Matthi Bolte-Richter: „Es geht nicht allein darum, das Recht auf mobiles Arbeiten zu schaffen, sondern auch darum, den Schutz der mobil Arbeitenden hochzuhalten“

Antrag der SPD-Fraktion zu Mobiler Arbeit

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die digitale Arbeitswelt und die digitale Transformation bieten unglaublich große Potenziale. Das hat uns in der Enquetekommission I, die vor etwa vier Wochen ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, immer geleitet.
Wir waren uns immer einig darin, dass die digitale Transformation, wenn sie richtig eingesetzt und richtig gestaltet wird, dazu beiträgt, Barrieren abzubauen, Integration und Inklusion umzusetzen.
Natürlich kann auch die digitale, mobile und flexible Arbeit Vorteile haben, nicht zuletzt – das sei mir als Bemerkung gestattet – einen ökologischen. Regelmäßiges Homeoffice spart laut einer aktuellen Greenpeace-Studie 5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Das ist ein Vorteil, der über die Vorteile hinausgeht, die im Antrag genannt werden: größere Chancen für die Vereinbarkeit, bei vielen Arbeitnehmer*innen auch eine Stärkung der Motivation.
Wenn man diese Vorteile heben will, geht es natürlich auch darum, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Es geht nicht allein darum, das Recht auf mobiles Arbeiten zu schaffen, sondern auch darum, den Schutz der mobil Arbeitenden hochzuhalten, Stichwort „Home ist Home, und Office ist Office“.
Das Risiko der Entgrenzung ist immer da. Wir brauchen also einen soliden Schutzrahmen und gute Rahmenbedingungen. Ein Stichwort ist eben angesprochen worden: Die Kinderbetreuung treibt uns beim Homeoffice immer um.
Marco Schmitz und ich waren eben, glaube ich, beide ein bisschen angefressen,
(Marco Schmitz [CDU]: Zu Recht!)
weil wir aus der eigenen Betroffenheit zugehört haben. Wir kennen aber beide die Studienlage, die für die breite Bevölkerung nach wie vor keine gleichberechtigte Verteilung der Care-Arbeit zeigt, sondern dass es im Gegenteil nach wie vor die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern gibt.
Für die Coronakrise und die Zeit des Shutdowns im Frühjahr gibt es mittlerweile allerdings hochinteressante Zahlen, nämlich dass Väter auch einen relevanten Teil der zusätzlichen Care-Arbeit übernommen haben, wobei das Gap zwischen den Geschlechtern gleich geblieben ist. So weit die kleine Randbemerkung in einer hochspannenden Diskussion. Wie gesagt hat bei uns beiden die eigene Betroffenheit mit hineingespielt.
Zurück zum Thema: Wir brauchen natürlich gute Rahmenbedingungen. Wir brauchen auch die Akzeptanz im Betrieb, wenn es im Bereich „Kinderbetreuung und Homeoffice“ zu Vereinbarungskonflikten kommt. Es ist nicht zuletzt wichtig für die Betriebskultur, dass Homeoffice alternierend und freiwillig eingesetzt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in der Enquetekommission I lange mit diesem Thema beschäftigt. Wir haben uns interfraktionell nicht auf ein vollständiges Recht auf Homeoffice verständigen können, aber immerhin auf eine Stärkung. In dem Bereich haben wir eine ganze Menge an wissenschaftlicher Expertise gesammelt.
Der Antrag der SPD-Fraktion fokussiert jetzt vor allem auf die Bundesgesetzgebung. Ich kann Ihnen mitteilen, dass natürlich auch die grüne Bundestagsfraktion an diesem Thema dran ist. Wir haben bereits im September 2019 einen Antrag und ein entsprechendes Konzept vorgelegt, dass wir ein Gesetz und ein Recht auf Homeoffice brauchen.
Ob man jetzt noch eine Studie für Nordrhein-Westfalen braucht – gerade vor dem Hintergrund der Erkenntnisse, die wir im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission produziert haben – und warum es diesen Antrag einen Monat nach Vorlage unseres Abschlussberichts braucht, weiß ich nicht so recht. Wir sind hier immer noch der Landtag von Nordrhein-Westfalen, und nicht das Therapiesofa der Bundesregierung.
(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Nichtsdestotrotz stehen wir dem Inhalt des Antrags nahe. Ich glaube, das sind Punkte, über die man auch einmal reden muss, genauso wie über die Frage, wie ernst wir eigentlich die Arbeit von Enquetekommissionen in diesem Haus nehmen. Das ist inhaltlich natürlich kein Grund, gegen diesen Antrag zu stimmen.
Es ist schon ein starkes Stück, dass der Gesetzentwurf auf der Bundesebene in der Luft hängt. Der in Rede stehende Gesetzentwurf ist in seinem Kern richtig. Er sieht die Schaffung eines Rechts auf Homeoffice und die Stärkung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten bei der Ausgestaltung dieser Rechte vor. Insofern kann ich mich dem Appell des Antrags natürlich nur anschließen.
Lassen Sie uns gerne dafür sorgen, dass die Koalition in Berlin an dieser Stelle endlich einmal etwas richtig macht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Heike Gebhard [SPD] – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das war aber schon eine sehr schöne Rede!)