Matthi Bolte-Richter: „Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist keine Bedrohung für die Forschungsfreiheit, die AfD ist es schon“

Antrag der "AfD"-Fraktion zu Forschungsfreiheit

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eingangs möchte ich mich beim Kollegen Tigges, beim Kollegen Rudolph und bei der Kollegin Freimuth dafür bedanken, dass sie die wesentlichen Punkte des Antrags bereits eingeordnet haben. Dieser Antrag ist einseitig, überdramatisiert, enthält Falschdarstellungen und Widersprüche. Die Beispiele, die Sie heranziehen, dass etwa die Tabakrauchstudien der 70er-Jahre ein Beleg dafür sind, dass die heutigen Infraschallstudien wissenschaftlichen Standards nicht genügen, sind an vielen Stellen etwas weit hergeholt. Hier muss man einfach sagen, dass die AfD nicht sauber argumentiert, nicht sauber arbeitet und sich nicht an den Fakten orientiert.
Wie ist die tatsächliche Lage bezüglich der Drittmittel? – Die Drittmittel betragen 1,7 Milliarden. Das sind etwa 14 % der Gesamtfinanzierung. Das sind aktuelle Zahlen von IT.NRW. Aus der Erfahrung wissen wir, dass zwei Drittel von diesem ohnehin schon geringen Anteil von öffentlichen Fördergebern wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft kommen. Das heißt, Sie konstruieren hier ein Problem, weil früher alles besser war, und sortieren das in Ihre Weltsicht ein. Aber es stimmt einfach nicht, was Sie hier postulieren.
Sie haben das Zitat gebracht – auch das natürlich namenlos; darauf hat eben Kollegin Freimuth schon angespielt –, das da lautet: Wenn eine Frage gelöst ist, stellen sich zwei neue. – Ja, das nennt man Wissenschaft, Kollege Seifen.
Meine Damen und Herren, natürlich brauchen wir eine Anpassung der Grundfinanzierung, auch um Unabhängigkeit zu sichern. Das stimmt durchaus. Deswegen haben wir das hier als grüne Landtagsfraktion mehrfach beantragt. Aber man kann nicht sagen, dass bei einem kom- pletten Verzicht auf jede Form von Drittmittelfinanzierung, wenn also sozusagen alles aus Eigenmitteln finanziert wird, bestimmte Bereiche noch in gleicher Höhe beforscht und ausfi- nanziert würden. Die Drittmittelforschung kann, wenn sie richtig gemacht wird, wenn sie den Transparenzkriterien genügt, wenn sie widerspruchsfrei funktioniert, durchaus Beiträge leisten. Insofern sollte man sich nicht grundsätzlich von der Drittmittelforschung verabschieden.
Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Egal, was Sie konstruieren – die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist keine Bedrohung für die Forschungsfreiheit, die AfD ist es schon. – Ich danke Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bolte-Richter. – Es gibt eine Kurzinterven- tion, angemeldet von der AfD-Fraktion. Herr Seifen wird die Kurzintervention vornehmen. Bitte schön.
Helmut Seifen (AfD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Bolte-Richter, ich wundere mich sehr, dass Sie mir nicht euphorisch beigestanden haben. Ihre Rede war doch sehr spröde. Ich erinnere Sie daran, dass 2013 Ihre wissenschaftspolitische Sprecherin, Frau Dr. Ruth Seidl, hier im Landtag NRW zu der Erkenntnis kam – ich zitiere –:
„Die Balance zwischen der Drittmittelquote und dem Anteil der Grundfinanzierungsmittel der Hochschulen ist zunehmend gestört. Es bedarf einer Lösung, die die Länder in die Lage versetzt, die Grundfinanzierung der Hochschulen merklich zu erhöhen.“
Ihre Rede klang jetzt nicht so. Im Grunde genommen ist es genau das, was in unserem Antrag steht.
Auch Ihre Bundestagsfraktion hat immer darauf hingewiesen, dass die Abhängigkeiten zwischen den Drittmittelgebern und den Forschern austariert sein muss. Es redet also niemand davon, dass es diese Zusammenarbeit nicht geben soll. Im Berliner „Tagesspiegel“ steht unter der Überschrift „Medizinforschung: Vom Teufel bezahlt?“:
„Geld von der Tabakindustrie: Streit um ein von der Morris-Stiftung gefördertes Projekt des Deutschen Herzzentrums Berlin … Die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Lisa Paus und Heidi Kosche ergab: In den Jahren 2003 bis 2005 wurde das Projekt mit 937 000 Euro von den der Philip Morris Research Foundation finanziert.“
Also, es geht hier nicht um einen Generalverdacht, sondern es geht darum, sicherzustellen, dass Forschung tatsächlich in ihrem ursprünglichen Sinne geschieht und es nicht eine zu starke interessengeleitete Forschung gibt. – Vielen Dank.
(Beifall von der AfD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön. – Herr Bolte-Richter, Sie haben jetzt 1:30 Minuten für Ihre Antwort.
Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Seifen, zwischen dem, was Ruth Seidl 2013 gesagt hat, dem, was ich heute gesagt habe, und auch dem, was die grüne Bundestagsfraktion gesagt hat und Sie gerade zitiert haben, besteht kein Widerspruch.
Und wenn ich Ihr Herz heute rhetorisch nicht so erwärmen konnte wie sonst, dann ist das Ihr Problem.
(Beifall von den GRÜNEN)