Matthi Bolte: „Die Verordnung beendet den Abwärtstrend bei den Datenschutzstandards!“

Antrag von SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Datenschutzstandards

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1995 waren in Deutschland 250.000 Menschen online, hatten einen Zugang zum Internet, das man damals noch nicht mit Google durchsuchte. Es dauerte damals noch fast zehn Jahre, bis es Facebook geben würde. Es ist also ein paar Tage her. Aber es ist das Jahr, aus dem die Europäische Datenschutzrichtlinie stammt, die jetzt mit der Datenschutzgrundverordnung abgelöst und ins digitale Zeitalter überführt werden soll. Das ist ein wichtiger und ein guter Schritt. Ich möchte das gerne an drei Zielen des Verordnungsentwurfs illustrieren.
Das erste ist das Instrument der Verordnung. Die Verordnung gibt erstmals einen einheitlichen Rechtsrahmen für Europa vor, und sie beendet vor allem den Abwärtstrend bei den Datenschutzstandards in der nationalen Gesetzgebung. Ich glaube – das ist auch in unserem Papier so erwähnt –, dass die Möglichkeit für Nationalstaaten, auch für Regionen erhalten bleiben sollte, im Rahmen der Verordnung eigene Akzente zu setzen – das ist gerade auch schon vom Kollegen Schlömer illustriert worden.
Aber diese eigenen Akzente sollten nur eine Richtung kennen, nämlich nach oben im Sinne des Datenschutzes und im Sinne hoher Datenschutzstandards. Wir stehen da für die Devise: Top-Runner statt Race to the Bottom.
Die Verordnung ermöglicht es Unternehmen, nicht mehr zwischen verschiedenen Staaten zu wechseln und sich jeweils die niedrigsten Datenschutzstandards zu suchen. Das ist eine Entwicklung, die wir leider in den letzten Jahren immer wieder gesehen haben. Der Reformvorschlag sieht stattdessen vor, dass europäisches Datenschutzrecht gilt, sobald Daten von Europäerinnen und Europäern verarbeitet werden – unabhängig vom Sitz des Unternehmens.
Mit der einheitlichen Regelung lassen sich zweitens hohe Standards auch im internationalen Kontext eher durchsetzen, als wenn jeder europäische Staat für sich den Global Playern gegenübertritt und für sich genommen den Kampf um hohe Datenschutzstandards aufnehmen würde. Wenn sich Europa geschlossen aufstellt, dann ist es eher möglich, dass die hohen Datenschutzstandards, die wir befürworten, und die mit der Verordnung kommen sollen, durchschlagskräftig verankert werden. Insofern ist das auch zu begrüßen.
Beim dritten Punkt wird es wirklich spannend, denn die Durchsetzung der Standards erhält einen Rechtsrahmen, der so gestaltet ist, dass er auch wirklich wirksam ist. Ich spiele damit insbesondere auf die Frage der Sanktionen an. Das ist endlich vernünftig ausgestaltet. Wer gegen Datenschutz verstößt, kann nach dem Verordnungsentwurf in einem empfindlichen Maß zur Kasse gebeten werden. Das ist ganz richtig so.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Im Fall Lidl waren am Ende 1,5 Millionen € Strafe fällig. Mit dem Reformvorschlag, der eine Deckelung auf 2 % des Jahresumsatzes vorsieht, wären es bei einem Jahresumsatz von knapp 31 Milliarden € in diesem Fall 600 Millionen € gewesen. Es handelt sich also um eine völlig andere Dimension.
Es gibt auch Punkte, an denen wir uns als Grüne Nachbesserungen vorstellen können. Nutzerinnen und Nutzer sollen detailliert darüber informiert werden – das sieht der Verordnungsentwurf jetzt schon vor –, was mit ihren Daten passiert. Aber es gibt sicherlich noch Möglichkeiten, das etwas transparenter zu gestalten, zum Beispiel durch standardisierte Symbole. Ich glaube, in diesem Haus wird die Erfahrung geteilt, dass nicht jede und jeder die AGB und die Datenschutzbestimmungen in ganzer Fülle liest.
Verbraucherinnen und Verbraucher werden gegenüber den Unternehmen mächtig gemacht. Das ist gut so und ein guter Grundsatz, auch weil der Grundsatz der Datensparsamkeit, den wir aus dem deutschen Datenschutzrecht kennen, sowie der Grundsatz „Privacy by default“ festgeschrieben werden. Dabei handelt es sich also grundsätzlich um datenschutzfreundliche Voreinstellungen und Grundbedingungen.
Es gibt einige weitere kritische Punkte wie die delegierten Rechtsakte oder die Strukturen der Datenschutzaufsicht, die wir in unserem Antrag aufgreifen, aber auch aktuelle Diskussionen wie die Debatte über das Recht auf Vergessen-Werden. Wir sollten diese in der weiteren Befassung aufnehmen.
Zu vergessen ist auch das Verhalten der Bundesregierung in diesem Punkt. Dass Herr Friedrich nicht unbedingt ein progressiver Bürgerrechtspolitiker ist, wissen wir. Dass der CSU eigentlich alles suspekt ist, was aus Brüssel kommt, wissen wir auch. Aber dass die Bundesregierung bei einem so wichtigen Thema für Europa immer auf der Bremse steht, finde ich wirklich misslich und sehr störend. Da müssen wir dringend ein entschiedenes Zeichen setzen, dass wir als Landtag von Nordrhein-Westfalen für diese Reform sind.
Der Bundesinnenminister wird immer mehr zum Risiko der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger. So sollte Frau Aigner vielleicht einmal anfangen, sich mit ihrem Kollegen zu beschäftigen anstatt mit ihren wirkungslosen und populistischen Kampagnen gegen Facebook.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Appell zum Abschluss: Wir möchten – das beabsichtigen wir auch mit dem breit angelegten Ausschussverfahren –, dass sich viele von Ihnen mit dieser neuen Datenschutzverordnung beschäftigen. Denn ich glaube, dass die Datenschutz-Grundverordnung eines Tages für viele Bürgerinnen und Bürger ein Beispiel sein wird, weshalb sich Europa lohnt und weshalb Europa große Vorteile und Freiheiten bringt. Auch deshalb sollten wir sie gemeinsam zum Erfolg führen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)