Matthi Bolte-Richter: „Es gibt keine gesellschaftliche Mehrheit für diese Ausländermaut auf dem Campus“

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Gebührenfreiheit an Hochschulen

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Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Körner, so ganz hat das mit der prophetischen Gabe nicht geklappt. Ich habe mir nämlich noch einmal angeschaut, wie eigentlich die Debatte war, als wir hier im Juli zum ersten Mal über den Gesetzentwurf debattiert haben.

Ich muss sagen, ich bin doch ein Stück weit überrascht und durchaus positiv überrascht, wie kleinlaut jetzt am Ende der Beratungen CDU und FDP bei diesem Thema sind. Sie haben das Thema „Ausländerstudiengebühren“ in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben, und nun will es keiner mehr gewesen sein.

Ich nehme genauso positiv zur Kenntnis, wie weit sich die Landesregierung mittlerweile von dieser bürokratischen Schnapsidee abgesetzt hat. Sie wollen – das hat sich in den Wortbeiträgen hier und im Ausschuss deutlich gezeigt – lieber gar nicht mehr über die Studiengebühren reden.

Dabei war in der angesprochenen Debatte im Juli noch alles klar. Sie als Redner aus den regierungstragenden Fraktionen wussten, wer zahlen soll, wie viel er zahlen soll, welche Ausnahmen es bei dieser Ausländermaut geben soll. Der Kollege Körner wusste alle Details ganz genau.

Wir haben in den letzten Monaten nachgebohrt, nachgefragt, nicht nur in der Sachverständigenanhörung. Und heute ist die Lage anders. Es gibt keine Zahlen, es gibt keinen genauen Plan und zumindest bei der Ministerin gibt es auch keine Lust mehr, diesen faulen Kompromiss der Koalition durchzusetzen.

Sie wollen abwarten, Sie wollen mal schauen. Sie wollten im Ausschuss nicht einmal mehr einen Zeitplan nennen, wann die Ausländerstudiengebühren denn nun kommen sollen. Ich finde, das ist eine sehr gute Entwicklung, und ich hoffe sehr und wünsche mir sehr, dass Sie diese Entwicklung des immer weiter Vertagens, des sich an dieser Stelle immer weiter von Ihrem Koalitionsvertrag Absetzens bis 2022 so fortsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn das, was sich im Juli schon abzeichnete, ist in der letzten Zeit noch einmal deutlicher geworden. Es gibt und Sie haben keine gesellschaftliche Mehrheit für diese Ausländermaut auf dem Campus. Die Studierendenvertreter sind dagegen, die Senate wichtiger und renommierter Universitäten sind dagegen, die Landesrektorenkonferenzen sind dagegen.

Wann ziehen Sie, meine Damen und Herren, daraus endlich die Konsequenzen? Wann beerdigen Sie endlich die Studiengebühren? Wann gehen Sie hin und überzeugen Ihren Finanz-minister, dass von seinen Überschüssen auch einmal etwas im Wissenschaftsetat ankommen muss? Oder ist Ihnen Wissenschaftspolitik etwa nicht wichtig genug?

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Das hätten Sie auch einmal machen können!)

Meine Damen und Herren, das Vorhaben der Einführung von Studiengebühren zeigt auch: Studierende haben bei dieser Landesregierung keine Lobby. 241 Tage lang musste das Landes-ASten-Treffen auf einen Gesprächstermin bei der Ministerin warten. Ist das die Offenheit, Frau Ministerin, ist das die partnerschaftliche Zusammenarbeit, mit der Sie Ihr Amt gestalten wollten? Oder gilt diese partnerschaftliche Zusammenarbeit exklusiv für Hochschulleitungen, aber nicht für Studierende?

Dass Studierende zwar die größte Statusgruppe an den Hochschulen sein mögen, aber für Schwarz-Gelb nicht zählen, das zeigen auch die Eckpunkte für ein neues Hochschulgesetz. Dieses Hochschulgesetz soll die ideologiegetriebene Retropolitik zurück an die Hochschulen bringen. Dieses Gesetz bringt Studierenden nur Misstrauen entgegen, wenn Sie das umsetzen, was Sie angekündigt haben.

Wir Grüne vertrauen darauf, dass Studierende selbst entscheiden können, dass sie Freiheit haben sollen, wie sie zu ihrem akademischen Ziel kommen. Dagegen setzen Sie auf Anwesenheitszwang. Wir setzen auf Freiheit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie setzen auf Misstrauen, meine Damen und Herren. Sie bauen studentische Mitbestimmung ab. Sie wollen die Demokratie an den Hochschulen reduzieren. Ihr Gesetz schafft mehr Rechte für Rektorate, bevorzugt Hochschulleitungen und ermöglicht fragwürdige Militärforschung aus öffentlichen Mitteln. Das, was Sie da vorhaben, wird kein Hochschulfreiheitsgesetz, das wird ein Studierendengängelungsgesetz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie wollen es sogar ermöglichen, verbindlich den Studienverlauf zu regeln. Dazu sage ich Ihnen ganz deutlich: Da komme uns noch einmal jemand von Ihnen mit dem Thema Bürokratieabbau! Die großen Bürokraten dieses Landes sitzen in der Wissenschaftspolitik bei der CDU, bei der FDP und auf der Regierungsbank, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es war ja irgendwie klar, Sie wollten sich immer damit herausreden und es fiel jetzt auch wieder das Stichwort Baden-Württemberg.

Möglicherweise ist Ihnen aufgefallen, dass wir uns hier in Nordrhein-Westfalen befinden. Darum sage ich noch einmal für alle vernehmlich: Wir als nordrhein-westfälische Grüne hatten immer eine klare Haltung. Wir haben – das im Übrigen in fiskalisch viel schwierigeren Zeiten, als wir sie jetzt haben – die Studiengebühren abgeschafft, weil wir überzeugt davon sind, dass das richtig ist, weil wir überzeugt davon sind, dass es keine Studiengebühren geben darf – nicht vor dem Studium, nicht während des Studiums und nicht nach dem Studium.

(Michael Hübner [SPD]: So ist es!)

Fun fact, liebe Kollegen von der CDU: Das war auch einmal Ihre Haltung. Das war auch ein-mal Ihre Haltung!

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind umgekippt. Sie haben sich von der FDP in die Wählertäuschung treiben lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren, Ihre Studiengebührenpläne sind unausgegoren, sie sind unsozial, sie sind diskriminierend und sie schaden den Bemühungen zur Internationalisierung des Hochschulstandorts NRW, kurz: Sie sind schlecht für Nordrhein-Westfalen. Lassen Sie die Finger davon!

Ganz nach der Devise eines ehemaligen FDP-Fraktionsvorsitzenden, der jetzt nicht mehr unter uns im Landtag ist, meine Aufforderung an Sie: Lindnern Sie jetzt! Lieber keine Studiengebühren als falsche Studiengebühren!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Bolte, der Kollege Körner möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Ich frage Sie, ob Sie diese zulassen möchten.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Ja, natürlich, auch wenn es eine Zwischenfrage auf dem Rückweg war.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön.

Moritz Körner (FDP): Ich hatte schon länger gedrückt, Herr Kollege. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie überhaupt nicht zum Gesetz-entwurf der SPD in der Sache geredet haben und dass das eigentlich belegt, dass der Gesetzentwurf in seiner Ausgestaltung handwerklich ziemlich dürftig ist?

(Michael Hübner [SPD]: Das ist doch kein komplizierter Gesetzentwurf!)

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, lieber Kollege Körner, für diese wunderbare Frage. – Erstens würde ich sagen, ein Gesetzentwurf, der mit einer sehr, sehr klaren Regelung kommt, hat mich intellektuell nicht überfordert, wenn das Ihre Sorge war.

Zweitens. Wenn es darum geht, Studiengebühren auszuschließen, und Sie kommen damit, dass Sie Studiengebühren einführen wollen, und ich rede darüber, warum es falsch ist, Studiengebühren einzuführen, dann habe ich mich sehr wohl an dem Gesetzentwurf abgearbeitet.

Die Performance, die Sie hier abgeliefert haben, lieber Kollege Körner, dass Sie hingehen und sagen: Was wäre das denn, wenn das eine Klausur wäre, was wäre das denn, wenn das eine Hausarbeit wäre?, diesen Stil des Kopfnotenverteilens finde ich nicht gut. Den empfinde ich als dieser Debatte nicht angemessen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Reden Sie inhaltlich darüber. Sie haben klar gesagt, dass Sie von der FDP Studiengebühren wollen. Die CDU hat immer gesagt oder jedenfalls immer behauptet, dass sie keine Studiengebühren will. Jetzt gibt es Studiengebühren, und daran arbeiten wir uns ab. Da werden Sie in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren, wann immer Sie damit wieder um die Ecke kommen, einen klaren politischen Widerstand aus unserer Fraktion erfahren.