Matthi Bolte-Richter: „Eine der wirtschaftlich stärksten Nationen dieser Erde wird mehr und mehr digital abgehängt“

Antrag der GRÜNEN im Landtag

 Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich denke, wir kennen das alle: Man fährt Zug, und wenn man das Pech hat, durch einen so dünn besiedelten Raum wie den Düsseldorfer Norden zu fahren, dann befindet man sich schnell in einem Funkloch.
Oder man sitzt im ICE, und das WLAN funktioniert mal wieder nicht, dabei würde man doch gerne die E-Mail zum anstehenden Termin lesen, bevor man in den Termin geht – aber dann klappt auch das nicht. Autofahrerinnen und Autofahrer kennen solche Situationen vermutlich auch, zum Beispiel durch die Einöde auf der A2 oder auf der A3 Richtung Bonn.
Wir müssen also nicht nach Höxter-Albaxen oder Höxter-Amelunxen fahren,
(Monika Düker [GRÜNE]: Genau! – Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])
um Funklöcher zu finden. Das ist jenseits aller Anekdoten nicht nur ein persönliches Ärgernis, sondern ein durchaus ernstes Thema. Eine der wirtschaftlich stärksten Nationen dieser Erde wird mehr und mehr digital abgehängt. Die Leistungsbilanz beim Netzausbau ist über die letzten Jahre hinweg dürftig gewesen. Funklöcher und digitale Buckelpisten prägen das Bild, und diese Misere ist politisch verursacht.
Dies droht sich nun bei der Auktion der 5G-Lizenzen fortzusetzen. Wenn es darum geht, Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G zu versteigern, machen Landes- und Bundesregierung falsch, was man falsch machen kann.
Wir Grüne wollen für alle Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen eine Versorgung mit dem neuen, leistungsstarken Mobilfunkstandard 5G erreichen. Immer mehr internetfähige Geräte, immer größere Datenmengen und der Bedarf an höheren Übertragungsgeschwindigkeiten machen 5G dringend erforderlich. Auch der Wandel zur Industrie 4.0 und der Wandel zum Internet of Everything werden sich ohne diesen neuen Standard nicht realisieren lassen.
Die Zukunft lässt nicht auf sich warten, und auch in der Gegenwart muss man sich um- schauen: Es gibt nach wie vor erhebliche Probleme. Es geht nicht nur um einen neuen Stan- dard, sondern es geht auch um den aktuellen Standard: Je nach Anbieter hat man auf 30 % bis 60 % der Fläche in Deutschland keinen Zugang zum schnellen Funkstandard LTE.
Sicherlich kennen wir alle derartige Beobachtungen. Die Statistiken zeigen, dass sich die Geschwindigkeiten in Deutschland in den letzten Jahren eher noch verringert haben. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass die Performance nicht gut ist.
Werfen wir einen Blick darauf, welche Problemlagen es aktuell bei der 5G-Versteigerung gibt. Die Vergaberichtlinien wurden vor einigen Wochen im Entwurf für den Beirat der Bundesnetz- agentur vorgestellt. Es zeigt sich, dass die Fehler der Vergangenheit offensichtlich wiederholt werden sollen. Es soll schlicht und ergreifend ein möglichst hoher Geldbetrag für den Bun- deshaushalt erlöst werden, der am Ende an Investitionsmitteln fehlen wird. Die Ausbauvorga- ben sind absolut unverbindlich, und zudem beziehen sie sich ausschließlich auf Haushalte und nicht auf Flächen. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir ändern wollen; denn ansonsten wird der ländliche Raum abgehängt.
(Monika Düker [GRÜNE]: Genau!)
Es handelt sich hier nicht um einen Antrag, bei welchem der Landtag einfach mal seine Mei- nung zu einem bundespolitischen Thema kundtun soll. Im angesprochenen Beirat der Bun- desnetzagentur ist die Landesregierung durch Herrn Staatssekretär Dammermann und Herrn Liminski vertreten; die Landesregierung könnte an dieser Stelle also eingreifen. Sie könnte etwas gestalten, aber sie will nicht.
Im Gegenteil: Mit Ihrem sogenannten Mobilfunkpakt aus dem Juni dieses Jahres wollen Sie den Anbietern bei der anstehenden Frequenzauktion möglichst geringe Ausbauverpflichtun- gen, möglichst geringe Auflagen verschaffen – und das Ganze für ein Linsengericht, nämlich für gar kein Entgegenkommen der Unternehmen. Das entspricht der Leitlinie „Alles kann, nichts muss“, und das ist keine gute Leitlinie für Politik.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir brauchen aber nicht nur kurzfristig Nothilfe durch einen Stopp der geplanten Auktion und eine grundsätzliche Neuausrichtung beim 5G-Standard, sondern wir brauchen viel grundsätz- lichere Änderungen und Reformen.
Es wäre für die Anbieter und die Endkunden deutlich günstiger, wenn man ein gemeinsames Netz ausbauen würde, anstatt für etwa 200 Milliarden Euro vier parallele Netze aufzubauen. Das würde Mittel bei den Anbietern freisetzen, und diese könnten in zusätzliche Investitionen fließen. Sie könnten aber auch in niedrigere Preise für die Endkundinnen und Endkunden fließen. So kämen wir zu einer höheren Ausbaudynamik und besseren Bedingungen. Dieses Potenzial sollten wir heben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam diese völlig vergurkte Frequenzauktion stoppen. Dann sind Sie nicht nur an unserer Seite, sondern dann sind Sie auch an der Seite der Wirtschaft, der Verbraucherverbände und des Landkreistags. Dann haben wir die Chance, dass es in Nordrhein-Westfalen wirklich digitaler wird. Herzlichen Dank.