Matthi Bolte: „Die Schriftsteller haben recht damit, die Demokratie in der digitalen Welt im gleichen Maße wie in der analogen Welt zu verteidigen.“

Antrag der Piraten zum Aufruf der Schriftsteller gegen die NSA-Überwachung

Matthi Bolte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! E-Mail-Konten, das Tor-Netzwerk, unsere Klicks auf Facebook und YouTube, inzwischen sogar die Angry Birds – nichts scheint derzeit mehr sicher zu sein vor der Ausspähung durch Geheimdienste wie NSA, GCHQ und wie sie alle heißen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Mensch, der immer und überall Überwachung und Beobachtung fürchten muss, ist nicht frei. Das ist für mich die wichtigste Botschaft aus dem vorliegenden Aufruf. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir Grüne den Aufruf „Writers Against Mass Surveillance“, den wir – das wissen sicherlich einige von Ihnen – auch in den Deutschen Bundestag eingebracht haben.
Seit Dezember 2013 protestieren Hunderte Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus 83 Ländern, darunter fünf Literaturnobelpreisträger, mit einem internationalen Aufruf gegen die systematische Überwachung durch verschiedene Geheimdienste. Die Schriftsteller rufen dazu auf, die Demokratie in der digitalen Welt im gleichen Maße wie in der analogen Welt zu verteidigen. Damit haben sie recht, meine Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es wird in dieser Debatte immer wieder betont, dass die Pflichten aus der Offlinewelt, wie wir sie kennen, in der Onlinewelt genauso gelten müssen. Das ist sicherlich nicht falsch. Aber es geht doch erst dann auf, wenn wir uns auch klar zur Geltung aller Rechte, insbesondere der Grund- und Freiheitsrechte, on- wie offline bekennen.
(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schriftstellerinnen und Schriftsteller – eben wurde infrage gestellt, ob wir dafür eigentlich zuständig sind – richten sich natürlich an die Vereinten Nationen. Sie richten sich an Regierungen, sie richten sich an Konzerne. Aber auch wir als Parlament tun gut daran, uns mit ihnen zu solidarisieren und den Aufruf anzuerkennen.
Der Appell der Schriftstellerinnen und Schriftsteller geht aber auch an die Bürgerinnen und Bürger, diese Rechte zu verteidigen. Freiheitsrechte erwachsen auch daraus – darin stimmen wir überein –, dass sie angenommen, dass sie gelebt werden. Wenn wir mit öffentlichen Stellen unseren Beitrag dazu leisten können, indem wir zum Beispiel Fähigkeiten im Bereich der Medien oder Datenschutzkompetenz fördern, dass es möglich wird, diese Freiheitsrechte im digitalen Zeitalter zu nutzen, dann leisten wir diesen Beitrag gern, weil es uns wichtig ist, dass wir auch im digitalen Zeitalter informierte und mündige Bürger haben.
Herr Kollege Sternberg, bei aller Harmonie, die wir in dieser Debatte gerade ausstrahlen, muss ich Sie ein Stück weit korrigieren: Auch wer Daten preisgibt, auch wer private Daten, wer private Bilder, Erlebnisse, Ansichten öffentlich preisgibt, auch der verdient einen staatlichen Schutzrahmen. Es ist mir wichtig, das an dieser Stelle zu betonen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, auch wenn wir mit unserem gemeinsamen Änderungsantrag einige Präzisierungen vorgenommen haben: Der Gedanke der Schriftstellerinnen und Schriftsteller ist richtig und sinnvoll, dass eine Verständigung auf internationaler Ebene herbeigeführt wird. Das wollen wir unterstützen. Das wollen wir vorantreiben. Da finde ich es doch interessant, dass jetzt plötzlich die CDU mit der Forderung nach einer internationalen Konvention der digitalen Rechte auftaucht. „Wow!“ habe ich gedacht, die CDU. Sie haben auf Bundesebene monatelang an der Chimäre namens No-Spy-Abkommen herumgedoktert. Sie haben dieses No-Spy-Abkommen vor die Wand gesetzt. Sie haben auf der europäischen Ebene die letzten Jahre im Wesentlichen damit vollmacht, die europäische Datenschutzreform entweder zu verwässern oder zu verzögern.
Vor diesem Hintergrund wird in Ihrem Entschließungsantrag klar: Sie produzieren heute schöne Überschriften, nette Luftblasen. Aber das hat doch keine Substanz. Von daher kann ich nur sagen: Wenn Sie eine Idee haben, was in einer solchen Konvention stehen könnte, wenn Sie eine Idee für eine übergreifende Charta der digitalen Rechte haben, dann können wir gerne darüber reden. Es ist sicherlich ein ganz spannender Prozess, was genau am Ende darin stehen soll.
Aber das, was heute kommt, sind, wie gesagt, nicht mehr als Überschriften. Wenn Sie Substanz vorlegen möchten, dann können Sie das gerne tun. Aber das, was Sie heute als Entschließungsantrag vorgelegt haben, das sollten Sie am besten zurückziehen. Das wäre die sauberste Lösung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich würde gerne schließen mit einem Zitat des eben schon angesprochenen Ilija Trojanow.
(Zuruf von Karlheinz Busen [FDP])
– Herr Busen, nur weil Sie sich nicht mit der digitalen Welt auseinandersetzen möchten, müssen Sie hier keine so unflätigen Zwischenrufe machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das versprochene Zitat von Ilija Trojanow lautet:
„Es ist selbstverständlich, dass wir jene Freiheitsrechte, die wir in einem jahrhundertelangen Kampf in der analogen Welt erfochten haben, jetzt auf die digitale Welt übertragen. Das ist eigentlich banal. Die spannende Frage ist, warum das nicht generell akzeptiert und umgesetzt wird.“
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)