Martina Maaßen: „Entgegen der Wahrnehmung der FDP ist beim sozialen Arbeitsmarkt die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt das Ziel.“

Antrag der FDP zur besseren Betreuung von Langzeitarbeitslosen

Martina Maaßen (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es stimmt, die Zahl der SGB-II-Arbeitslosen in NRW befindet sich nach wie vor unverändert auf einem hohen Niveau. Wir liegen über dem Bundesdurchschnitt. Ja, es ist richtig, dass Qualifizierung ein Schlüssel zur Überwindung von Arbeitslosigkeit ist. Und ja, wir brauchen mehr sozialorientierte Unternehmen, die öffentlich geförderte Arbeitsplätze anbieten. Dies ist aber auch schon alles an Übereinstimmung mit dem FDP-Antrag.
Die FDP will mehr Qualifizierung. – Ich muss Ihnen sagen, Herr Alda, da tun mir aber meine Ohren weh. Denn es war die FDP, die während ihrer Regierungsbeteiligung die Mittel der Jobcenter für die Eingliederungsmaßnahmen massiv zusammengestrichen hat. Die Mittel, Herr Kerkhoff, sind nicht gleich geblieben; sie sind von 6,6 Milliarden € auf 3,9 Milliarden € gekürzt worden.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Die Folge ist weniger Qualifizierung, weniger Weiterbildung und die Einschränkung öffentlich geförderter Beschäftigung.
Die Betrachtung des Arbeitsmarkts und der Situation langzeitarbeitsloser Menschen greift im FDP-Antrag zu kurz. Der deutsche Arbeitsmarkt ist ein Stück weit erstarrt, teilweise von Angst und prekärer Beschäftigung geprägt. Die Angst der Beschäftigten vor Arbeitslosigkeit ist weiterhin da. Um ihren Arbeitsplatz zu erhalten, sind sie zu größeren Opfern bereit. Die Bereitschaft, Arbeitnehmerrechte wahrzunehmen, verringert sich. Niedrige Einstiegslöhne und Befristungen machen Arbeitsgeberwechsel unattraktiv. Nicht beachtet werden auch die Besonderheit des Arbeitsmarkts in NRW und die spezifischen Problemlagen der langzeitarbeitslosen Menschen.
Die vergleichsweise ungünstige Entwicklung der Fallzahlen in Nordrhein-Westfalen ist im Wesentlichen das Ergebnis zweier Faktoren: einer geringeren Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarkts für Arbeitssuchende aus dem SGB II sowie der spezifischen Zusammensetzung der Gruppe der Leistungsberechtigten.
In Nordrhein-Westfalen sind Personengruppen mit einem überdurchschnittlich hohen Risiko zum Langzeitleistungsbezug im SGB II überrepräsentiert. Das betrifft etwa große Bedarfsgemeinschaften mit fünf oder mehr Personen, Ausländerinnen und vor allem Arbeitslose ohne Berufsausbildung.
Hinzu kommt eine geringere Arbeitsmarktdynamik in NRW. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen ist lediglich um 1 % gestiegen, im Bund jedoch um 1,3 %.
Lassen Sie mich zum vorgeschlagenen Work-First-Ansatz kommen. Dies praktizieren die Jobcenter seit Jahren, und das hat aus unserer Sicht zu einer Konzentration auf arbeitsmarktnahe Menschen geführt. Einhergehend mit den massiven Mittelkürzungen hat sich dadurch die Gruppe der Langzeitarbeitslosen mehr und mehr verfestigt.
Zum Schluss möchte ich zur fachlichen Unkenntnis und den schrägen Verknüpfungen im FDP-Antrag kommen. Entgegen der Wahrnehmung der FDP ist beim sozialen Arbeitsmarkt die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt das Endziel. Und es wird zudem individuell betreut und qualifiziert. Arbeitslosenzentren und Erwerbslosenberatungsstellen haben aber nicht die Aufgabe, zu qualifizieren, sondern zu beraten und zu unterstützen. Die Gesellschaften, die sich die Qualifizierung zur Aufgabe gemacht haben, die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, gehen leider wegen der Mittelkürzungen dank Ihrer Mithilfe reihenweise pleite.
Schräg ist die Verknüpfung zur Vorverlegung des Termins für die Sozialabgaben.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Hier einen Zusammenhang zu mehr Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose herzustellen, bleibt allein der Fachlichkeit der FDP vorbehalten.
Die Boston Consulting Group hat der FDP angeraten, lösungsorientiert, optimistisch, mutig und empathisch zu sein. Meine Damen und Herren, dieser Weg der FDP wird kein leichter sein. Dieser Weg ist nach diesem Antrag steinig und schwer. Denn nicht mit vielen werdet ihr euch einig sein, doch dieses Leben bietet umso mehr. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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