Matthi Bolte: „Das Leistungsschutzrecht reiht sich 1:1 in eine bald vierjährige Periode ein, in der Schwarz-Gelb den digitalen Wandel von vorne bis hinten verschlafen hat.“

Antrag der Piraten zum Leistungsschutzrecht

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schick, das war jetzt wirklich billig. Sie stellen sich hierhin und fragen: Warum hat die Landesregierung dieses Gesetz nicht aufgehalten? Warum ist dieses Gesetz zustande gekommen? Das ist doch die Frage, die Sie beantworten müssten. Dieses Gesetz ist zustande gekommen, weil es ein Werk der schwarz-gelben Merkel-Koalition ist. Das ist doch der Punkt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Leistungsschutzrecht reiht sich 1:1 in eine bald vierjährige Periode ein, in der Schwarz-Gelb den digitalen Wandel von vorne bis hinten verschlafen hat. Die Merkel-Koalition versagt beim Breitband. Sie hat – das zeigt sich doch ganz aktuell, Stichwort Telekom – die Sicherung der Netzneutralität vergeigt. Einige Koalitionäre – ich finde, das ist fast das Schlimmste – haben Erika Steinbach zum Twittern gebracht. Jetzt kommt das Leistungsschutzrecht, mit dem die Merkel-Koalition gezeigt hat, dass sie auch netzpolitisch die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten ist.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Wir haben immer angezweifelt, ob ein Leistungsschutzrecht das geeignete Rechtsinstrument ist, um das allseits gewünschte Ziel eines fairen Interessenausgleichs zwischen allen Beteiligten zu erreichen. Ein Leistungsschutzrecht schützt nach seiner bisherigen Verwendung eine eigenständige schöpferische Leistung, die nicht durch das Urheberrecht abgedeckt ist. Und dieses Institut soll nun sachfremd nach dem Willen der Bundesregierung auf verlegerische Leistungen ausgedehnt werden.
Das Leistungsschutzrecht dient auch nicht denen, denen es dienen soll. Nicht umsonst gab es die Kritik von den Journalistinnen und Journalisten, die Sie, Schwarz-Gelb, in Berlin von vorne bis hinten durch das ganze Verfahren ignoriert haben. Es hilft nicht den Journalistinnen und Journalisten. Es hilft nicht den kleinen Verlagshäusern, sondern es wird die Marktmacht der großen Häuser gestärkt und der Konzentrationsprozess beschleunigt.
(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])
Schließlich ist auch das Leistungsschutzrecht nicht im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer. Das Leistungsschutzrecht wird zu massiver Rechtsunsicherheit führen. Es wird das Problem der Massenabmahnungen verschärfen,
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
gegen das Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative aus guten Gründen gestartet hat.
Dass von der schwarz-gelben Koalition kurz vor Toresschluss noch ein paar Änderungen reinkamen, Herr Schick – auch das haben Sie angesprochen –, hat an diesem Gesetz nichts mehr verbessert. Im Gegenteil, es hat alle Probleme noch einmal deutlich verschärft.
Meine Damen und Herren, wenn ich sage, das Leistungsschutzrecht ist ein Werk der schwarz-gelben Koalition von Frau Merkel, dann heißt das auch: Nach dem 22. September und mit einer neuen Mehrheit im Deutschen Bundestag werden die Karten neu gemischt. Es gilt dort, den Diskurs sachlich fortzusetzen.
Wir haben in der Vergangenheit – auch im Ausschuss für Kultur und Medien, Herr Schwerd; Sie waren doch an einigen Diskussionen schon beteiligt – in den Gremien Diskussionen darüber geführt, wie wir es schaffen, dieses Ziel, das alle im Munde führen, „fairer Interessensausgleich für alle“, auch Realität werden zu lassen. Darüber haben wir doch diskutiert. Wir müssen nach vorne darüber diskutieren. Ich hoffe, dass sich viele daran auch beteiligen.
Wir wissen, dass es eine lebensnotwendige Funktion von Medien und Meinungsvielfalt in unserer Demokratie gibt. Da reden wir nicht mehr nur über das Urheberrecht, sondern da reden wir über das große Ganze. Da reden wir über alle Arbeitsbedingungen, die für journalistische Arbeit im digitalen Zeitalter einschlägig sind, und auch über alle Herausforderungen, die im digitalen Zeitalter einschlägig sind.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Düngel zulassen?
Matthi Bolte (GRÜNE): Gerne.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann los!
Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank, lieber Matthi Bolte. Wir haben gerade gehört, dass schon einiges zu dieser Thematik im Ausschuss besprochen wurde. Ich möchte konkret nachfragen, da ich diesem Ausschuss nicht angehöre: Ist da auch über die Option gesprochen worden, dass das rot-grün geführte Nordrhein-Westfalen im Bundesrat dem Leistungsschutzrecht zustimmt?
Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Kollege, ich habe gerade skizziert, dass es in der Debatte nicht alleine um Verfahrensfragen ging, sondern dass es insbesondere – das fand ich auch in Ordnung, dass die Diskussion in der Sitzung im März in dieser Richtung geführt wurde – um das breite Feld ging: Wir stellen wir Randbedingungen für journalistische Werke im digitalen Zeitalter auf, damit es einen fairen Interessensausgleich gibt?
Sie können sich mit den Kollegen Schwerd und Lamla darüber unterhalten, die in der Sitzung anwesend waren. Wir haben, bevor wir in die Befassung Ihres Antrags im Ausschuss eingestiegen waren, über eine sehr umfangreiche Studie über die Zukunft und den gegenwärtigen Stand des Lokaljournalismus in Nordrhein-Westfalen diskutiert. Wir wissen, ich habe es eben skizziert: Demokratie braucht Medien- und Meinungsvielfalt. Wir sehen, gerade auf der lokalen Ebene gibt es nun einmal Handlungsbedarf. Da gibt es Probleme.
Wenn man diese Diskussion konstruktiv führt, dann zeichnen sich einzelne Baustellen ab, auf die es Antworten zu finden gilt. Es wird beispielsweise auch im Landesmediengesetz einige Punkte geben, die sich damit befassen, wie wir Rahmenbedingungen für journalistische Arbeit im digitalen Zeitalter schaffen, wie wir insbesondere den Journalismus vor Ort stärken können. Ich glaube, das ist eher die Frage, über die wir diskutieren müssen. Insgesamt ist in dieser Verfahrensdebatte auch schon sehr viel gesagt worden.
Meine Damen und Herren, ich habe eben den Arbeitsprozess auf die Zwischenfrage des Kollegen Düngel hin schon skizziert. Ich habe skizziert, welche Herausforderungen es gibt, wie groß die Herausforderungen sind. Und ich habe gesagt, dass wir daran arbeiten werden.
Wir schließen uns gerne – das hat Herr Vogt auch schon ausgeführt – Ihren Argumenten gegen das Leistungsschutzrecht an und werden entsprechend dem ersten Punkt Ihres Antrags zustimmen. Bei dem anderen tun Sie aus meiner Sicht Ihre pflichtschuldige Arbeit als Oppositionsfraktion. Ich hoffe, dass Sie darüber hinaus bereit sind, sich in die Diskussion wieder sachlich und mit Sachverstand einzubringen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)