Matthi Bolte-Richter: „Das ist keine Debatte über die große politische Vision“

Zum Entwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Stärkung der medienbruchfreien Digitalisierung - zweite Lesung

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben im Ausschuss eine angenehm unaufgeregte Debatte erlebt. Letzten Endes waren wir uns darin einig, dass es hier vor allen Dingen um ein Dokument der Fleißarbeit der Landesregierung geht und weniger um eine große politische Debatte. Jetzt haben wir sie doch so ein bisschen angefangen.

Beim Kollegen Matheisen war nicht nur mit Blick auf die Umfragewerte die Kraft der Autosuggestion am Werk, sondern auch weitestgehend mit Blick auf die Digitalpolitik der letzten fünf Jahre.

Man muss Ihre Rede, die Sie gerade gehalten haben, mit der Faktenlage vergleichen. Die Landesregierung hat letzte Woche eine Pressemitteilung herausgegeben, in der sie sich für ihre unglaublich fantastische Leistung gelobt hat, dass sie jetzt 10 % der avisierten Arbeitsplätze mit der E-Akte ausgestattet hat. Das liest sich so, als hätten Sie gerade erst die Regierungsgeschäfte übernommen, als hätten Sie gerade erst angefangen und nicht, als wären Sie schon fünf Jahre im Amt und am Werk.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn man sich dann anguckt, was Sie alles versprochen haben, nämlich dass jetzt alles superduper schnell, superduper digital wird, kann man immer noch sagen, diese Ausbeute ist mehr als nix, aber sie ist halt übersichtlich. Ich finde, an der Stelle muss man schon, auch wenn wir hier im Plenum immer ein bisschen mehr Lametta an unsere eigenen Leistungen heften als in den Ausschüssen, ein bis zwei Stufen kleiner in die Debatte gehen, vor allem wenn ich mich an den Wahlkampf 2017 erinnere.

Das, was Sie bisher umgesetzt haben, war hoffentlich nicht die große Vision, von der Sie gerade gesprochen haben. Das kann man nämlich für alle Bereiche der Verwaltungsdigitalisierung durchdeklinieren. Beim Onlinezugangsgesetz haben Sie 152 Verfahren zur Digitalisierung übernommen – wohlgemerkt bis Ende dieses Jahres. Zwei davon sind bislang umgesetzt. Das war zumindest der Stand Ende des letzten Jahres.

1 % der Leistungen, die im Moment hier zum Einsatz kommen, sind tatsächlich made in NRW. 64 % der Verwaltungsprozesse in der Landesverwaltung sind noch nicht digitalisiert. Wir haben uns die Liste mit den Verwaltungsprozessen geben lassen, die noch nicht digitalisiert sind. Sie ist unglaubliche 123 Seiten lang. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen – und ich sage das ganz bewusst –, ist nichts, worauf wir stolz sein können. Das ist einfach nur ein riesengroßer Auftrag an die nächste Landesregierung, es beherzt anzugehen und die Digitalisierung der Verwaltung auf den Weg zu bringen, weil ein digitaler Staat eben auch eine digitale Verwaltung braucht.

Wenn wir uns jetzt in der politischen Debatte doch ein bisschen gestritten haben, gibt es trotz alledem zum Ende meiner Rede durchaus Grund für einen harmonischen Dank, den ich im Ausschuss auch schon formuliert habe, in Richtung Ihres Hauses, Herr Minister. Das, was wir hier haben, ist keine Debatte über die große politische Vision. Das ist die Debatte über die Kärrnerarbeit, die in den Häusern gemacht werden musste, um das Thema der medienbruchfreien digitalen Verwaltung anzugehen. All denen, die sich das geben mussten, herzlichen Dank.

Demnächst sprechen wir wieder über die großen Visionen. Ich hoffe, dass sie dann auch tatsächlich umgesetzt werden. – Herzlichen Dank.