Matthi Bolte-Richter: „Es ist auch unser Müll, der tonnenweise in den Meeren landet“

Antrag der GRÜNEN im Landtag für ein Institut für Kunststoff-Kreislaufwirtschaft

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Ganz herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nachdem das eben mit dem Beifall aus den Reihen der Koalition so wunderbar geklappt hat, versuchen wir es jetzt bei diesem Thema einfach noch einmal.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die EU-Kommission hat 2018 ihre Kunststoffstrategie vorgestellt und dies mit dem Plastik in den Meeren begründet. Damals sagten einige Menschen in Deutschland, das alles habe doch mit uns nichts zu tun, weil wir doch so viel recyceln würden.
Aber wenn man sich die Zahlen anschaut, dann stellt man fest, dass die Recyclingquote von Kunststoffabfällen in Deutschland längst nicht so gut ist, wie es landläufig erscheint und behauptet wird. Es ist auch unser Müll, der tonnenweise in den Meeren landet.
Wir haben in unserem Antrag aufgezeigt, was das Umweltbundesamt hinsichtlich der Verwertung von Kunststoffabfällen insgesamt beziffert: Weniger als die Hälfte wird werkstofflich verwertet, mehr als die Hälfte wird verbrannt.
Das zeigt aber noch nicht die wahren Dimensionen auf. Denn hinter den nicht durch diese Zahlen erfassten Abfällen steht der tonnenweise Export von Müll. Die Verschiffung von Plastikmüll ist seit vielen Jahren Praxis, im Übrigen umstrittene Praxis. Sie wurde nicht durch die Einfuhrbeschränkungen Chinas abgestellt, sondern wir diskutieren seit Langem darüber, dass viel Müll aus Deutschland zum Beispiel in Malaysia landet.
Deutschland stand laut Greenpeace 2018 auf Platz vier der Länder, die die meisten Plastikabfälle nach Malaysia verschiffen. Sicherlich kennen alle die Bilder. Die Abfälle, die dorthin verschifft werden, landen oftmals auf illegalen oder improvisierten Mülldeponien, sie werden verbrannt oder gelangen ins Meer.
Das ist nicht allein eine Verschwendung von Ressourcen, sondern es ist vor allem die Zerstörung von Umwelt und Klima. Von diesem Zustand müssen wir wegkommen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die werkstoffliche Verwertung ist die umweltgünstigste Entsorgungsvariante, und sie bringt neue Rohstoffe. Beides ist enorm wichtig für ein industriell geprägtes Land wie Nordrhein-Westfalen. Als Kunststoffland Nummer eins stehen wir in der Verantwortung dafür, alles zu tun, um auch Kunststoffrecyclingland Nummer eins zu werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bis 2030 sollen alle Kunststoffverpackungen in der Europäischen Union recyclingfähig sein. Wenn wir uns nicht darum kümmern, besteht die Gefahr, dass NRW den Anschluss auf diesem Weg in die Kreislaufwirtschaft verliert, dass die Innovationen woanders gemacht werden und dass wir dafür mit verminderten Umsätzen und weniger Arbeitsplätzen zahlen müssen. Darin stecken jedoch enorme Chancen. Wenn wir uns darum kümmern, dann können mehr Umsätze und mehr Arbeitsplätze entstehen.
Die Produktion von Kunststoffrecyclaten muss ausgeweitet und dadurch günstiger gemacht werden. Kunststoffrecycling ist immer noch ein Nischengeschäft. Es muss ausgebaut werden, um unsere Ziele im Klima- und Umweltschutz zu erreichen.
Natürlich gibt es bereits in Nordrhein-Westfalen Forschung zu Recycling und Produktdesign an Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Aber dieser wichtige Zweig muss ausgebaut werden. Es gibt Forschungslücken, und es gibt auch Handlungsbedarf.
In Verpackungen und Bauteilen steckt das meiste Plastik. An diesen Bereich müssen wir ran. Zwei Drittel der Kunststoffrecyclate werden hier verwendet, aber es gibt nach wie vor deutlich zu wenig.
Etablierte Prozesse müssen anders gedacht werden; sie müssen modifiziert und neu gelebt werden. Hierzu sind große technische Herausforderungen zu meistern. Das haben uns Unternehmer und Forscher in der Anhörung zur EU-Kunststoffstrategie im Europaausschuss hier im Landtag deutlich gemacht.
Unsere Unternehmen brauchen praktische Lösungen für das Kunststoffrecycling. Diese praktischen Lösungen müssen irgendwo entwickelt werden. Dadurch schaffen wir es, die Forschung in Nordrhein-Westfalen zu stärken.
Wir brauchen ein Institut für Kunststoffrecycling, das sich mit Bauteilen und Verpackungen beschäftigt, das die Unternehmen voranbringt und mit den Entsorgern zusammenarbeitet, um gemeinsam Lösungen für die großen Herausforderungen zu finden und Chancen zu erschließen.
Es gibt dafür ein gutes Konzept. Wir als ostwestfälisch-lippische Abgeordnete haben dieses Vorhaben bereits kennengelernt. Vertreter der Uni Paderborn haben es uns vor einigen Monaten im Landtag vorgestellt. Bei der institutionellen Förderung dieses großartigen Projekts gibt es leider noch keine Fortschritte.
Wir haben ein großes Interesse, gemeinsam daran zu arbeiten, weil es eine große Chance für Umwelt und Klimaschutz, aber auch für den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen ist.
Deshalb darf ich Sie bitten: Lesen Sie unseren Antrag wohlwollend. Ich hoffe, dass wir in der Debatte im Ausschuss einen Konsens erzielen und wir uns am Ende der Debatte noch einmal gegenseitig und über die Fraktionsgrenzen hinweg Beifall spenden können. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)