Matthi Bolte-Richter: „Jetzt erst recht mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Beteiligung“

Zum Abschlussbericht der Enquete-Kommission III - Parlamentarische Demokratie

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war ohne Frage richtig und notwendig, diese Enquetekommission einzusetzen. Wir leben in einer Zeit, in der Rechtsextreme, Rechtspopulisten und Verschwörungsschwurbler unsere Demokratie real bedrohen und auch in den Parlamenten eine Fraktion sitzt, die immer wieder die Mittel des Parlaments nutzt, um gegen unsere parlamentarische Demokratie zu agitieren und den Parlamentarismus verächtlich zu machen.

Die Antwort auf all diese Bedrohungen kann nur lauten: jetzt erst recht – jetzt erst recht mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Beteiligung.

Ich halte den Abschlussbericht durchaus für einen Erfolg, weil er viele Wege aufweist, diese Ziele zu erreichen. Nichtsdestotrotz würde ich mich gerne schon ein Stück weit dem gemisch­ten Fazit des Kollegen Professor Bovermann zur Kommissionsarbeit anschließen.

Wir hatten eine hochrelevante Frage. Wir haben viele neue Methoden gemeinsam auspro­biert, die auf die künftige Kommissionsarbeit übertragen werden sollten.

Dennoch war der Prozess durchaus beschwerlich. Es hat sicherlich auch mit den Bedingun­gen des Pandemiebetriebs zu tun gehabt, dass der klassische Enquetespirit, sich über La­gergrenzen hinaus verständigen zu können, über den Tag hinaus zu denken, zumindest über weite Teile des Prozesses nicht so aufgekommen ist, wie ich mir das manchmal gewünscht hätte. Ich glaube, wir haben es am Ende durchaus hingekriegt, aber in anderen Kommissio­nen hat das früher funktioniert.

Dazu kam ein Einsetzungsauftrag, bei dem es nach meinem Dafürhalten – in der Rückschau – durchaus sinnvoll gewesen wäre, ihn vor der Einsetzung schon an der einen oder anderen Stelle noch etwas zu konkretisieren. So haben wir an vielen Stellen gute Handlungsempfeh­lungen finden können, aber an einigen dann zumindest nicht in der Tiefe.

Diese Verfahrenskritik soll aber die inhaltlichen Erfolge nicht überlagern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in der Enquetekommission auf die Notwen­digkeit verständigen können, ein Lobbyregister und einen legislativen Fußabdruck einzufüh­ren. Denn das beste Mittel gegen Zweifel am politischen Prozess – und diese Zweifel hat es gerade in den letzten Monaten immer wieder gegeben – ist Transparenz.

Es muss in der Demokratie Grundsatz sein: Zugang zu den Institutionen, Zugang zu politi­scher Macht darf nicht vom Geld abhängig sein. Deswegen brauchen wir klare Regeln. Dafür gab es und gibt es in diesem Hause genug Vorschläge. Sie müssen jetzt politische und recht­liche Realität werden.

Wir haben in dem Enquetebericht erstmals in diesem Landtag eine demokratische Mehrheit für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre zur Landtagswahl festgeschrieben. Gerade in dieser Zeit erleben wir doch, wie verantwortungsvoll, wie solidarisch sich junge Menschen verhalten. Sie haben mehr Mitbestimmung verdient. Geben wir ihnen den Raum. Dafür brau­chen wir neben dem Wahlalter auch die Stärkung der Jugendpartizipation, für die wir viele Empfehlungen gemacht haben.

Es ist uns erstmals gelungen, in einem Kommissionsbericht Bürgerräte und Instrumente der deliberativen Demokratie als dritte Säule neben der parlamentarisch-repräsentativen und der direkten Demokratie zu verankern. So können wir Menschen erreichen, die wir sonst nicht erreichen, und hören nicht immer nur diejenigen, die ihre Interessen ohnehin gut vertreten.

Dazu gehören auch die Chancen der digitalen Demokratie, aber eben mit ihren vielen Vo­raussetzungen: Medienkompetenz, Open Data, Open Government und eine beteiligungs­freundliche Kultur der digitalen Verwaltungen.

Schließlich haben wir in dem Enquetebericht Vorschläge gemacht, wie wir die Gremien diver­ser und attraktiver machen können, weil die Parlamente, so wie sie derzeit aussehen, eben weißer, männlicher und älter sind, als die Gesellschaft des Jahres 2021 es ist, die von ihnen repräsentiert werden soll. Repräsentation braucht wirkliche Vertretung der Bevölkerungsgrup­pen, braucht auch klare Regeln dafür, wie wir das gewährleisten können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der grüne Wandel, vor dem unsere Gesellschaft steht, wird tiefgreifend sein. Er wird sich hier in Nordrhein-Westfalen besonders stark zeigen.

Dort, wo alte Gewissheiten verschwinden, entstehen neue Chancen, aber auf diesem Weg dürfen wir niemanden verlieren. Dieser Wandel ist deshalb auch eine demokratische Heraus­forderung. Der Bericht der Enquetekommission gibt uns viele Hinweise, wie wir das schaffen können. Vielen Dank dafür und vielen Dank an alle, die daran konstruktiv mitgewirkt haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, Prof. Dr. Rainer Bovermann [SPD] und Susanne Schneider [FDP])

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