Matthi Bolte-Richter: „So wird das nichts mit weltbester Bildung“

Gesetzentwurf der Landesregierung: Landeshaushalt 2018 - Einzelplan Wissenschaft

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Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Mit dem vorliegenden Haushalt ist der schwarz-gelben Landesregierung tatsächlich ein Kunststück gelungen. In einem Haushaltsjahr, Frau Ministerin, in dem sich eigentlich kein Kabinettsmitglied vor dem Füllhorn des Finanzministers retten konnte, sinkt der Wissenschaftsetat. Es mag dieses Jahr auch den Veränderungen der Bundesmittel beim Hochschulpakt geschuldet sein; aber es ist auch eine politische Linie, die sich durchzieht.
In der Aussprache zur kleinen Regierungserklärung hat die Ministerin bereits gesagt: In dieser Legislaturperiode gibt es zwei Bereiche, bei denen die Mittel erhöht werden: das Medizinerprogramm – dazu komme ich später noch – und die Ausländerstudiengebühren.
Selbst die Bauprojekte – ich komme aus Bielefeld mit einem der größten Hochschulbauprojekte in Europa – sollen unter Haushaltsvorbehalt stehen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
So wird das nichts mit weltbester Bildung. Und es sieht auch nicht so aus, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, als ob Sie das ernsthaft ändern wollten. Beim Finanzminister kamen heute Morgen weder Wissenschaft noch Hochschulen vor.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen erheblichen Mittelaufwuchs gibt es über alle Häuser, auch im MKW im Bereich Personal, Ministerbüro und Gutachterkosten. Kollegin Düker hat heute Morgen schon darauf hingewiesen, was wohl zu schwarz-gelben Oppositionszeiten passiert wäre, was Sie für ein Empörungsfeuerwerk abgebrannt hätten, wenn das bei uns passiert wäre. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Wofür brauchen Sie 420.000 € zusätzlich für Gutachten? Könnte das vielleicht mit allerlei halbgaren Vorhaben zu tun haben, die die Landesregierung plant, insbesondere mit Blick auf das Hochschulgesetz?
Wir haben vor wenigen Wochen ein Urteil aus Baden-Württemberg zur Anwesenheitspflicht gesehen. Dieses Urteil stützt unsere Argumentation, die wir in den letzten Monaten immer vertreten haben: Was man studiert, wie man ein Fach studiert, wie man eine akademische Qualifikation erwirbt, unterfällt der grundgesetzlich geschützten Studierfreiheit.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfragen von Herrn Körner?
Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Von Herrn Körner? – Ja, gerne.
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Kollege.
Moritz Körner (FDP): Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass der Anstieg bei den Mitteln für Sachverständige und Gutachten vor allem auf die geplante Begutachtung der gesamten Hochschulmedizin Nordrhein-Westfalens durch den Wissenschaftsrat zurückgeht und dass das ganz klar schon so im Ausschuss begründet worden ist?
(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])
Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Wir haben das als eine mögliche Antwort im Ausschuss natürlich auch schon zur Kenntnis genommen. Wir nehmen durchaus zur Kenntnis, was im Ausschuss passiert.
(Heiterkeit von Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen)
Wenn man sich das ansieht, stellt man fest, dass es 420.000 € absolut sind. Man kann sich das auch prozentual anschauen.
Herr Kollege Körner, Sie haben ein bisschen die Gnade der späten Geburt, denn Sie sind später zu uns in den Landtag gekommen.
(Zuruf von Angela Freimuth [FDP])
Es war Schwarz-Gelb eigentlich egal, ob Gutachterkosten begründet waren. Es war egal, ob wir mit guten Gründen externen Sachverstand ins Haus geholt haben. Es war immer die Ansage: Da müssen Sie kürzen. Das müssen Sie rausnehmen. Das müssen Sie aus den Häusern erwirtschaften.
Lieber Kollege, das ist mein Punkt: Sie machen genau das, was Sie uns immer vorgeworfen haben – Sie persönlich nicht, Sie sind später erst dazu gekommen, aber Ihre Kolleginnen und Kollegen. Fragen Sie mal Herrn Dr. Berger. Fragen Sie mal bei Ihrer Fraktion den Kollegen Witzel, was da in den letzten Jahren los war.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach diesem kurzen Exkurs möchte ich gerne in meinen Punkten fortfahren. Sie wollen gerne Freiheit – wir haben es gerade wieder von Herrn Kollegen Dr. Berger gehört –: Freiheit an den Hochschulen, Freiheit für alle, Freiheit für Rüstungforschung, Freiheit für weniger Mitbestimmung, Freiheit für Rektorate, Freiheit für Hochschulräte. – Wo ist die Freiheit für Studierende? Das war gerade mein Punkt. Die kommt auf Ihrer Agenda nicht vor.
Dass Sie Ihren Unwillen, in die Hochschulen zu investieren, jetzt mit Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer zu kaschieren versuchen, setzt diesem faulen politischen Kompromiss, den Sie eingegangen sind, noch die Krone auf.
Studiengebühren – Frau Ministerin, weil bald Weihnachten ist, sage ich jetzt einmal für Sie „Studienbeiträge“ –, egal, wie man sie nennt, sind ungerecht. Es ist egal, zu welchem Zeitpunkt, und es ist egal, für wen – Studiengebühren sind ungerecht. Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, Sie werden im nächsten Jahr mit entschiedenem Widerstand von uns Grünen rechnen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben bei diesen Studiengebühren – das wissen Sie auch – keine gesellschaftlichen Mehrheiten hinter sich. Die Hochschulleitungen sind dagegen – da haben wir genug Statements –, die Senate von renommierten Universitäten sind dagegen, Studierendenvertreter sind natürlich dagegen, die Verbände sind dagegen. Die Praxis gibt all denen, die gegen die Ausländermaut auf dem Campus sind, recht: Die Einschreibungen in Baden-Württemberg sind in diesem Bereich deutlich gesunken.
Sie schaffen mit Studiengebühren und Anwesenheitslisten zwei Bürokratiemonster, wie man sie krasser kaum schaffen könnte. Schon allein deshalb wollen wir Ihrem Haushalt nicht zustimmen, wollen wir Ihre politische Linie nicht mittragen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Kommen wir zu Ihrer zweiten Baustelle, zur Medizinerausbildung. Das Ziel eint uns natürlich. Auch wir wollen den Mangel an allgemeinmedizinischer Versorgung in den ländlichen Räumen bekämpfen. Ich komme aus Ostwestfalen. Da ist das ein riesengroßes Thema, ein Zukunftsthema für viele Dörfer und für viele kleine Städte. Über die unterschiedlichen Modelle auf diesem Weg gab es in den letzten Jahren immer wieder Auseinandersetzungen. Aber weil wir uns in diesem Ziel einig sind, haben Sie unsere Unterstützung für den Aufbau einer medizinischen Fakultät OWL.
Aber – ich bin mir nicht sicher, ob wir da noch beieinander sind – wir wollen, dass dieses Projekt tatsächlich gelingt. Ich habe großes Vertrauen, dass die Universität Bielefeld ihrer Rolle in diesem Prozess gerecht wird und dass sie gemeinsam mit regionalen Partnern ihren Beitrag zu diesem Gelingen leisten wird. Aber das klappt eben nicht einfach so. Darum darf die Landesregierung da nicht die Hände wie bisher in den Schoß legen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wer erfolgreiche Medizinerausbildung in OWL will, muss sie auskömmlich finanzieren. Die 4,5 Millionen €, die Sie jetzt eingestellt haben, reichen vielleicht für 2018. Aber dann müssen Sie nicht nur die Lippen spitzen, sondern dann müssen Sie auch tatsächlich pfeifen.
Sie haben noch nicht einmal eine Verpflichtungsermächtigung für die nächsten Jahre ausgebracht. Frau Ministerin, Sie haben zwar im Ausschuss angekündigt, dass die Summe irgendwann einmal auf 45 Millionen € aufwachsen soll. Aber allein von dieser Ankündigung kann man sich bei uns in der Region noch nichts kaufen. Sie müssen etwas Konzeptionelles liefern. Sie müssen das Projekt auskömmlich finanzieren, und Sie müssen erklären, wie das Projekt tatsächlich für die ganze Region funktionieren soll.
(Karl Schultheis [SPD]: Und wann!)
Sie müssen vor allem erklären, wie die vorhandenen Strukturen, die sich bei uns in der Region großer Beliebtheit erfreuen, in das neue Projekt eingebracht werden sollen. Denn diese Strukturen sollten Sie nicht kaputt machen. Sie sind erfolgreich. Sie sind bestens nachgefragt. Wenn Sie diese nicht integrieren, verlieren wir wertvolle Zeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Letzter größerer Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Herr Dr. Berger, Sie haben gerade schon „Fortschritt NRW“ angesprochen. Sie haben das immer als ideologisch bekämpft.
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Genau!)
Sie wollten das immer kaputt machen. Aber es wird wohl Ihr ewiges Rätsel bleiben, warum Forschungskollegs ideologisch sind, die sich Themen widmen wie – ich habe drei Titel herausgesucht –: „Gestaltung von flexiblen Arbeitswelten. Menschenzentrierte Nutzung von Cyber-Physical Systems in Industrie 4.0“ von den Universitäten Paderborn und Bielefeld, „Energieeffizienz im Quartier – clever versorgen.umbauen.aktivieren“, von den Universitäten Dort- mund, Duisburg-Essen und Bochum mit dem Wuppertal Institut und der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH oder drittens „SecHuman. Schöne neue Welt – Sicherheit für Menschen im Cyberspace“ von den Universitäten Bochum und Dortmund sowie weiteren Partnern. Diese Themen sind doch nicht ideologisch. Das sind doch die Themen unserer Zeit.
(Zustimmung von Sigrid Beer [GRÜNE])
Wir wollen „Fortschritt NRW“ deshalb in seiner bisherigen Form erhalten, denn das ist ein gutes Programm.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zum Abschluss, meine Damen und Herren: Ich habe jetzt bewusst an dieser Stelle darauf verzichtet, dem Kollegen Dr. Berger seine Ankündigungen aus den letzten sieben Jahren vorzuhalten.
(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] – Monika Düker [GRÜNE]: Du hast noch fünf Minuten!)
Das haben wir im Ausschuss schon gemacht, und Sie haben das, Herr Kollege, mit hochrotem Kopf und verlegenem Lächeln zur Kenntnis genommen und ertragen. Jeder, der Ihre Reden aus den letzten sieben Jahren aber nachliest, weiß, dass nichts von alledem von dieser Landesregierung umgesetzt wird. Stattdessen: weniger Freiheit für Studierende, mehr Bürokratie für die Hochschulen, keine Zukunft mit Schwarz-Gelb. – Wir lehnen Ihren Haushalt ab.
(Beifall von den GRÜNEN)