbunden sind zwangsläufig viele Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit im öffentlichen wie im privaten Bereich. In diesem Prozess hat die LDI viele wertvolle Hinweise zur Verfügung gestellt, hat öffentliche digitale Veranstaltungen durchgeführt. Das sind alles gute Initiativen. Gerade deshalb, weil diese Initiativen gut und richtig sind, ist es wichtig, dass wir dieses Tätigkeitsfeld durch eine gute Ressourcenausstattung und ausreichendes Fachpersonal noch stärker profilieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt sind hier weise Worte zur Bedeutung des Datenschutzes im Allgemeinen gesprochen worden. Wir sehen, wenn wir uns die Praxis anschauen, dass dieses wichtige Feld bei der Landesregierung nicht überall ausreichend anerkannt wird. Völlig zu Recht kritisiert wurde etwa der Einsatz der Palantir-Überwachungssoftware bei der NRW-Polizei. Die Landesregierung wollte hier mit dem Kopf durch die Wand

(Daniel Sieveke [CDU]: Nein!)

und wurde hier völlig zu Recht dafür gerügt,

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

dass sie die LDI nicht bzw. viel zu spät einbezogen hat. Die Software wurde sogar trotz der Bedenken der LDI angewandt. Die waren dann offensichtlich mit Blick auf die fehlende Rechtsgrundlage auch einschlägig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ähnlich gestaltete sich die Situation beim Projekt „PeRiskoP“ des Innenministers. Viele sensible Daten werden an dieser Stelle genutzt und zusammengeführt. Keiner ist offensichtlich in diesem Prozess auf die Idee gekommen, die LDI einzubeziehen. Das scheint ein strukturelles Problem insbesondere im Innenministerium zu sein; denn es ist einigermaßen unbegreiflich.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Das pandemiebedingte Chaos in den Schulen gilt genauso mit Blick auf den Datenschutz beim Distanzlernen. Die LDI wurde auch hier nur punktuell beteiligt. Viele Anwendungen etwa von Microsoft und Google sind wegen der Drittstaatentransferproblematik nicht anwendbar. Es fehlen für viele Bereiche immer noch Whitelists. Es ist und bleibt an dieser Stelle ein langer Weg.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Zum Abschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich gerne noch auf ein schönes Jubiläum in diesem Jahr eingehen. Unser Informationsfreiheitsgesetz wird 20 Jahre alt. Es ist gut, es ist bewährt, aber es braucht ein Update hin zu einem Transparenz- und Informationszugangsgesetz.

Gerade in der Zeit, in der wir leben, muss die Politik alles dafür tun, um das Vertrauen in die Demokratie und in die Glaubwürdigkeit der politischen Institutionen zu stärken. Dafür sind wir alle als Demokratinnen und Demokraten aufgefordert und gefragt. Wir wollen Bürgerinnen und Bürger ermächtigen, als starke Zivilgesellschaft die Politik in unserem Land mitzubestimmen.

Aber dafür ist die Grundlage ein einfacher, ein schneller und ein guter Zugang zu Informationen. Das muss endlich einfacher gehen als bisher. Wir haben dafür in dieser Legislatur einen Gesetzentwurf eingebracht, damit endlich aus der Holschuld der Bürgerinnen und Bürger eine Bringschuld der Behörden wird. Informationen sind die Grundlage für demokratische Teilhabe. Nur wer informiert ist, kann mitreden und fundiert mitentscheiden.

Wir wollen, dass es ein faires Gleichgewicht zwischen Bürger*innen, Verwaltung und Politik gibt. Deshalb müssen wir den Zugang zu amtlichen Daten und Informationen erleichtern, und zwar in der ganzen Breite. Das heißt, Daten, Informationen, Gutachten und vieles weitere mehr sollte gemäß den Open-Data-Kriterien einfach allen Bürgerinnen und Bürger zugänglich gemacht werden. Denn unser Grundsatz ist, dass freie Information und starker Datenschutz notwendig sind. Das ist unser Ziel. Dafür arbeiten wir hier in Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)