Matthi Bolte-Richter: „Das Einzige, was sich wirklich verändert hat, ist, dass die CDU nicht mehr über Killerspiele redet“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Thema Digitalisierung

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Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir leid, Herr Kollege Bombis, wenn ich Sie jetzt in Ihrem Dialog mit der Kollegin Kampmann störe. Aber ich möchte dann doch noch ein bisschen zu dem Antrag ausführen.
Lieber Kollege Braun, Sie haben sich Sorge bezüglich meiner Freude gemacht. Ich komme aus Bielefeld, und das ist bekanntermaßen der Ort der guten Laune. Meine gestrige Einlassung bezog sich auf die Hochschulgesetznovelle. Da habe ich angekündigt, dass Sie von den regierungstragenden Fraktionen einfach nicht viel Freude in dieser Debatte haben werden, weil es keine gesellschaftliche Mehrheit für Ihr Studiengängelungsgesetz gibt. Sie können sich das Ganze natürlich schönreden und vielleicht dann doch noch ein bisschen Freude haben. Wir werden ja sehen, wie das in den nächsten Monaten so ausgeht.
Zu dem Antrag heute: Ich habe im Vorfeld wahrgenommen, dass es Ihnen von den regierungstragenden Fraktionen vor allem um das geht, was Sie im Antragstext umrissen haben mit „eine gesellschaftliche Debatte anstoßen über die Chancen der Digitalisierung“. Das kann man machen. Man kann immer wieder darüber sprechen. Man kann immer wieder fragen, welche Potenziale es in welchem Bereich gibt.
Aber ich glaube, genauso hat die Kollegin Kampmann gerade eben völlig zu Recht gefragt, ob es dieses Sammelsurium nun wirklich im Jahre 2018 in dieser Form braucht, ob das für die Diskussion, die wir führen müssen, für die Debatten, die wir führen müssen, jetzt wirklich hilfreich ist. Denn die meisten Diskussionen, die Sie aufrufen, führen wir tatsächlich schon seit Jahren. Das Einzige, was sich wirklich verändert hat, ist, dass die CDU nicht mehr über Killerspiele redet. Ansonsten hat Schwarz-Gelb in den letzten Jahren nicht wesentlich an Substanz zugelegt.
Vielleicht zwei Beispiele.
Erstes Beispiel: Das Thema „Blockchain“ als einer der absoluten Megatrends kommt in diesem Antrag nicht ein einziges Mal vor.
(Florian Braun [CDU]: Das steht schon im Koalitionsvertrag!)
Zweites Beispiel: Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass der Staat bei der Datensicherheit vorangehen muss. – Da haben Sie völlig recht. Aber wie verträgt sich das denn mit Ihren Plänen für die Quellen-TKÜ? Wie verträgt sich das mit Ihren Plänen, dass Sie Herrn Reuls Hacker jetzt auf die Bürgerinnen und Bürger losschicken wollen und deren informationstechnische Systeme hacken lassen wollen?
Meine Damen und Herren, es gibt in der Tat immense Chancen für die Digitalisierung. Viele von den Themen greifen Sie zu Recht heraus, auch wenn Sie keine Antworten geben, sondern nur Fragen stellen.
Wir müssen zum Beispiel natürlich weiterhin über digitale Verwaltung nicht nur reden, sondern auch digitale Verwaltung machen. Deswegen haben wir ja ein E-Government-Gesetz in der letzten Legislaturperiode gemacht. Das war ja richtig.
Ihr Vorgehen jetzt, dass Sie dieses Gesetz nicht weiterentwickeln, sondern dass Sie weiter ein paar Insellösungen schaffen, ist allerdings nicht sinnvoll. Ich habe ja nie irgendetwas gegen die digitalen Modellkommunen gehabt, die Sie da planen. Sie sind jetzt mit Sicherheit auch nicht eine wirkliche Antwort, weil Sie wieder ein paar Leuchttürme bauen, aber keine Gesamtlösung fürs Land anstreben.
Ich habe auch nichts gegen Ihr Gründerstipendium zur Förderung der Start-up-Kultur – im Gegenteil. Das ist grundsätzlich eine gute Herangehensweise; denn ich bin der Meinung, dass Start-ups in der Lage sind, den Planeten zu retten, und ich habe in letzter Zeit auch viele kennengelernt, die genau das tun.
Aber man braucht dann wirklich konkrete Maßnahmen und muss im Einzelnen prüfen, was Gründerinnen und Gründern konkret hilft – und sie brauchen mit Sicherheit nicht nur hübsche Schwarz-Weiß-Fotos.
Genauso ist es beim digitalen Mittelstand. Auch da brauchen wir konkrete Unterstützung, weil wir dort definitiv die größte Baustelle haben. Darüber sind wir uns einig. Aber was war das erste, was Sie gemacht haben? – Sie haben die Digitalen Hubs infrage gestellt. Inzwischen sind Sie da Gott sei Dank weiter.
Aber an solchen Stellen zeigt sich, dass die Diskussion über die Gestaltung der Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen bei Ihnen nicht wirklich nach vorn läuft, sondern als Dienst nach Vorschrift.
Man kann es weiter durchdeklinieren – ob bei „Smart City“-Konzepten, digitaler Energiewende oder digitaler Bildung. Wir führen wieder eindimensionale Debatten – „bring your own device“ versus „Laptops für alle“. Sprechen wir doch mal über Konzepte. Reden wir über Inhalte, und vergessen Sie die Hochschulen nicht. Auch da gibt es nach wie vor einiges zu tun – wir vergessen die Hochschulen ja in vielen anderen Bereichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles muss – in dieser Hinsicht würde ich Ihnen sogar recht geben – in einer Digitalstrategie der Landesregierung vorkommen. Das gilt mit Sicherheit auch für viele weitere Punkte. Ich bin auch durchaus bereit zur Selbstkritik in Bezug darauf, dass eine gute administrative Strategie keine Vision ersetzt. Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Sie ersetzt nicht, dass man die Digitalisierung als Leitprojekt einer Regierung betrachtet.
Was wir Ihnen ankreiden, ist aber, dass Sie genau das nicht tun, sondern dass Sie sich wieder im Klein-Klein und darin verlieren, Fragen zu stellen, wo Antworten nötig sind. Da muss man sich tatsächlich Sorgen machen.
Wenn Sie etwas schaffen wollen, dann brauchen Sie jedenfalls mehr als Dialoge. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)