Matthi Bolte: „Datenschutz ist Schutz der Selbstbestimmung und Schutz der Menschenwürde“

GRÜNEN-Antrag zum Datenschutz

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es wird in der letzten Zeit immer wieder das Bild bemüht: Daten sind das Öl des digitalen Zeitalters. – Wenn das so ist, dann sollten wir auch aus der Vergangenheit lernen. Denn wenn Daten das digitale Öl sind, dann brauchen wir Umweltschutzstandards. Dann brauchen wir doppelwandige Öltanker, Emissionsvorschriften und manchmal auch Vorgaben zu Verbrauchswerten.
Denn Datenschutz, das ist kein überholtes Konzept. Wir brauchen ihn mehr denn je. Ohne die Selbstbestimmung über die Art und Weise der Informationsverarbeitung werden die Menschen zu fremdbestimmten Objekten, die nur noch berechnet werden, bei denen vorausgesagt werden kann, was als Nächstes kommt, was wir denken, was wir tun werden, welche Bedürfnisse und Probleme wir haben.
Das merken wir heute schon, meine Damen und Herren, wenn uns plötzlich im Internet bestimmte Zahlungsmethoden nicht mehr angezeigt werden, weil irgendein Algorithmus vermutet, dass unsere Kreditkarte vielleicht nicht gedeckt sei oder unsere Rechnung nicht bezahlt werden könnte. Das liegt dann nicht einmal unbedingt an unserem eigenen Verhalten, an unserer eigenen Zahlungsfähigkeit, sondern manchmal auch einfach nur an dem Wohngebiet, in dem wir leben, oder an dem von uns verwendeten Gerät.
Das bedeutet: Datenschutz ist Schutz der Selbstbestimmung und Schutz der Menschenwürde und nicht einfach nur ein Verbraucherschutzrecht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, den Schutz der Menschenwürde bringt uns die europäische Datenschutzreform. Sie ist für mich ein weiterer Beweis dafür, dass mehr Europa für uns alle etwas Gutes bringt. Die europäische Einigung bringt uns nicht nur Frieden, Wohlstand und eine Million Erasmus-Babys, sie bringt uns auch einen wirksamen Rechtsrahmen für den Schutz unserer Privatsphäre im digitalen Zeitalter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Datenschutzgrundverordnung, die im Kern der europäischen Datenschutzreform steht, bringt uns Vorteile in drei Dimensionen:
Sie bringt uns mehr Rechte für die Betroffenen. Sie bringt uns mehr Transparenz, und sie bringt weniger Bürokratie. Sie bringt endlich einen einheitlichen Rechtsrahmen, einen hohen Datenschutzstandard für 550 Millionen Bürgerinnen und Bürger.
Unternehmen können sich nicht mehr das Land mit dem niedrigsten Standard und der schwächsten Aufsicht für ihren Sitz aussuchen. Sie bringt Verbraucherinnen und Verbrauchern das Recht auf Vergessen und das Recht auf Datenportabilität.
Sie sorgt dafür, dass es endlich eine konkrete und informierte Einwilligung geben muss. Die Einwilligung darf in Zukunft nicht mehr an die Verarbeitung von Daten gebunden sein, die mit dem eigentlichen Dienst nichts zu tun haben. Viele von uns, denke ich, kennen die Taschenlampen-App, die in Zukunft nicht mehr verlangen darf, dass sie auch auf das Adressbuch zugreifen kann.
Diese Reform bringt uns auch weniger Bürokratie. Das ist schließlich auch der Anlass für den Antrag gewesen. Es ist mir auch wichtig, an dieser Stelle immer wieder zu betonen, dass sie uns weniger Bürokratie bringt, gerade weil immer wieder von Unternehmensverbänden der Umstellungsaufwand und vermeintliche Rechtsunsicherheiten beklagt werden. Bisher ist es nämlich so, dass nur 15 % der Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten laut einer Bitkom-Umfrage angeben, dass sie die Reform zum Stichtag umgesetzt haben werden. Aber die Reaktion kann jetzt nicht sein, dass man diese Standards noch einmal infrage stellt, sondern stattdessen müssen Unternehmen bei der Umsetzung unterstützt werden.
Denn der einheitliche Rechtsrahmen bedeutet eben weniger Bürokratie. Es gibt nur einen einzigen Standard, und der gilt für ganz Europa. Unternehmen müssen sich nicht mehr an 28 verschiedene Gesetze halten.
Die Reform bringt uns eine einheitliche Rechtsdurchsetzung. Es gibt einen europäischen Datenschutzausschuss, der die einheitliche Anwendung sicherstellt. Bei Fällen von europaweiter Bedeutung kann dieser Ausschuss auch unabhängig bindende Entscheidungen treffen, wie wir es auch von den nationalen und regionalen Behörden gewohnt sind.
Es gibt für alle Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen auch einen festen Ansprechpartner nach dem One-Stop-Shop-Ansatz. Wer sich beschweren möchte, kann sich an seine heimische Aufsicht wenden, auch wenn der Datenschutzverstoß in einem anderen Land passiert ist.
Das sind, meine Damen und Herren, immense Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Unternehmen, und alle Beteiligten – da bin ich mir sicher – werden von dieser Reform profitieren.
Aber wir müssen sie gut umsetzen, und das geht am besten gemeinsam. Neue Regeln müssen nämlich nicht nur rechtlich implementiert werden – auch da haben wir ja noch eine ganze Menge vor uns –, sie müssen auch gelebt werden. Darum möchte ich gerne die Kolleginnen und Kollegen, die nach mir sprechen und die im weiteren Verfahren beteiligt sein werden, herzlich einladen. Wir haben unseren Antrag ja an vielen Stellen bewusst offen formuliert. Wir haben auch auf Angriffe etwa auf die Bundesregierung verzichtet, auch wenn die an einigen Stellen fachlich durchaus möglich gewesen wären.
Ich möchte mit Ihnen gemeinsam gern daran arbeiten, die Datenschutzreform bei uns im Land, bei uns in Nordrhein-Westfalen zum Erfolg zu führen. Ich hoffe, dass wir eine gemein-same Grundlage in unserem Antrag finden können. Lassen Sie uns also gern im Anschluss an diese Debatte oder im Ausschuss darüber sprechen, wie wir gemeinsam zu guten Wegen kommen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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