Matthi Bolte-Richter: „In der Genderdimension steht noch sehr, sehr viel Arbeit an“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu "Gendergerechtigkeit und Digitalisierung"

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir werden dem Antrag zustimmen. Es ist bemängelt worden, dass dieser Antrag nicht den Anspruch hat, umfassend zu sein. Es ist durchaus richtig, dass er nicht die gesamte Breite der Digitalpolitik in all ihren Facetten abdeckt, aber er gibt eben doch ein paar Antworten, und ich muss sagen, dass die Antworten, die er gibt, die richtigen sind.

Das gilt unter anderem im Bereich der Vorschläge für Gründerinnen. Da hat uns die Anhörung gezeigt, dass es uns in der Gründungsförderung nach wie vor an Geschlechtersensibilität fehlt. Die Zahlen, die gerade schon genannt wurden, sind ja deutlich. Wir haben uns in der ganzen Community gefreut, dass die Zahl der Gründerinnen bei den Start-ups hochgegangen ist. Das ist unbestritten. Aber dass es zu wenig ist, wenn diese Werte von 12 auf 14 % steigen, ist auch klar. Da haben wir noch massiven Handlungsbedarf.

Was kann man da machen? – Wir können eindeutig in den Bildungsbereich gehen. Wir können die Bildungsangebote zu Gründungen und zur Vermittlung von wirtschaftlichen Basiskompetenzen sicherlich über alle Bereiche der Bildungskette noch stärken.

Wir müssen auch mehr tun, damit junge Frauen ihre digitalen Kompetenzen nicht nur vertiefen, sondern darin auch tatsächlich eine berufliche Perspektive erkennen können.

Das gilt in der Lehre an den Schulen, in der Lehramtsausbildung und in der Lehrerfortbildung. Es braucht neue Methodiken, neue Didaktik und Kooperationen. Das gilt auch im Bereich der Hochschulen und der beruflichen Bildung.

Der Start-up-Verband und Bitkom haben in dieser Woche die Initiative „startupdiversity“ gestartet und weisen damit darauf hin, wie wichtig es ist, Gründerinnen stärker in den Blick zu nehmen. Die Erhöhung des Frauenanteils im Start-up-Ökosystem ist nämlich nicht allein eine gesellschaftspolitische Mission – die kann man haben oder nicht haben –, vielmehr ist es auch ein Gebot ökonomischer Vernunft. Studien zeigen, dass Start-ups mit Frauen im Gründungsteam im Vergleich zu Start-ups mit reinen Männerteams signifikant mehr Umsatz generieren und einen höheren Return on Investment aufweisen, zudem handelt es sich in aller Regel auch um nachhaltigere Gründungen. Deshalb müssen wir die Venture-Capital-Geber in den Blick nehmen, aber gerade auch die öffentlichen Investorinnen und Investoren sowie die öffentlichen Förderinstrumente als Hebel nutzen.

Ein Fokus des Antrags liegt auf dem Bereich der Künstlichen Intelligenz und der Algorithmen. Auch da kann man – wie Kollege Matheisen es gerade getan hat – natürlich sagen: Wir haben ein Forschungsprojekt gemacht, und jetzt ist alles gut. – So ist es aber nicht, vielmehr ist die Herausforderung weit größer als das, was das angesprochene Projekt adressiert.

Wir haben große Herausforderungen im Bereich der KI, wenn es um die Diskriminierungsfreiheit geht. In der Anhörung wurden durch die Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen verschiedene Lösungsmöglichkeiten dargestellt, die sich auch im Antrag wiederfinden.

Es wurde ein weiterer Punkt angesprochen, der aus unserer Sicht zentral ist, nämlich dass das Land seine Fördergelder gerade im Bereich der Wissenschaft und Forschung mit gendersensiblen Qualitätsstandards verknüpfen sollte. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft macht das bereits. Förderprojekte müssten dann von Anfang an auch geschlechtsspezifische Implikationen der Forschung betrachten. Das ist für einen zukunftsfähigen Forschungsstandort sicherlich notwendig. Auch wenn das richtig ist, ist es wichtig, sich nicht nur darauf zu fokussieren. Darüber hinaus muss man das Design der übrigen Hard- und Software betrachten.

Wir haben im vergangenen Jahr erleben dürfen, dass digitale Technologien es den Beschäftigten zunehmend ermöglichen, ihre Arbeit flexibler zu gestalten. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Trend, der sich natürlich in der verstärkten Inanspruchnahme von Homeoffice und mobilem Arbeiten niederschlägt. Das ist nicht mehr nur ein Privileg für wenige. Damit das so bleibt und es eine soziale Komponente beim Homeoffice und beim mobilen Arbeiten gibt, braucht es ein Recht auf Homeoffice. Das macht aus einem Privileg eine Möglichkeit für viele, soweit es mit der jeweiligen Tätigkeit vereinbar ist. Dafür brauchen wir praktikable gesetzliche Regelungen, müssen rechtliche und praktische Hürden für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber abbauen und müssen für Sicherheit im Umgang mit mobilem Arbeiten sorgen.

Genauso wie wir die Rechte für die Arbeitgeberseite stärken müssen, müssen wir natürlich auch auf der Arbeitnehmerseite für klare Schutzmaßnahmen sorgen, damit Homeoffice nicht dazu führt, dass Arbeit grenzenlos wird. Es gilt auch hier: Home ist Home, und Office ist Office.

Wir haben es mit vielen Feldern der Digitalisierung zu tun, und in der Genderdimension steht noch sehr, sehr viel Arbeit an. Ich finde, dass der Antrag einige gute Impulse dafür gibt, wie wir daran weiterarbeiten könnten, und ich hoffe, wir gehen sie gemeinsam an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)