Matthi Bolte-Richter: „Dieser Antrag nicht nur technisch betrachtet falsch, sondern er ist auch rechtlicher Unsinn“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zum Internet

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Vor dem Hintergrund der Debatte über den unzureichenden Umgang von Telegram mit rechtsextremen und menschenverachtenden Inhalten fordert die AfD im vorliegenden Antrag die Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Diesen Weg unterstützen wir ausdrücklich nicht. Wir haben das Gesetz in seiner ursprünglichen Fassung, als es vor einigen Jahren gemacht wurde, durchaus an einer ganzen Reihe von Stellen kritisiert, aber wir haben nie Zweifel daran gelassen, dass wir sein Ziel unterstützen, nämlich dass Hass, Hetze im Netz keinen Platz haben dürfen, dass es einen klaren rechtlichen Rahmen braucht, der dem entgegengesetzt wird.

Telegram ist jetzt einerseits ein Messengerdienst, der von vielen Menschen benutzt wird, aber er dient eben auch als Plattform, und es ist ein rechtlich erheblicher Unterschied, ob ich einen Messengerdienst habe oder eine Plattform, in diesem Fall als Plattform auch zur Verbreitung rechtswidriger Inhalte. Weil das so ist, haben wir in Deutschland eine Plattformregulierung, die auch für alle Plattformen zu gelten hat, in dem Rahmen, wie sie vorliegt.

Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes vorgesehen, insbesondere auch die Klarstellung zum Anwendungsbereich. Für uns ist klar, dass das Gesetz auch für Telegram – aufgrund einerseits der technischen Ausgestaltung, aber eben andererseits auch seines Plattformcharakters, was öffentliche Kanäle angeht – greifen muss.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Wir brauchen insgesamt eine stärkere Verantwortlichkeit der Plattformbetreiber – auch da erzähle ich gerade nichts Neues –, denn sie haben sich viel zu lange hinter einem Plattformbegriff versteckt, der von einer vermeintlichen Neutralität ausgeht. Plattformen und Messengerdienste sind aber nicht neutral, sondern sie sind mächtige Instrumente in der politischen Auseinandersetzung, und dafür braucht es eben wie bei allen Medien – übrigens auch bei allen Wegen, wo Öffentlichkeit adressiert wird – eine angemessene Regulierung. Das kennen wir aus allen anderen Zusammenhängen, und deswegen gilt es natürlich auch für digitale Plattformen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Zukunft der Demokratie wird nicht zuletzt auch im digitalen Raum entschieden, und deshalb dürfen wir es uns eben nicht leisten, regulatorisch einfach die Augen zuzumachen. Wir müssen dafür sorgen, dass es eine angemessene rechtsstaatliche Kontrolle gibt und auch die zuständigen Behörden entsprechend ausstatten, dass sie dieser Kontrollfunktion nachgehen können.

Es geht im vorliegenden Fall nicht um eine Beschränkung der Meinungsfreiheit, sondern es geht um die Löschung und Verfolgung strafbarer Inhalte. Recherchen zufolge – es sind einige Beispiele ja schon genannt worden – werden in Telegram täglich Mord- und Gewaltaufrufe getätigt. Im Innenausschuss ist letzte Woche erst darüber berichtet worden. Der prominenteste Fall ist die Bedrohung des sächsischen Ministerpräsidenten. Es gibt aber auch aus Nordrhein-Westfalen Beispiele, etwa die Bedrohung des Bürgermeisters in Bad Oeynhausen. Anders als der Antragsteller werden wir solchen Angriffen nicht mit Relativierung begegnen, sondern ausdrücklich mit demokratischer Solidarität.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die AfD gesteht in ihrem Antrag zwar auch ein, dass auf Telegram Straftaten geschehen würden, was aber vergleichbar sei – wir haben es eben ja auch in der Nachfrage des Abgeordneten Tritschler gehört – mit dem Missbrauch von Post- und Telefonverkehr oder E-Mails.

(Helmut Seifen [AfD]: Überall! Facebook auch!)

Aber dieser Vergleich ist nicht tragfähig, da die Frage der Öffentlichkeit einer Äußerung für die Strafbarkeit relevant ist, wenn es um den Tatbestand der Volksverhetzung und vergleichbarer Delikte geht. Insofern ist dieser Antrag nicht nur technisch betrachtet falsch, sondern er ist auch rechtlicher Unsinn.

Letztlich ist die Motivation der AfD klar: Sie stellt sich nicht generell hinter die Meinungsfreiheit, sie möchte, dass rechtsextreme Querdenker und ähnliche Gruppierungen weiterhin ungestört ihre Hassreden, Fake News und andere demokratiegefährdende Botschaften verbreiten können.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Diesen Gruppen geben wir als Demokratinnen und Demokraten keinen Raum für ihren Hass. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)