Matthi Bolte-Richter: „Entweder wir gestalten die Digitalisierung oder wir werden von ihr gestaltet“

Antrag der "AfD"-Fraktion zur Digitalisierung

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Herr Kollege Hafke, ich habe bei Ihrer Rede den Eindruck gewonnen, dass Wuppertal in einem der großen Funklöcher liegt.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Denn sonst hätten Sie zum einen beim Thema „digitale Bildung“ mit mehr Fakten aufwarten können und zum anderen Herrn Professor Pinkwart nicht als den einzigen Digitalminister in Deutschland bezeichnet.
Herr Pinkwart, Sie sind Digitalminister; das ist richtig. Aber Sie haben eine ganze Reihe Amtskolleginnen und Amtskollegen. Ich erinnere zum Beispiel an Jan Philipp Albrecht in Schleswig-Holstein, Minister unter anderem für Digitalisierung in seiner Landesregierung und einer der Initiatoren – ich glaube, mit Ihnen zusammen, Herr Pinkwart – der Digitalministerkonferenz. Es gibt Digitalministerinnen in Hessen, in Bayern und in anderen Ländern.
Sie sollten sich einfach einmal informieren, bevor Sie wieder einen Superlativ aus der Tasche ziehen, der mit nichts unterlegt ist.
Sie haben hier über Ressortzuständigkeiten geredet. Gucken wir uns doch einmal an, was dieses Digitalministerium – außer dem Türschild – in der Praxis tut. Wir haben es ja in der letzten Sitzung des Digitalausschusses gehört. Das Ministerium von Herrn Pinkwart ist für Infrastrukturausbau und digitale Verwaltung zuständig. Und wie geht es weiter? Es gibt eine Digitalstrategie, die auch noch vom MWIDE verantwortet wird. Aber am Ende des Tages sind in den Mühen der Ebene nicht die digitalen Treiber zuständig, sondern das Thema wird irgendwo in der Ressortzuständigkeit der einzelnen Häuser ein bisschen abgetan, sodass der Digitalminister nicht einmal zum Fortschritt bei den einzelnen Themen der Digitalstrategie berichten kann. – So weit zum Digitalministerium in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Insgesamt – das haben wir in den Haushaltsdebatten in diesen Tagen immer wieder gehört – ist die Digitalisierung kein Ruhmesblatt dieser Landesregierung. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund dessen, was alles angekündigt worden ist. Was ist vor der Wahl angekündigt worden? Was ist in den ersten zweieinhalb Jahren bei irgendwelchen Gipfeln, bei irgendwelchen Pakten, bei irgendwelchen Masterplänen angekündigt worden? Und was kommt dann?
Wir reden hier immer wieder über den Infrastrukturausbau, auch gerade in dieser Debatte. Was ist aus „Glasfaser first“ geworden? Aus „Glasfaser first“ ist „glasfaserbasiert“, „gigabitfähig“ oder sonst irgendeine Variante von „alles kann, nichts muss“ geworden. Statt dieses ewigen Verzögerns von zukunftsfähiger Infrastruktur brauchen wir „Glasfaser only“, und zwar flächendeckend und schnell. Dafür brauchen wir einen klaren Plan. Denn heute haben wir ein buntes Durcheinander von zahllosen Akteuren, die sich alle irgendwo durch die nordrhein-westfälische Erde buddeln – wenn sie überhaupt einmal an die Fördermittel herankommen.
Denn das ist das zweite Problem. Im Moment sehen wir, dass die Kommunen in diesem Prozess nicht als eigenständige Akteure wahrgenommen werden und dass sie nicht dabei unterstützt werden, die Prozesse zu vereinfachen, weil es nach wie vor nicht möglich ist, die Bürokratie an dieser Stelle nennenswert zu vereinfachen. Wir haben immer noch Hunderte Seiten Förderrichtlinien und Hunderte Seiten Leitfäden. Wenn man das durchgearbeitet hat, bekommt man am Ende noch eine Handlungsanleitung dazu.
Wen wundert es bei diesem Wirrwarr, dass von den 878 Millionen Euro, die für den Ausbau der digitalen Infrastruktur bewilligt sind, bisher erst 29 Millionen Euro verbaut sind? Wen wundert es, dass wir da nicht vorankommen?
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Dann feiert sich diese Landesregierung dafür, dass sie einen Mobilfunkpakt geschlossen hat – schon wieder eine schöne Ankündigung; schon wieder eine schöne Überschrift; schon wieder ein wunderbarer Pressetermin, den man einfach im Jahr danach wiederholt hat. Eine konkrete Verpflichtung in diesem Mobilfunkpakt ist, dass alle Funklöcher an den Hauptverkehrswegen bis Ende dieses Jahres geschlossen werden sollen. Herr Minister, fahren Sie einmal mit Ihrem Auto auf der A46 oder setzen sich in einen ICE und fahren durchs Ruhrgebiet auf der Strecke nach Berlin, vielleicht sogar über Hamm hinaus. Dann werden Sie sehen, dass Sie der Funklochminister sind.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt bei der digitalen Bildung. Ich mache Ihnen, Herr Pinkwart, keinen Vorwurf, dass es beim DigitalPakt so lange gedauert hat, bis sich die Ministerpräsidenten auf ihrem Pavianhügel geeinigt hatten. Aber es ist durchaus so, dass diese Landesregierung bei der digitalen Bildung nicht vorankommt. Auch da gab es wieder schöne Überschriften und schöne forsche Forderungen, auch von Ihnen. Bei der dbb-Jahrestagung im Mai dieses Jahres haben Sie die Ausstattung mit digitalen Endgeräten groß angekündigt. Und was passiert? Bisher passiert nichts.
Auch die Einführung des Pflichtfachs Informatik ist groß angekündigt worden. Es ist konzeptionell nicht unterlegt. Wieder eine Überschrift!
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Es gibt zu wenig Zusammenarbeit – wir haben es gerade gehört – mit den Hochschulen. Es ist nicht besprochen, wie das in der Lehramtsausbildung umgesetzt werden soll. Es gibt auch keinen konzeptionellen Rahmen, wie man kompetenzorientiertes Denken und kritische Reflexionen über die Macht von KI, von Algorithmen, bei diesem Thema voranbringt. Es bleiben die Überschriften.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Meine Damen und Herren, im Ziel sind wir uns einig: Kein Kind soll mehr ohne informatische Grundkenntnisse die Schule verlassen. Dieses Thema stellt sich – das gerät in dieser Debatte oft aus dem Blick – für die Hochschulen genauso. Auch dort passiert viel zu wenig. Wir müssen da sehr zügig vorankommen. Denn wir haben nicht nur zu wenig Geld, sondern auch zu wenig Druck im System, weil es zu wenige Lehrer und zu wenige Lehrende gibt.
Da müssen wir uns miteinander ganz schnell auf die Reise machen. Hierbei müssen wir nicht nur die Grundlagen in den Blick nehmen, sondern dürfen auch die Spitze nicht aus dem Blick verlieren, nämlich Studienplätze für IT, insbesondere für IT-Sicherheit, gegebenenfalls mit einer weiteren Spezialisierung. Das sind alles Themen, die wir voranbringen müssen, wenn wir digitale Bildung tatsächlich zusammendenken wollen.
Ich bin der SPD dankbar dafür, dass sie einen, wie ich finde, sehr relevanten Gedanken in diese Debatte hineingebracht hat, indem sie die Chancen der Digitalisierung für die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume thematisiert hat. Ich habe dazu vor Kurzem selber ein Papier geschrieben, weil auch uns dieses Thema sehr stark umtreibt. Denn die Digitalisierung ist für die Regionen in unserem Land eine entscheidende Zukunftsfrage. Wie schaffen wir es, dass diese Regionen innovativ bleiben, dass diese Regionen wirtschaftlich stark bleiben und dass der Mittelstand, der bisher das Rückgrat dieser Regionen ist, den Weg in die digitale Gegenwart und in die digitale Zukunft schafft?
Da müssen wir gemeinsam ran. Wir dürfen nicht nur über die Infrastruktur reden, sondern wir müssen auch konzeptionell miteinander sprechen und dieses Thema in den Blick nehmen, statt immer nur vom „Rheinland Valley“ zu reden.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen: Entweder wir gestalten die Digitalisierung oder wir werden von ihr gestaltet. Insofern geht es bei diesem Thema natürlich darum, dass das, was digitalisiert werden kann, auch digitalisiert werden muss. So steht es ja in Ihrem Antrag. In jedem Fall wird es digitalisiert werden – ich denke, da sind wir uns tatsächlich einig.
Es ist eine politische Gestaltungsaufgabe, dass wir diese Digitalisierung für den Menschen und für den Planeten nutzen und dass wir heute mutige politische Entscheidungen treffen, nachdem wir das so lange nicht getan haben. – Ich danke Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)