Matthi Bolte: „Hat das Register in Bremen tatsächlich einen Beitrag zur Sicherung der Freiheitsrechte geleistet?“

Antrag der Piraten für ein Register zu Videoüberwachung

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man nach Herrn Golland sprechen darf, ist das ja immer ein Vergnügen. Vor allem muss man sich im Vorfeld nicht unbedingt eine Rede zurechtlegen. Denn es reicht eigentlich, wenn man genau das Gegenteil von dem sagt, was er gesagt hat. Dann ist man eigentlich immer schon auf einer ganz guten Seite.
(Beifall von den PIRATEN)
Wir hören von Ihnen ja immer die Statements nach dem Motto: Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten. – Diese Haltung, Kollege Golland, ist nicht nur inhaltlich grundfalsch, sondern sie ist auch gefährlich, weil sie zum Teil an Grundfesten unseres Rechtsstaates rührt.
(Zuruf: So ein Quatsch!)
Wenn Sie hier erzählen, wenn man Bürgerrechte einfordert, dann sei das Misstrauen gegen den Staat, sage ich Ihnen: Kollege, das Grundrecht auf Sicherheit, das Sie hier immer herbeizitieren, gibt es so nicht. Das steht so nicht im Grundgesetz.
(Zuruf von den PIRATEN: Supergrundrecht!)
Aber dafür stehen im Grundgesetz jede Menge Freiheitsrechte. Vielleicht setzen Sie sich ja damit auch mal auseinander.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Es ist natürlich völlig legitim – da bin ich dem Kollegen Marquardt sehr dankbar –, sich kritisch mit Videoüberwachung auseinanderzusetzen. Videoüberwachung ist ein Grundrechtseingriff. Das haben wir auch in den zurückliegenden Debatten zu diesem Thema festgestellt.
Gerade in der Debatte über die Antwort auf die Große Anfrage 7 hat meine Kollegin Verena Schäffer das so klargestellt und vor allem den Blick gelenkt auf das wirklich brennende Problem der Videoüberwachung durch Private. Da geht es auch um keine Neuigkeit. Es ist auch keine Neuigkeit, dass der technische Fortschritt da neue Möglichkeiten eröffnet, was auch nicht immer im Sinne der Freiheit ist, weil viele Entwicklungen weitere Freiheitseinschränkungen mit sich bringen. Auch darüber haben wir gesprochen.
Videoüberwachung muss den Verhältnismäßigkeitsgeboten entsprechen. Sie muss dem Grundsatz der Datensparsamkeit genügen. Informationelle Selbstbestimmung heißt, dass Überwachung nicht dazu führen darf, dass jemand sein Verhalten ändert, weil er fürchten muss, dass dieses Verhalten als nicht normgerecht aufgefasst wird und ihm deswegen Nachteile drohen.
Das war jetzt eine längere Vorbemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ich fand sie angesichts meines Vorredners durchaus notwendig.
Zum Antrag der Piratenfraktion: Sie fordern die Einführung eines öffentlichen Registers über Videoüberwachung. Das wurde beispielsweise in Bremen vor einigen Jahren auch beschlossen und ist kürzlich an den Start gegangen.
Ich finde, man sollte sich durchaus die Erfahrungen, die dort gemacht wurden, anschauen. Man muss aber dann auch die Fragen stellen: Hat das tatsächlich einen Beitrag zur Sicherung der Freiheitsrechte geleistet? Wie oft wurde auf das Register zugegriffen? Gibt es Rückmeldungen von den Bürgerinnen und Bürgern darüber, wie das angenommen wird? Welchen Aufwand bringt das für öffentliche Stellen? Auch das ist hier thematisiert worden. Mit welchem Aufwand müssen sie rechnen, wenn sie die Daten zuliefern müssen? Das sind Fragen, die man im Ausschuss aus meiner Sicht durchaus kritisch und kontrovers diskutieren kann.
Aber wir müssen festhalten: Sie haben bereits eine Wasserstandsmeldung darüber, wie es um die Videoüberwachung in Nordrhein-Westfalen steht.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Das wissen Sie aus der Antwort auf die Große Anfrage, die ich gerade zitiert habe. Auch wenn Ihnen das Ergebnis nicht gefallen hat, haben wir da doch einen Grundstock an Daten. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, soll dieser Datensatz jetzt fortgeschrieben werden unter anderen Modi Operandi. Das müssen wir aus meiner Sicht aber klären. Ich habe es so wahrgenommen, dass es davon durchaus unterschiedliche Verständnisse gibt.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schulz?
Matthi Bolte (GRÜNE): Ja, klar.
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön.
Dietmar Schulz (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank, Herr Kollege Bolte, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie hatten gerade gesagt, dass man bezogen auf Bremen einmal prüfen müsse anhand einer Zugriffszahl auf dieses Register, ob und inwieweit das dem Grundrecht auf Freiheit, dem Menschenrecht auf Freiheit in irgendeiner Form vorteilhaft zugute kommt. Würden Sie, Herr Kollege Bolte, Freiheitsrechte als messbare Größe ansehen?
Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Kollege Schulz, vielen Dank für diese Frage. Sie fragen mich, ob man Freiheit messen kann. Das ist natürlich Quatsch, diese Frage so zu stellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich gehe, ehrlich gesagt, davon aus, dass Sie mich intellektuell verstanden haben. Denn so schätze ich Sie zumindest ein für diese Basisoperation, dass Sie dazu in der Lage sind. Ich habe gesagt: Es gibt ein solches Register, wie Sie das vorschlagen, in Bremen. Wenn Sie so einen Vorschlag machen, kann man sich zumindest die Erfahrungen angucken, die damit in Bremen gemacht wurden.
Ich finde, das ist durchaus legitim, das so zu sagen. Das ist auch keine Abqualifizierung irgendwelcher Freiheitsrechte. Ich habe auch nicht irgendwelche seltsamen Formeln aufmachen wollen oder Ähnliches. Ich bin mir ziemlich sicher, Sie haben mich da verstanden und wollten jetzt in dieser Debatte noch ein bisschen rumtrollen. Das können Sie meinetwegen gerne machen.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
Aber da muss ich doch sagen: Ich glaube, Sie haben durchaus verstanden, was ich da wollte.
Letzte Bemerkung zu Ihrem Antrag: Was ich tatsächlich schwierig fand, war Ihre Vorstellung zum LDI. Auch das ist an einigen Stellen in der Debatte durchgekommen. Sie versuchen, eine Behörde, die ihrem Aufbau, ihrer Struktur und ihrem Auftrag nach derzeit ex post prüft, auf ex ante zu drehen. Da, muss ich zugeben, habe ich gewisse Bauchschmerzen, auch weil der LDI ja selber in den Debatten, die wir in der jüngeren Vergangenheit hatten, bei denen wir ihn auch im Innenschuss gehört haben, immer wieder vor einer solchen Entwicklung gewarnt hat und auch immer gesagt hat, dass das eigentlich zu seinem Verständnis seiner Aufgabe nicht passt. Insofern habe ich da gewisse Bauchschmerzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt einige Fragen aufgemacht, die wir im Ausschussverfahren diskutieren können. In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen im Innenausschuss. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Daniela Jansen [SPD] sowie Hans-Willi Körfges [SPD])

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