Matthi Bolte-Richter: „Außenpolitik ist heute mehr denn je Weltinnenpolitik“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Friedens- und Konfliktforschung

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir leben in global immer unruhigeren Zeiten: Der Irankonflikt droht zu eskalieren, der Einmarsch der Türkei in Nordsyrien. Das sind nur zwei Beispiele aus den letzten Wochen.
Wir erleben in allen Teilen der Welt akute gewaltsame Konflikte und eine Krise unserer multilateralen Ordnung. Konflikte irgendwo auf unserem Erdball haben nicht mehr nur eine lokale Auswirkung, sondern sie können zu tief greifenden Veränderungen führen: regional, kontinental und global. Außenpolitik ist heute mehr denn je Weltinnenpolitik.
Eine solche Weltinnenpolitik braucht eine starke wissenschaftliche Grundlage, um dauerhaften Frieden zu sichern. Sie folgt einem klaren Wertekompass. Dafür leistet die Friedensforschung einen unerlässlichen Beitrag, weil sie Ursachen von Konflikten offenlegt und diese überwinden will.
Seit Langem werden die großen Potenziale, die wir aus der deutschen Friedensforschung haben, verschenkt, weil die Friedensforschung selbst nur unzureichend gefördert wird und die Forschungsergebnisse zu wenig in Politik einbezogen werden.
Das haben die aktuellen Empfehlungen des Wissenschaftsrats aus dem Sommer gerade offengelegt. Der Wissenschaftsrat hat auch uns als politischen Akteurinnen und Akteuren kluge Handlungsempfehlungen mitgegeben.
Wir Grüne bringen diese Impulse jetzt hier ins Parlament ein und fordern, dass die Friedensund Konfliktforschung endlich angemessen gestärkt wird.
Der Wissenschaftsrat hat im Sommer wichtige Impulse dafür vorgelegt. Er fordert unter anderem eine starke Vernetzung innerhalb des Forschungsfeldes und insbesondere auch zu den Nachbardisziplinen, denn klar ist:
Wenn wir uns so ein Thema wie die Bewältigung und vor allem die Prävention von Konflikten und Gewalt im globalen Level vornehmen, ist das nicht nur Sache einer Disziplin und darf es auch nicht sein gerade in einer Zeit, in der viele Gewissheiten der globalen Zusammenarbeit infrage gestellt werden. Verfahren der multilateralen Zusammenarbeit werden immer wieder blockiert, teilweise auch einfach nur noch per Twitter.
Regionale Konflikte werden zu dauerhaften Krisen und entfalten eine große globale Wirkung, die sich dann natürlich auch hier bei uns niederschlägt.
Klimakrise und Digitalisierung führen zu gesellschaftlichen Veränderungen, die natürlich nicht konfliktfrei ablaufen. Beispiele gibt es heute schon zuhauf, auch Beispiele, wo sich Kriege durch neue Technologien verändern und zum Teil sogar noch verschärfen.
Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen ist mit Blick auf die Friedens- und Konfliktforschung ein ganz wichtiger Standort: mindestens im bundesweiten Vergleich, aber auch in Europa. Weil wir in Europa so stark sind, legen wir Ihnen heute einige Ansätze dafür vor, wie wir die Friedens- und Konfliktforschung an den Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen noch weiter stärken können.
Diese Stärkung muss durch die Länder, den Bund und durch die Europäische Union gemeinsam erfolgen, aber nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern vor allem durch eine stärkere ideelle Unterstützung.
Vieles von dem, was wir heute vorschlagen – wir haben es an der Stelle auch jeweils sehr vorsichtig formuliert –, liegt natürlich im Bereich wissenschaftlicher Eigenständigkeit, aber das bedeutet eben nicht, dass man sich jetzt zurücklehnen kann und Bemühungen nicht unterstützen könnte.
Nordrhein-Westfalen hat an mehreren Standorten etwa Forschungsbereiche der naturwissenschaftlich-technischen Friedens- und Konfliktforschung. Der Wissenschaftsrat rät insbesondere dazu, diese Felder, weil sie bisher noch zu wenig gefördert sind, zu stärken und bundesweit drei Standorte auszubauen.
Wir finden, Nordrhein-Westfalen sollte mindestens einen dieser Standorte haben, denn das Potenzial ist vorhanden. Lassen Sie uns einen gemeinsamen Appell an den Bund richten, aber auch hier bei uns auf der Landesebene die notwendigen Weichen stellen.
Wir brauchen eine Kartierung der Friedens- und Konfliktforschung, wie wir sie schon von den kleinen Fächern kennen. Das verschafft ungemeine Sichtbarkeit und stärkt die Vernetzung mit anderen Akteuren und Disziplinen. Nicht zuletzt verschafft es auch diesem wichtigen Forschungsfeld eine Sichtbarkeit gegenüber der Politik.
In Zeiten, in denen die Rüstungsausgaben und Exporte immer neue Rekordwerte erreichen, muss auch die Förderung der Friedens- und Konfliktforschung und insbesondere auch der Konfliktprävention neue Rekorde erreichen.
Wir brauchen in einer Welt, die unübersichtlich geworden ist, Alternativen. Wir brauchen Strategien, um zu deeskalieren, um langfristig Stabilität durch Friedens- und Entwicklungspolitik zu erreichen, denn den Nährboden von Konflikten trocknen wir nur aus, wenn wir international kooperieren.
Dafür stehen unsere wissenschaftlichen Think Tanks hier in Nordrhein-Westfalen. Sie stehen dafür, Ansätze zu entwickeln, wo multilaterales Handeln durch starke multilaterale Institutionen möglich ist.
Klar ist: In der heutigen Zeit können wir diese riesengroßen Herausforderungen nicht mehr alleine in den Nationalstaaten lösen. Wir müssen globale Kooperationen eingehen.
Nordrhein-Westfalen hat sich verpflichtet, diese sozial-ökologische Transformation, die nachhaltige menschenrechtsbasierte Zukunft voranzutreiben.
In dieser immer komplexer werdenden Welt brauchen wir Wissen und Kompetenz. Wir legen Ihnen heute Maßnahmen dazu vor, wie das aussehen kann. Ich freue mich sehr auf eine Debatte, die wir hoffentlich sehr stark parteiübergreifend führen. – Ich danke Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN)