Matthi Bolte-Richter: „Der ländliche Raum wird abgehängt“

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben zu unserem Antrag einen Entschließungsantrag der regierungstragenden Fraktionen vorliegen.
Das weiß ich noch aus der Erfahrung, aus der Rolle, die wir sieben Jahre lang in diesem Haus hatten: Wenn man mit einem Entschließungsantrag konfrontiert wird, weiß man zumindest, dass man an die richtige Stelle gepikst hat und Sie da offensichtlich ein Problem haben.
Aber nicht nur Sie von CDU und FDP haben ein Problem, sondern auch unser Land hat ein Problem. Eine der wirtschaftlich stärksten Nationen dieser Erde, die wir sind, wird mehr und mehr digital abgehängt.
Da helfen keine Gipfel, keine Pakte, keine Masterpläne, keine großen und schönen Ankündigungen, die man mit großem Brimborium an die Presse verkauft, da muss man schon tatsächlich etwas tun. Bei Schwarz-Gelb passiert entweder nichts oder das Falsche. So läuft man in solche Probleme hinein.
Wir haben unseren Antrag wie folgt überschrieben: NRW braucht schnelles Netz an jeder Milchkanne. – Die Milchkanne ist dank Frau Bundesministerin Karliczek tatsächlich zum Maß der Dinge beim Netzausbau geworden.
Das muss man sich schon noch mal auf der Zunge zergehen lassen, was da vor einigen Wochen passiert ist. Ausgerechnet eine Bundesforschungsministerin sagt: Ach nein, vom technologischen Fortschritt sollen nicht alle Menschen profitieren. – Der Fortschritt soll sogar an Frau Karliczeks Heimat, dem Münsterland, vorbeigehen.
Wie fortschrittsfeindlich muss man eigentlich sein, wie wenig kann man vom ländlichen Raum halten, wenn man ihn zur Milchkanne abqualifiziert und das schnelle Internet seinen Bewohnerinnen und Bewohnern vorenthalten will? Mich hat das wirklich fassungslos gemacht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir machen heute konkrete Vorschläge, wie man den neuen Mobilfunkstandard 5G allen Menschen zugänglich machen kann. Aber da scheinen wir doch allein zu stehen.
Die Bundesregierung hat bei der anstehenden Frequenzauktion entgegen allen Warnungen alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Die Landesregierung war dabei über die Landesnetzagentur beteiligt.
Wieder steht der Erlös im Vordergrund, wieder sind die Ausbauvorgaben unverbindlich. Die Ausbauvorgaben gelten wieder nur für Haushalte und nicht für die Fläche, obwohl wir heute wissen, dass selbst, wenn man die vorgegebenen 98 % als Ausbauziel für die Haushalte erreicht, mindestens 30 % der Fläche unversorgt blieben.
Damit wäre der ländliche Raum wieder abgehängt. Das darf uns nicht passieren, wenn wir das digitale Zeitalter für unser Land gestalten wollen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch die Chance für ein zukunftsfähiges Marktdesign wird vergeben. Wir haben keinen gemeinsamen Netzausbau; die Kundinnen und Kunden profitieren nicht von dem Design.
Es gibt keinen ernsthaften Versuch, lokales oder nationales Roaming wirklich zu verankern. Die wenigen Versuche, die es seitens der Bundesnetzagentur in der Vergaberichtlinie gab, werden die Betreiber lediglich dazu verpflichten, über technische und vertragliche Kooperationen zu verhandeln – als ob sie das nicht sowieso täten.
Alle Vorschläge von Expertinnen und Experten, wenigstens lokales Roaming verbindlich im Gesetz festzuschreiben, wurden in den Wind geschlagen.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich gegenüber der Bundesregierung stark dafür zu machen, dass es eine entsprechende Änderung im Telekommunikationsgesetz gibt, denn nur so werden wir wirklich in die Fläche kommen.
Politik muss an dieser Stelle liefern, wenn wir Menschen nicht abhängen wollen, wenn wir das Vertrauen der Menschen nicht verlieren wollen. Denn das darf uns gerade in dieser Zeit nicht passieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Noch ein paar Bemerkungen dazu, dass viele in der Debatte sagen: Wenn wir bei 5G schon nicht vorankommen, machen wir halt irgendetwas mit LTE.
Ich habe dazu kürzlich eine Kleine Anfrage gestellt. Das Ergebnis zeigt: Der Mobilfunkpakt, Herr Minister Pinkwart, ist nichts als heiße Luft. Der ländliche Raum wird abgehängt. Es gibt keine verbindlichen Vorgaben für den Netzausbau.
Die Landesregierung hat den Netzbetreibern sogar zugesagt, dass sie sich für noch weniger Ausbauvorgaben einsetzen will – für einen Prozentpunkt mehr Haushaltsabdeckung.
Wenn man sich den LTE-Ausbau in Nordrhein-Westfalen anguckt, muss man wissen, dass die Übertragungsrate im LTE-Standard stark variieren kann: Sie reicht von Geschwindigkeiten von 1 Mbit bis zum Gigabit-Bereich.
Wenn man jetzt darauf verweist, Herr Minister, wie Sie das getan haben, dass wir laut Breitbandatlas des BMVI – in Anführungszeichen – „immerhin“ 95 % Abdeckung mit LTE haben, muss man sich das schon einmal genauer anschauen.
Dann wird man feststellen, dass das nur für Downloads mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1 Mbit gilt. Das heißt, wir sind da weit von einer wirklichen Flächenabdeckung entfernt.
Wenn man sich dann anschaut, was Sie regierungsseitig heute hier vorgelegt haben, kann man nur sagen: Sie können sich noch so viel feiern, wie Sie das in Ihrem Entschließungsantrag tun, aber das zeigt nur, dass es in unserem Land nur wenige gibt, die Ihre Digitalpolitik loben, sodass Sie das jetzt selber übernehmen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN)