Matthi Bolte-Richter: „Die ‚AfD‘ diffamiert Teile der Wissenschaft und will sie mundtot machen oder gar abschaffen“

Antrag der "AfD"-Fraktion zur Hochschulpolitik

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Beihl, liebe Daniela, herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede. Herzlich willkommen hier bei uns und auf gute Zusammenarbeit. Wir werden in den nächsten Jahren sicherlich noch die eine oder andere Gelegenheit haben, miteinander zu diskutieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Antrag kann ich ausführen, dass wir als grüne Fraktion wir der Überweisung natürlich zustimmen. Dennoch werden wir den Antrag inhaltlich aus einer Reihe von Gründen ablehnen:
Erstens. Der Kollege Karsten Rudolph ist eben schon darauf eingegangen, was alles nicht in dem Antrag steht, was aber dahintersteckt. Wenn man sich den Antrag anschaut, sieht man eine sehr bunte Mischung aus verschiedenen Studien und unterschiedlichen Zahlen, die Sie munter durcheinanderwursteln und dann auch noch eine ordentliche Prise „Früher war alles besser“ unterrühren.
Zweitens. Wir haben tatsächlich zu viele und zu kurze Befristungen im akademischen Mittelbau. Es gibt zu wenige Dauerstellen neben den Professuren, oftmals schlicht überhaupt zu wenige Stellen, um den Hochschulbetrieb mit Forschung, Lehre, Selbstverwaltung und Verwaltung – also mit allem, was dazugehört – zu führen.
Das ist im Übrigen, Kollegin Beihl, nicht allein ein Problem für den wissenschaftlichen Nachwuchs, sondern wir haben es inzwischen mit einer ganzen Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu tun, die sich von Projekt zu Projekt, von Befristung zu Befristung hangeln. Das ist kein guter Zustand. – Deswegen haben wir als Grüne in den letzten Jahren immer wieder Anträge vorgelegt, um die Situation zu verbessern.
Wir haben schon vor geraumer Zeit, als wir die Diskussion zum Hochschulpakt geführt haben, gefordert, den Hochschulpakt zu verstetigen, um mehr Dauerstellen zu schaffen. Wir – auch andere Fraktionen – haben gefordert, an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften die Forschungsaufgaben ernst zu nehmen und damit verbunden auch mehr Stellen im Mittelbau zu schaffen. Wir haben gefordert, die Qualitätsverbesserungsmittel zu dynamisieren und die zusätzlichen Mittel in zusätzliche Dauerstellen zu investieren. – Das waren nur ein paar wesentliche Forderungen aus den letzten Jahren, um die Personalsituation und die Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen zu verbessern.
Darüber hinaus hat unser Hochschulzukunftsgesetz dazu geführt, dass es einen Vertrag über gute Beschäftigungsbedingungen gibt, der die Möglichkeit für kurze Befristungen eindämmt. Ich halte es für schädlich, dass diese Regelungen zum Rahmenkodex im Hochschulgesetz jetzt aufgehoben werden sollen.
Außerdem verzeichnen wir, ausgehend von der Bundesebene, schlechte Entwicklungen, weil sich die Bundesregierung aus Union und SPD immer wieder geweigert hat, eine ordentliche Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes durchzuführen und Wissenschaftstarifverträge zuzulassen.
Drittens. Damit komme ich zum letzten Grund für die Ablehnung: Jetzt kommt die AfD mit einem Antrag um die Ecke, in dem sie sich angeblich um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sorgt – ausgerechnet die AfD!
(Helmut Seifen [AfD]: Wieso „ausgerechnet“?)
Was Sie machen, ist heuchlerisch. Die AfD ignoriert am laufenden Band wissenschaftliche Fakten.
Sie diffamiert Teile der Wissenschaft und will sie mundtot machen oder gar abschaffen. Ich erwähne einfach mal die Einlassung Ihres bildungspolitischen Sprechers im Deutschen Bundestag, der sich letztes Jahr, als in Ungarn der gesamte Bereich der Gender-Studies an den Hochschulen abgeschafft werden sollte, dazu sehr, sehr positiv geäußert hat. Das ist ganz klar der Versuch, eine wissenschaftliche Teildisziplin mundtot zu machen oder abzuschaffen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Das passt nicht zusammen, und das ist für uns der dritte Grund, diesen Antrag abzulehnen. Beschäftigen Sie sich einfach mal inhaltlich damit! Beschäftigen Sie sich mal damit, was in diesem wichtigen Bereich an den Hochschulen passiert, Herr Seifen, und dann reden wir vielleicht irgendwann einmal fundiert miteinander! – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)