Matthi Bolte: „Da ist die Grenze des rechtsstaatlich Verhältnismäßigen nicht erreicht, sondern weit überschritten“

Antrag der GRÜNEN Fraktion gegen Staatstrojaner

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Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, mit dem wir klar Nein sagen zur deutlichen Ausweitung von Quellentelekommunikationsüberwachung und Onlinedurchsuchung, wie sie vor kurzer Zeit im Deutschen Bundestag beschlossen worden ist.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Was in Berlin vorgelegt wurde, ist ein Angriff auf zentrale Grundrechte, es ist unverhältnismäßig, und es ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Das alles passiert, meine Damen und Herren, während CDU und SPD in Berlin die Vorratsdatenspeicherung, ein anderer massiver Angriff auf die Grundrechte, um die Ohren fliegt. Das passiert als Annex zu einer StPO-Reform, bei der es eigentlich nur um das Fahrverbot als Nebenstrafe gehen sollte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn der Bundesinnenminister stets etwas anderes behauptet und seine Verbündeten von CDU und SPD ihm dabei auch munter beispringen, ist es rechtlich wie technisch etwas völlig anderes, ob man eine SMS auf dem Leitungsweg abfängt oder ob man ein Mobiltelefon hackt.
(Bodo Löttgen [CDU]: SMS schon, WhatsApp nicht!)
– Herr Löttgen, Ihre Fraktion hat ja auch gleich Redezeit.
Rechtlich ist der Unterschied ganz klar: Der eine Vorgang ist im Wesentlichen ein Eingriff in Art. 10 – das ist klar geregelt –, das andere ist ein Eingriff in die Integrität eines informationstechnischen Systems, also in das Computergrundrecht.
Technisch ist es deutlich diffiziler. Bei der – in Anführungszeichen – „klassischen“ Telekommunikationsüberwachung ist gewährleistet, dass allein das gesprochene oder geschriebene Wort abgefangen wird. Bei Quellentelekommunikationsüberwachung und Onlinedurchsuchung haben die Ermittler möglicherweise – bzw. im Fall der Onlinedurchsuchung definitiv – vollständigen Zugriff auf die auf dem Smartphone gespeicherten Informationen.
Wenn man sich vergegenwärtigt, was man selbst auf einem Smartphone gespeichert hat, dann weiß man sehr genau um die grundrechtliche Eingriffsqualität, wie tief das in unser aller Privatsphäre hineinreicht.
Meine Damen und Herren, wir Grüne wollen die Sicherheitsbehörden bestmöglich ausstatten. Dazu gehört natürlich auch eine Ausstattung an rechtlichen Befugnissen. Aber diese rechtlichen Befugnisse müssen immer verhältnismäßig sein. Und diese Verhältnismäßigkeit, dieses Urversprechen des demokratischen Rechtsstaats, ist beim massenhaften Einsatz des Staatstrojaners nicht gegeben.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
– Herr Löttgen, es geht um einen massenhaften Einsatz. Es geht um ein Instrument, dem das Bundesverfassungsgericht klare Grenzen gesetzt hat, das immer im Kontext von Terrorismusbekämpfung und der Verfolgung schwerer Straftaten diskutiert wurde. Dieses Instrument soll jetzt im Fall der Quellen-TKÜ für 38 zusätzliche Straftatbestände geöffnet werden. Und da geht es nicht um Terror und Mord, da geht es um Drogendelikte und Sportwettenbetrug.
(Bodo Löttgen [CDU]: Ist ja nicht so schlimm!)
Da ist die Grenze des rechtsstaatlich Verhältnismäßigen nicht erreicht, sondern weit überschritten.
Die „Zeit“ schreibt in der Bewertung: „Die Kanone wird zur Standardwaffe“ – auch gegen Spatzen. Der Staat soll zum größten aller Hacker werden. Das ist der Plan von CDU und SPD im Bundestag. Sie schwächen damit den IT-Standort Deutschland. Letzten Endes fallen sie sogar der Kanzlerin in den Rücken, die nach den Enthüllungen von Edward Snowden immer nur „Verschlüsseln, verschlüsseln“ predigt.
(Gregor Golland [CDU]: Das ist jetzt ganz großes Kino!)
Und jetzt wollen sie genau dieser verschlüsselten Kommunikation an den Kragen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, dem müssen wir dringend einen Riegel vorschieben. Deshalb fordern wir heute die Landesregierung auf, keine landesgesetzlichen Grundlagen für einen NRW-Trojaner zu schaffen. Vielleicht widersteht ja die FDP dem Druck aus der Law-and-Order-Fraktion der CDU, die gleich nach mir sprechen wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Besser wäre natürlich, wenn Herr Lindner, der ja in dieser Frage den Mund ordentlich voll genommen hat, dem auch Taten folgen ließe. Wir sind da sehr gespannt, Herr Lindner, ob Sie halten, was Sie versprochen haben, solange Sie noch hier sind. Am besten wäre natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Ministerpräsident seine Ankündigung wahrmachen und Einfluss in Berlin nehmen würde. Ich wünsche mir dann, dass Sie diesen Einfluss für etwas Sinnvolles geltend machen, dass Sie auf die Rücknahme des Staatstrojaners bestehen und dass Sie damit den Grundrechtsschutz für 18 Millionen Nordrhein-Westfälinnen und Nordrhein-Westfalen gewährleisten. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)