Matthi Bolte-Richter: „Alle Studierenden sollten frei sein, auch mal ein Semester über etwas nachdenken zu können, nicht nur Gründerinnen und Gründer“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Urlaubssemester für Gründer*innen

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns im Ziel absolut einig. Wir Grüne wollen Gründerinnen und Gründern Freiräume an den Hochschulen verschaffen, damit sie ihre Innovationen im eigenen Unternehmen umsetzen können. Es ist auch richtig, anzuerkennen, dass Studierende dafür andere Maßnahmen brauchen als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Professorinnen und Professoren.
In diesem Antrag und in dem, was dahintersteckt, zeigt sich wieder eine gewisse Janusköpfigkeit der Landesregierung. Die eine Kopfseite – um im Bild zu bleiben – steht für die Innovationspolitik. Man kann sicher zugestehen, dass einige Ihrer Projekte auch für uns in Ordnung gehen; die werden Ihre Innovationspolitiker auch umgesetzt bekommen. Die andere Kopfseite steht für die Kulturministerin mit Nebentätigkeit in der Wissenschaftspolitik, die gerade ein Hochschulgesetz verantwortet, das zu einem absolut konservativen Rollback führen wird. Das passt nicht zusammen.
(Beifall von den GRÜNEN und Marcus Pretzell [fraktionslos])
Der Kollege Bell hat gerade auf erfolgreiche Beispiele hingewiesen, bei denen die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen eine gute Gründungsförderung organisieren. Wir kennen viele erfolgreiche Ausgründungen von den Hochschulen, die zeigen, dass es bereits gute Rahmenbedingungen gibt. Es ist aber auch vernünftig, zu prüfen, an welchen Stellen wir diese Rahmenbedingungen verbessern können.
Ein Urlaubssemester zur Umsetzung einer Gründungsidee ist an sich ein guter Vorschlag. Die Anerkennung von akademischen Gründerseminaren auf das Studium ist ebenfalls richtig und sollte auch dort möglich sein, wo das bisher nicht der Fall ist.
Ich wäre froh, wenn ich hier aufhören könnte, (Helmut Seifen [AfD]: Wir auch!)
aber da gibt es noch das Hochschulgesetz, mit dem Sie die Freiheit der Studierenden und damit auch der Gründerinnen und Gründer an den Hochschulen drastisch einschränken werden. Das passt nicht zu dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern. Es ist etwas schizophren, auf der einen Seite die Freiheit der Studierenden einzuschränken und sie auf der anderen Seite einzufordern.
Hören Sie auf, die Studierenden zu bevormunden! Mit der Anwesenheitspflicht oder mit den Studienverlaufsvereinbarungen wird das Studium dermaßen verschult, dass den Studierenden die Freiheit genommen wird, nebenbei kreativ und innovativ zu sein. Schon gar nicht können sie so ein Unternehmen hochziehen.
Eine Unternehmensgründung ist nicht möglich, wenn jemand die ganze Woche von früh bis spät in Veranstaltungen präsent sein muss. Eine Ausgründung ist nicht möglich, wenn sich Studierende nicht aussuchen können, auf welche Semester sie ihre Veranstaltungen und Prüfungen legen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wer ein Unternehmen gründet, ist später seine eigene Chefin oder sein eigener Chef. Da interessiert es nicht, ob der Abschluss ein oder zwei Semester nach der Regelstudienzeit erfolgt. Es ist ohnehin falsch, wenn CDU und FDP sich immer wieder hierhinstellen und den jungen Leuten einzureden versuchen, sie müssten unbedingt in der Regelstudienzeit den Abschluss schaffen.
Kluge Köpfe und junge Talente haben kein Problem, einen Arbeitsplatz zu bekommen, selbst wenn sie ein oder zwei Semester länger studiert haben. Wir brauchen an unseren Hochschulen Querdenker und keine reinen Klausurenschreiber.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich sagte es eingangs: Die Forderungen in Ihrem Antrag sind grundsätzlich in Ordnung. Wenn Schwarz-Gelb aber wirklich Freiraum für junge Menschen und attraktivste Rahmenbedingungen an den Hochschulen schaffen möchte, damit die Studierenden ihre Ideen in Geschäftsmodellen entwickeln und ausprobieren können, dann müssen Sie die Reform des Hochschulgesetzes stoppen. Das wäre effektiver und unbürokratischer. Alle Studierenden sollten frei sein, auch mal ein Semester über etwas nachdenken zu können, nicht nur Gründerinnen und Gründer.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben unsere Unterstützung für das Urlaubssemester; für den Antrag gibt es jedoch eine Enthaltung von uns. – Vielen Dank.