Matthi Bolte-Richter: „Dieses Marktdesign dient allein den Interessen der Telekommunikationskonzerne“

Eilantrag der "AfD"-Fraktion zum Mobilfunkausbau

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Matheisen sagte eben: Und täglich grüßt das Murmeltier. – Ganz so ist es nicht. Aber dass das Thema „5G“ weiterhin auf der Tagesordnung steht, hat damit zu tun, dass zu wenig passiert und dass das, was passiert, in die falsche Richtung geht. Deswegen beschäftigen wir uns seit vielen Monaten mit diesem Thema.
Ich sage aber gerne direkt in Richtung des Abgeordneten Tritschler: Der AfD-Antrag geht für uns nicht in die richtige Richtung, weil bei den beiden Bundesratsinitiativen, die Sie zitieren, aus unserer Sicht das nationale Roaming oder zumindest eine Regelung zum regionalen Roaming fehlt. Es fehlen auch Pläne für ein zukunftsfähiges Marktdesign.
Da hilft auch eine Gesamtstrategie, wie sie bei Mecklenburg-Vorpommern dabei war, nicht weiter, wenn man am Ende eine Gesamtstrategie ohne zukunftsfähigen Rahmen hat, die im Grunde genommen nur darauf zielt, den Anbietern möglichst viel Geld hinterherzuwerfen. Wir brauchen große Lösungen. Wir brauchen grundsätzliche Reformen, und nicht die Einzelmaßnahmen, wie sie in den Bundesratsinitiativen der beiden Länder genannt sind.
Wir können uns hier in Nordrhein-Westfalen kaum retten vor Gipfeln, Pakten und Masterplänen, die Minister Pinkwart gefühlt im Wochentakt der Presse bzw. der Öffentlichkeit verkauft. Da kommen dann immer schöne Worte und schöne Ziele. Man fragt sich dann: Was passiert da eigentlich? Passiert da auch was Richtiges? – Wenn man sich anschaut, was die Landesregierung mit Blick auf die Vergabebedingungen bei 5G gemacht hat, dann muss man sagen: Es passiert, wenn überhaupt mal etwas passiert, nicht das Richtige. Das haben wir in den letzten Monaten mit unseren Initiativen hier immer wieder kritisiert.
Letzte Woche hatten wir das zweifelhafte Vergnügen, eine Zwischenbilanz zum Mobilfunkpakt und zum Masterplan Gigabit zu hören. Die Überschriften werden immer abgehobener. Wir haben bei diesem Bericht gesehen, dass es letzten Endes doch wieder nur um die alte neoliberale Ideologie geht: Die Anbieter, der Markt – alle werden es irgendwie schon richten.
Ein einzig vom Markt getriebener Ausbau wird aber – das ist etwas, das wir seit Langem kritisieren – nicht dazu führen, dass wir ein schnelles Internet flächendeckend für alle bekommen werden. Dieses Marktdesign dient allein den Interessen der Telekommunikationskonzerne. Ob es nun beim leitungsgebundenen Ausbau ist, beim Glasfaserausbau, beim 5G-Ausbau, beim LTE-Ausbau – überall werden die Kunden außerhalb der Ballungszentren abgehängt.
Auch die Anbindung der Gewerbegebiete kommt, wie die aktuellen Zahlen zeigen, nur schleppend voran. Sie wollen bis 2022 alle Gewerbegebiete mit Glasfaser versorgen. Aktuell haben wir 9 %, bis Ende 2020 sollen es 37 % sein. Das klingt alles ganz toll. Aber erstens ist das nicht wirklich Ihr Verdienst. Die Netzbetreiber haben nämlich schon 2017 angekündigt, dass sie genau diese Ausbaupläne haben.
Zweitens kommt das dicke Ende erst viel, viel später, wenn nämlich die Wirtschaftlichkeitslücken geschlossen werden müssen. Wir wissen alle, dass die wirklich hohen Kosten erst bei den letzten 5 % oder 10 % kommen und dass es dann wirklich Unterstützung braucht. Bisher agieren Sie rein nach dem Motto: Der Markt wird es schon richten, und wir werden mal abwarten. Wir, lieber Herr Minister Pinkwart, werden Sie an Ihren Ankündigungen messen und das ganz genau nachhalten.
Genauso verhält es sich auch bei Ihren Wunderzahlen zum LTE-Ausbau. Wenn ich mir den Mobilfunkpakt anschaue, dann gehe ich, ehrlich gesagt, inzwischen davon aus, dass die Telekommunikationskonzerne Sie da ziemlich hinter die Fichte geführt haben. Sonst wäre die- ses Ausbauziel von 99 % der Haushalte nicht so wundersam schnell erreicht worden. Weniger als ein halbes Jahr ist seitdem ins Land gegangen. Dafür gab es aber von der Landesregie- rung für die Ausbaupläne, die die Anbieter ohnehin schon hatten, noch weitreichende Zugeständnisse bei der Marktordnung, die für die kommenden Jahrzehnte alles prägen wird. „Linsengericht“ ist für diesen Deal noch eine sehr freundliche Bezeichnung.
Wir Grüne wollen zukunftsfeste Infrastruktur mit flächendeckender Glasfaser für alle Regionen. Das ist übrigens ein Unterschied zu dem schwarz-gelben Etikettenschwindel und auch der entscheidende Unterschied zur hessischen Strategie. Bei Ihnen steht überall „gigabitfähige Netze“. Das kann alles sein, muss aber nicht Glasfaser bedeuten.
Die Infrastruktur, die wir es zu schaffen gilt, muss langfristig digitale Teilhabe vollumfänglich gewährleisten. Das heißt, sie muss deutlich höhere Datenübertragungsraten ermöglichen, als sie heute möglich sind. Aber das erreichen wir nicht mit bloßen Versprechungen der Anbieter. Das erreichen wir auch nicht, indem wir ihnen eine möglichst lange Leine lassen, sondern das erreichen wir nur mit einem kooperativen Ausbau, mit einem vernünftigen Marktdesign und mit klaren Vorgaben. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)