Matthi Bolte-Richter: „Diese Landesregierung hat kein Interesse an den Belangen der Studierenden“

Aktuelle Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu studentischem Wohnraum

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich sage erst einmal: Herzlich willkommen zurück aus dem Kölner Stadtrat hier im nordrhein-westfälischen Landtag!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Meine Damen und Herren, über 100.000 Studierende starten in diesen Tagen in das neue Semester, in ihr neues Studium. Für viele bedeutet das auch, in eine neue Stadt zu ziehen, neue Menschen kennenzulernen, in einen unglaublich prägenden Lebensabschnitt zu starten. Dafür haben sie beste Bedingungen verdient. Die explodierenden Mieten, gerade in den Hochschulstädten, machen ihnen das Leben schwer.
Es fehlen Wohnplätze, es fehlen im Übrigen, Herr Petelkau, natürlich auch in Köln Wohn- plätze. Auch wenn Sie jetzt alles so blumig und so toll dargestellt haben, kommen auf 3.000 Wohnheimplätze in Köln 10.000 Bewerberinnen und Bewerber. Sie haben zwar die Kölner Situation sehr hochgehalten, aber auch dort ist nicht alles super. Tun Sie nicht so, als wäre das Problem in Köln erledigt. Das gibt es in Köln, das gibt es in Aachen. Da warten zu Semesterbeginn noch 5.000 Studierende auf einen Wohnheimplatz.
Manche Wohnheime sind so kaputt, dass ihnen die Schließung droht. Immer weniger Studierende können sich noch private Wohnungen in der Nähe der Hochschulen leisten.
Die Studierendenzahlen steigen. Das ist gut so, aber damit erhöht sich natürlich die Zahl derjenigen, die eine Wohnung benötigen. In diesem Semester haben wir mehr als 770.000 Studierende in Nordrhein-Westfalen. Das ist ein neuer Rekord. In Wuppertal gibt es nur für 4,6 % der Studierenden einen öffentlich geförderten Wohnplatz. Selbst beim Bestplatzierten, in Bochum, sind es lediglich 8,7 %. Da haben wir dringenden Handlungsbedarf. Dann hilft es nichts, wenn Sie das hier im Landtag ignorieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Diese Zahlen, diese Daten, die ich gerade vorgetragen habe, meine Damen und Herren insbesondere von der Landesregierung, müssten Sie doch in höchste Alarmstimmung versetzen. Die Lage ist dramatisch. Die Hilferufe werden immer lauter. Aber was sehen wir? – CDU und FDP schieben das Problem vor sich her. Sie schreiben Anträge, die voll von Prüfaufträgen sind. Das, was Sie hier beschlossen haben, enthielt noch keine konkreten Maßnahmen, es ist einfach eine Ansammlung von Prüfaufträgen gewesen.
Auch Frau Scharrenbach, die sonst eigentlich nie um eine forsche Antwort verlegen ist, hat runde Tische organisiert. Runde Tische? – Da war doch was, Herr Ministerpräsident. Ich er- innere mich noch sehr genau, wie Sie hier an diesem Pult gestanden und angekündigt haben, dass es, wenn Sie erst regieren, keine runden Tische, kein Blabla mehr geben wird. Was ist die Antwort? – Ein runder Tisch mit viel Blabla. Denn diese runden Tische haben das Problem des studentischen Wohnens nicht gelöst. Genauso wie beim Hochschulgesetz haben Sie sich auch in diesem Fall kaum für die Probleme der Studierenden interessiert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Rechnung ohne Frau Scharrenbach gemacht!)
Wir haben doch kein Erkenntnisproblem im Land. Die Studierendenwerke haben die Zahlen vorgelegt. Sie haben ausgeführt, dass es einen Sanierungsstau in Höhe von 350 Millionen Euro gibt und einen konkreten Bedarf von 213 Millionen Euro für Neubauten bis zum Jahr 2020.
Schwarz-Gelb wischt diesen Hilferuf einfach so weg, formuliert Prüfaufträge und hält blumige Reden, aber es kommt nichts Konkretes an. Die Studierendenwerke – Sie haben es eben schon angedeutet – haben klar zum Ausdruck gebracht, dass all die Kredit- und Zuschussprogramme nicht helfen, sondern sie brauchen konkrete Zuschüsse. Mit den Kreditprogrammen, auf die Sie in Ihren Reden sicherlich verweisen werden, kommen sie nicht weiter. Sie brauchen tatsächliche Hilfe und keine netten Ankündigungen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Landesregierung hat nicht die Absicht, den Sanierungsstau ordentlich abzuarbeiten. Sie wollen nur da etwas machen, wo es absolut notwendig ist. Bei diesem Thema setzen Sie einfach die falschen Prioritäten.
Wir haben Zeiten höchster Steuereinnahmen. Wir haben Möglichkeiten, jetzt endlich mal in wichtige Infrastruktur zu investieren. Was machen Sie? Sie sanieren Ihren Haushalt auf Kosten der Studierenden.
(Zuruf: Unglaublich!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne haben in dieser Debatte unsere Forderungen immer wieder klar auf den Tisch gelegt.
Wir brauchen natürlich ein höheres BAföG, das zum Leben reicht und das auch zum Wohnen reicht. Immerhin reicht die Wohnkostenpauschale aus dem BAföG jetzt aus, damit sich förderberechtigte Studierende einen Studierendenwohnheimplatz auch in Bonn oder Paderborn leisten können; da sind es im Durchschnitt 295 Euro Miete.
Aber das wäre natürlich nur dann ausreichend, wenn es auch tatsächlich für alle Studierenden einen Wohnheimplatz bei den Studierendenwerken gäbe. Da sind wir eben nicht.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Haus immer wieder über konkrete Forderungen sowohl aus der SPD-Fraktion als auch aus unserer Fraktion diskutiert. Von Ihnen kommt eine große Bewunderung für das Problem, aber keine Zustimmung zu den Lösungen.
Es wäre doch einfach: Es wäre möglich, ein Bündnis für studentisches Wohnen mit allen Akteuren aus der öffentlichen und aus der privaten Wohnungswirtschaft, von den Studierendenwerken und von den Kommunen zu schaffen.
Es wäre möglich, die Planung und Genehmigung zu vereinfachen. Es wäre natürlich in dieser Zeit auch möglich, ein Sofortprogramm zum Bau von neuen Wohnheimen und zur Sanierung von bestehenden Wohnheimen aufzulegen, und zwar mit echtem Geld und mit echten Zuschüssen hinterlegt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bisher lässt die Landesregierung die Studierenden in dieser angespannten Lage sitzen. Auch die Studierendenwerke bekommen von Ihnen erneut nicht mehr Geld. Aber sie brauchen unsere Unterstützung, wenn sie ihrem sozialen Auftrag nachkommen sollen.
Auch an dieser Stelle wird wieder der Landeshaushalt auf Kosten der Studierendenwerke, auf Kosten der Studierenden saniert, denn die Studierenden zahlen doch diese Politik mit höheren Sozialbeiträgen. Auch das haben wir Ihnen schon oft genug in diesem Haus dargelegt.
Meine Damen und Herren, die Not ist groß im Land. Ich erwarte von einer Landesregierung, dass sie sich kümmert, dass sie einen Plan macht, dass sie Geld in die Hand nimmt und diesen Plan dann umsetzt. Das nennt man übrigens regieren.
Aber diese Landesregierung hat keinen Plan. Sie hat kein Interesse an den Belangen der Studierenden, und sie hat keine Lust, etwas zu verändern. Sie sind das Problem in diesem Land.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)