Matthi Bolte-Richter: „Bemerkenswert ambitionslos“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur "Studi-App"

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Wissenschaftspolitik der Landesregierung und der schwarz-gelben Koalition ist ja ohnehin schon bemerkenswert ambitionslos; da reiht sich dieser Antrag wirklich perfekt ein.

Abgesehen davon, dass es offensichtlich eine Vorgabe aus der Staatskanzlei gibt, dass, bitte schön, jedes Ressort eine App zu irgendwas zu entwickeln habe, damit man,

(Zuruf von der SPD)

wenn man schon nicht digitaler ist, wenigstens ein bisschen digitaler aussieht, muss man doch bei der inhaltlichen Bewertung des Vorhabens sagen:

Zumindest mit der technischen Seite, eine App zu programmieren, eine Plattform zu programmieren, haben wir inzwischen genug Erfahrung, um zu wissen, dass das nicht unbedingt die reine Raketenwissenschaft ist.

Dazu kann man sich einfach mal auf den einschlägigen Marktplätzen informieren oder bei denjenigen nachfragen, die so was können. Es gibt genügend Stellen, die diese Möglichkeit haben; dafür braucht man keine große Studie.

Man kann sich auch einfach mal im Land umgucken, was es schon an Angeboten gibt. Dann sieht man, dass solche Studi-Apps selbstverständlich ohne Weiteres machbar sind.

Wie ich zu dieser sagenhaften These komme? – Ich habe mal bei den Hochschulen geguckt, was es alles so gibt. Sie haben in Ihrem Antrag selbst die Hochschule Niederrhein aufgeführt. Es gibt die Studi-App an der TU Dortmund und an der TH Köln.

Auch an der Uni Duisburg-Essen, der größten Hochschule, gibt es mit myUDE eine App, die sogar noch deutlich mehr Funktionen bietet als das, was Sie anbieten wollen: den persönlichen Stundenplan, Prüfungsverwaltung, erbrachte Leistungen, Bibliotheksfunktionen, das digitale Semesterticket, einen – das fand ich besonders schön – auf Allergien und Ernährungsgewohnheiten anpassbaren Speiseplan, den kompletten ÖPNV-Fahrplan rund um den Campus und Uniinformationen.

Es gibt also reichlich Angebote. Technisch ist das kein wirkliches Problem, wenn man Leute beauftragt, die das können.

Dann wäre da natürlich noch die organisatorische Frage: Wie setzen wir das Ganze um? Bevor man hier so einen großartigen Antrag vorlegt, könnte man den Hochschulen einen Brief oder ein Fax oder vielleicht sogar eine E-Mail mit der einfachen Frage schicken: Wollt ihr, dass das Land die Regie für eine solche App übernimmt, oder wollt ihr das auf eure Weise alle selber machen? – Wenn man dann einen Blick in diese Mail und ins Internet wirft, ist das, was Sie hier beantragen, eigentlich schon erledigt.

Vierzehn Monate vor der Wahl mit so einer Machbarkeitsstudie um die Ecke zu kommen, macht eigentlich allen Beteiligten klar, dass dieses Projekt nicht mehr unter einer schwarz-gelben Regierung umgesetzt wird.

Es gibt dann vielleicht einen netten Pressetermin für die Nachfolgeregierung, aber eigentlich stellen Sie diesen Antrag an dieser Stelle nur, weil einige von Ihnen gerade den Begriff „App“ kennengelernt haben und ihn voll populär finden.

Noch viel wichtiger ist doch aber die Frage: Trauen Sie – Sie als die Koalition, die hier immer erzählt, dass die Hochschulen alles selbst können, dass wir überhaupt nichts machen müssen und dass es eigentlich eine Beleidigung der Hochschulautonomie ist, dass wir überhaupt ein Hochschulgesetz haben – den Hochschulen nicht zu, diese Angebote alleine zu schaffen?

Warum soll eine App entwickelt werden, wenn es all diese Angebote vor Ort schon gibt? Warum sollen sich die Hochschulen nicht selbst über die Strukturen, die wir mit der Digitalen Hochschule NRW geschaffen haben, vernetzen, die besten Modelle heraussuchen und dann gute digitale Lösungen übertragen? – Ich frage mich, warum Sie denen das nicht zutrauen.

(Beifall von den GRÜNEN)

In dem Antrag schreiben Sie, dies werde, wenn es fertig sei, aus bereiten Mitteln finanziert. Nein, so einfach wird es nicht funktionieren; schließlich brauchen die Hochschulen, wenn sie irgendetwas entwickeln sollen, eine vernünftige Ausstattung dafür.

Dass CDU und FDP den Hochschulen im nächsten Jahr 15 Millionen Euro für die Digitalisierung streichen wollen, ist dafür sicherlich nicht hilfreich; damit könnte man jede Menge Apps entwickeln.

Dazu kommt natürlich, dass man fragen muss, was Studierende für eine Erleichterung ihres Lebens momentan eigentlich wirklich brauchen. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel eine vernünftige Nothilfe in der Pandemie. Weitere Möglichkeiten wären eine bessere Betreuungsrelation oder Hörsäle, in die es nicht hineinregnet. All das wären Baustellen, die Sie anpacken könnten.

(Zuruf von der CDU)

All das, mit dem man wirklich helfen würde, wollen Sie nicht anpacken. Stattdessen wollen Sie uns eine Machbarkeitsstudie für eine App vorlegen, während die Hochschulen das wahrscheinlich selber besser könnten. Das machen wir nicht mit. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])