Matthi Bolte-Richter: „Es ist Aufgabe dieses Parlaments, dafür zu sorgen, dass auch im digitalen Zeitalter die Freiheit geschützt wird“

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich eine interessante Debatte, die wir im letzten Plenum schon begonnen haben.
Der Doxing-Angriff, der Anfang dieses Jahres publik geworden ist, war – darin waren wir uns in den letzten Wochen glücklicherweise immer einig – ein Angriff auf die Demokratie. Es ging den Tätern darum, Menschen einzuschüchtern, politisches Engagement zu diskreditieren und die Menschen, die Haltung zeigen, in ihrem Engagement zu beschränken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu der Verantwortung, die wir als Politik in solchen Fällen haben, gehört es auch, da nicht zum Tagesgeschäft überzugehen, sondern gemeinsam und konstruktiv Maßnahmen nach vorne zu entwickeln.
Wir haben Ihnen mit dem grünen Plan für mehr IT-Sicherheit sechs konkrete Punkte vorgelegt, die wir heute auch in diesem Antrag hier in den Landtag einbringen.
Gestatten Sie mir einige Vorbemerkungen aus der Debatte der letzten Wochen. Denn es wird immer wieder die Frage sogenannter Datensouveränität gegen Datenschutz, gegen Schutzrechte von Betroffenen, ausgespielt.
Wenn man sich den Begriff „Datensouveränität“ anschaut, stellt man fest, dass er etwas impliziert, was einfach nicht gegeben ist, was im digitalen Zeitalter nicht gegeben sein kann. Diejenigen, die ihn verwenden – sie kommen immer aus dem konservativen und dem liberalen Spektrum –, meinen mit Datensouveränität nämlich den Abbau von Schutzrechten. Denn wie soll ein einzelner Verbraucher wirklich souverän gegenüber einem Multi-Milliarden-Konzern auftreten? Der Begriff „Datensouveränität“ bedeutet nichts anderes als einen Abbau von Schutzrechten. Er bedeutet nicht weniger als weniger Datenschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Und das ist die direkte Übersetzung des alten Slogans, den zumindest eine regierungstragende Partei in Wahlkampfzeiten hatte, „Digital first, Bedenken second“.
Die Geltung von Grundrechten für alle Menschen einzufordern, ist doch keine Bedenkenträgerei. Gerade im digitalen Zeitalter stehen wir vor viel größeren, viel enormeren Herausforderungen. Das ist keine Bedenkenträgerei, sondern es ist die vornehmste Aufgabe dieses Parlaments, dafür zu sorgen, dass auch im digitalen Zeitalter die Freiheit geschützt wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber es passt in diese Geschichte, wie das Regierungshandeln in den letzten Monaten aussah. Mit dem Polizeigesetz haben Sie die IT-Sicherheit in unserem Land gezielt untergraben. Wenn der Staat zum Hacker werden soll, dann muss er die gleichen Schutzlücken ausnutzen, die auch Kriminelle ausnutzen. Deswegen fordern wir Sie heute erneut auf: Nehmen Sie diese Regelungen zurück.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, was sind nun unsere konkreten Vorschläge für mehr IT-Sicherheit?
Wir wollen als Erstes ein unabhängiges Beratungsnetzwerk schaffen. Wir haben viele gute Ideen. Da geht es um viele gute Angebote. Aber es reicht oftmals nicht aus, gute Angebote zu haben. Vielmehr müssen wir auch die Wege weisen, wie man zu der richtigen Stelle kommen kann, wenn man Beratungsbedarf und Unterstützungsbedarf hat. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben diesen Bedarf und wissen oft nicht, an wen sie sich wenden müssen. Genauso geht es darum, dass wir auch für Betroffene von Onlinebetrug und vergleichbaren Straftaten niedrigschwellige und einfach zugängliche Hilfen schaffen.
Ein zweiter Punkt in unserem Sechspunkteplan sind Hochschulausgründungen konkret im Sicherheitsbereich. Wir haben einen europaweit führenden Standort der Forschung zu IT-Sicherheitsfragen hier bei uns im Land. Wir wollen, dass wir das auch unternehmerisch übersetzen und die damit vorhandenen Innovationspotenziale wirtschaftlich heben können.
Wir wollen drittens Schutzlücken schließen, statt von ihren Offenheiten zu profitieren.
Das ist der Auftrag an die Landesregierung. Im Moment geht es auch für die Sicherheitsbehörden nicht, ohne dass Sicherheitslücken offen gehalten werden. Damit muss Schluss sein. Wenn ich etwas von den wirklich fortschrittlichen Staaten im Bereich der IT gelernt habe, dann, dass Innovationspotenziale nur da freigesetzt werden, wo es auch eine öffentliche IT gibt, die Top-Runner ist. Davon sollten wir uns eine Scheibe abschneiden. Da sollten wir digitale Innovationspotenziale freisetzen.
Wir wollen viertens die Rechte von Betroffenen gegenüber Plattformbetreibern stärken. Heute fühlen sich viele Menschen gegenüber großen Plattformbetreibern machtlos, wenn sie von Angriffen, von Profil-Hacks und von Ähnlichem betroffen sind. Da wollen wir durch Notfallkontakte und die Ermöglichung von Profilsperrungen in kürzerer Zeit die Betroffenenrechte stärken.
Wir wollen auf der europäischen Ebene Standards für IT-Sicherheit. Ein europaweit gültiges Gütesiegel ist da unser Instrument.
Wir wollen die Regeln zur Produkthaftung deutlich stärken.
Denn das haben wir im letzten Jahr gesehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn Europa sich einig ist und wenn Europa verbindliche Regeln schaffen will, dann hat Europa auch die Macht, sich gegenüber den Großen aus der IT-Wirtschaft durchzusetzen. Geben wir Europa endlich diese Macht. Setzen wir uns gemeinsam dafür ein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Punkte gefordert, bei denen wir uns sicherlich nicht einig sind. Mit unserem Plan haben wir, glaube ich, aber auch eine ganze Reihe von Anregungen und Ideen vorgebracht, mit denen wir hier gemeinsam ein Zeichen setzen könnten, um gemeinsam etwas nach vorne zu entwickeln. Denn die Freiheit muss im digitalen Zeitalter auch als digitale Freiheit geschützt werden. Sie muss erhalten und erkämpft werden. Ich hoffe, dabei viele von Ihnen an meiner Seite zu haben. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)