Matthi Bolte-Richter: „Die Antwort muss lauten: mehr Transparenz, mehr Nachvollziehbarkeit“

Der Antrag 

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Maskenaffäre, der Fall Amthor, die Aserbaidschan-Connection, all diese Vorfälle haben dem Vertrauen in die demokratischen Institutionen massiv geschadet. Es ist bei vielen Menschen der Eindruck entstanden, dass in der größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg einige Unionspolitiker*innen nicht an die Gesundheit und das Wohl der Bevölkerung gedacht haben, sondern nur an den eigenen Geldbeutel. Diesem Eindruck müssen wir im Sinne der Demokratie entgegentreten.

Auf diese Vorfälle darf es nur eine Antwort geben, und diese Antwort muss lauten: mehr Transparenz, mehr Nachvollziehbarkeit. Denn nur so schaffen wir Vertrauen in politische Entscheidungen.

Das ist ganz besonders in dieser Pandemie wichtig. Denn in dieser Zeit, in der viele Menschen wütend sind und fordern, dass Regierungen endlich ihre Arbeit machen, fallen solche Skandale besonders ins Gewicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es sind aber nicht nur die Vorfälle der CDU/CSU im Bundestag, es sind nicht nur die CSU-Vorfälle in Bayern, es ist nicht nur die Verstrickung in Baku-Württemberg. Das Vertrauen wird nicht erst dann erschüttert, wenn der Staatsanwalt im Abgeordnetenbüro steht. Es geht um Problembewusstsein. Es geht um Haltung für saubere und transparente Politik.

Man muss es leider so deutlich sagen: Auch in dieser schwarz-gelben Landesregierung und auch beim Ministerpräsidenten fehlt es regelmäßig an Problembewusstsein, wenn es um eine falsch verstandene Nähe zur Wirtschaft geht.

Dass sich die Landesregierung an vielen Stellen zur Interessensvertreterin von RWE machte, ist ebenso bekannt wie die undurchsichtige Auftragsvergabe der Schulministerin an eine Digitalunternehmerin und langjährige FDP-Spenderin im Fall HABA Digital. Die Van-Laack-Vergabe haben wir alle sicherlich noch in Erinnerung. Und dass der Ministerpräsident sich den ehemaligen Cheflobbyisten des Pharmakonzerns Sanofi als Impfmanager in die Staatskanzlei holt, mag rechtlich in Ordnung gewesen sein, aber sensibel war es definitiv nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alle diese Vorfälle zeigen uns: Die Regierung Laschet hat ein Lobbyproblem. Auch die Rolle des Chefaufräumers Laschet funktioniert doch nicht; das habe wir doch gesehen. Die jüngsten Rücktritte gab es nach diesen Pseudo-Transparenz- oder Ehrenerklärungen oder wie auch immer sie heißen mögen.

All das zeigt: Wir brauchen klare Regeln anstatt Absichtserklärungen. Politische Interessensvertretung gehört natürlich zur Demokratie dazu. Sie ist ein Bestandteil der Demokratie. Aber der Zugang zu Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern muss allen offenstehen. Dieser demokratische Grundsatz muss von uns verteidigt werden.

Wir fordern als Grüne ein Lobbyregister, wir fordern den legislativen Fußabdruck. Wir wollen, dass klar wird, welche Interessensvertreter*innen in welcher Weise und wann auf einen Gesetzentwurf der Landesregierung oder auch eine Initiative aus dem Parlament Einfluss genommen hat. Wir wollen, dass klar ist, in welcher Weise und auch in wessen Auftrag das geschehen ist.

Wir haben als grüne Landtagsfraktion bereits im letzten Jahr Initiativen dafür vorgelegt. Wir haben einen Entwurf für ein Informationszugangsgesetz sowie einen Antrag für die Einführung eines Lobbyregisters und des legislativen Fußabdrucks vorgelegt. Angesichts der aktuellen Skandale ist schnelles Handeln erforderlich. Wir fordern Sie von den anderen Fraktionen heute auf, sich unseren Initiativen unverzüglich anzuschließen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir sprechen nach den jüngsten Skandalen richtigerweise auch über klare Regeln für uns, für transparente Abgeordnete. Wir brauchen keine Ehrenerklärungen. Die helfen nicht, weil sie unverbindlich und im Zweifel auch ohne Konsequenz sind. Eine saubere und transparente Politik muss institutionell abgesichert werden. Wir wollen Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte von Abgeordneten endlich vollständig transparent machen, so wie wir es als grüne Landtagsfraktion schon seit fast 15 Jahren tun, und zwar auf Euro und Cent genau. Das tut nicht weh, führt aber zu mehr Transparenz.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] und Verena Schäffer [GRÜNE])

Lassen Sie uns darüber ins Gespräch kommen, wie wir dorthin kommen können. Gleiches gilt natürlich für das Verbot entgeltlicher Lobbyarbeit von Abgeordneten. Lassen Sie uns auch darüber sprechen, wie wir zu klareren Regeln bei Abgeordnetenbestechung und Abgeordnetenbestechlichkeit kommen.

Es muss klar sein, dass das Mandat bei der Tätigkeit einer Abgeordneten oder eines Abgeordneten immer im Mittelpunkt der Tätigkeit steht. Es ist kein Nebenjob, sondern das Mandat, für das wir von den Bürgerinnen und Bürger gewählt wurden, ist unsere Aufgabe. Wir sind dem Gemeinwohl verpflichtet, und wir sind den Bürgerinnen und Bürgern, die uns in dieses Rund geschickt haben, verpflichtet.

(Beifall von den GRÜNEN und von Sarah Philipp [SPD])

Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die aktuellen Skandale muss lauten: mehr Transparenz, mehr Einsatz für saubere Politik, für eine transparente Demokratie. Demokratie lebt von Offenheit und Information, und sie lebt ganz besonders vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die politischen Institutionen. Dieses Vertrauen ist verloren gegangen. Wir müssen alles tun – und dafür machen wir konkrete Vorschläge –, dass wir dieses Vertrauen wiederherstellen können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der zweite Redebeitrag der GRÜNEN im Landtag von

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein bisschen mehr Demut hätte, glaube ich, den CDU-Beiträgen in dieser Debatte durchaus gutgetan –

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

auch ein bisschen weniger Verdrehung von Tatsachen und Hintergründen, weil die Skandale, über die wir hier auch sprechen, sind in Ihren Reihen aufgetreten. Es ist natürlich unser Recht, daraus Konsequenzen einzufordern. Insofern wäre da etwas mehr Demut angebracht gewesen.

Um zwei Sachen richtigzustellen: Erstens geht es nicht um ein Verbot von Nebentätigkeiten, sondern es geht schlicht und ergreifend um Transparenz. Diese Transparenz schaffe ich, wenn ich Nebentätigkeiten auf Euro und Cent genau offenlege.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es geht auch nicht um die Frage von Lebensläufen, sondern es geht vor allem um die Frage von handfesten Interessenskonflikten – da muss man natürlich die individuelle Konstellation betrachten. Es kann nun einmal aus Nebentätigkeiten Interessenkonflikte geben, und die müssen transparent gemacht werden.

Die zweite Frage war: Hätten Lobbytransparenz und Informationszugang die Fälle von Korruption – wo es wirklich um mutmaßliche Korruptionsfälle geht – verhindert? – Wahrscheinlich nicht, aber es geht hier darum, Brandmauern einzuziehen. Diese Brandmauern haben wir bisher nicht, und wir brauchen sie.

Es kann immer noch sein, dass mit krimineller Energie versucht wird, diese Mauern zu umgehen, diese Regelung zu umgehen, aber wir brauchen, um das Vertrauen wieder herzustellen, genau diese Brandmauern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist über die Frage des Abgeordnetenrechts – über das wir, glaube ich, hier zu Recht diskutieren, weil es richtig und notwendig ist, das zu diskutieren – ein bisschen in den Hintergrund gerückt, dass es in den Anträgen, die hier zugrunde liegen, eben nicht nur um das Abgeordnetenrecht geht.

Ich habe in meiner Rede die Lobbyfragen an die Landesregierung, die wir hier haben, angesprochen. Dazu haben Sie vorsichtshalber gar nichts gesagt. Zum Beispiel gehört das Vergaberecht an dieser Stelle durchaus einmal hinterfragt, wo es noch Möglichkeiten gibt, Lücken zu schließen.

Herr Minister Reul, Sie haben sich lang und breit darüber ausgelassen, ob sie denn vielleicht etwas zu dem, was in diesen Anträgen steht, sagen sollten. Sie haben sich dann vorsichtshalber dafür entschieden, nicht über das zu reden, was Sie betroffen hätte,

(Beifall von den GRÜNEN)

denn der legislative Fußabdruck betrifft genau die Landesregierung, betrifft genau Sie. Dazu haben Sie vorsichtshalber gar nichts gesagt.

Das ist auch nicht überraschend, weil genau diese Regelungen seit Jahren von der CDU blockiert werden. Das ist auch der Punkt, weshalb ich hier gesagt habe: Wir erwarten, dass Sie sich unverzüglich auf die Socken machen und sich unseren Initiativen anschließen, denn von uns liegen die Initiativen vor und von Ihnen nicht. Deshalb: Schließen Sie sich uns an, bitte schön!

(Beifall von den GRÜNEN)