Martina Maaßen: „Die sinnlosen Warteschleifen müssen vermieden werden“

Antrag der FDP zu Ausbildung

Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es gleich zu Anfang: Die grüne Regierungsfraktion spricht sich nicht, wie hier von der FDP gewünscht, gegen eine Ausbildungsplatzabgabe oder ‑umlage aus.
(Zuruf von der FDP: Schade!)
– Es tut mir auch leid, aber wir machen es nicht.
Wir haben in unserem Koalitionsvertrag mit der SPD einen Prüfauftrag vermerkt. Und wir werden diesen Prüfauftrag angehen. Ich gehe für die Grünen noch einen Schritt weiter: Wir begleiten diesen Prüfauftrag positiv. Wir sehen hier einen Anreiz, auszubilden und das duale System zu sichern. Ausbildende Betriebe können unterstützt werden.
Wir haben das Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ auf den Weg gebracht mit Bestandteilen einer frühzeitigen Berufsorientierung und Kompetenzvermittlung. Die Wirtschaft hat sich verpflichtet, mehr Ausbildungsplätze im dualen System anzubieten. Hinzu kommt, dass wir noch nicht ausbildungsreifen jungen Menschen mittels Jugendberufswerkstätten oder Produktionsschulen auf die Sprünge helfen.
Lieber Herr Alda, lieber Uli, wir sind uns zwar sympathisch – aber nur so lange, wie wir nicht über Politik reden, dann wird es kritisch.
(Beifall von Stefan Engstfeld [GRÜNE])
Entschuldige bitte: Aber es ist doch totaler Quatsch, zu fordern, die Zahl der Menschen, die sich im Übergangssystem Schule/Beruf befinden, zu reduzieren. Entweder sind der FDP die Begrifflichkeiten nicht klar oder sie blickt nicht mehr durch.
(Beifall von den GRÜNEN und Daniela Jansen [SPD])
So, wie sich alle kleinen Kinder im Übergangssystem Kita/Schule befinden, so befinden sich alle Jugendlichen im Übergangssystem Schule/Beruf.
Im Rahmen dieses Systems werden nun nach und nach flächendeckend Angebote installiert. Der Fokus liegt dabei natürlich auf einer betrieblichen Ausbildung. Daneben muss es aber auch weiterhin außerbetriebliche und schulische Angebote geben, und die sinnlosen Warteschleifen müssen vermieden werden.
Um dies zu verwirklichen, muss man gemeinsam an einem Strang ziehen, und diesen Strang gibt es im Ausbildungskonsens. Aber es ist festzustellen, dass die von der Wirtschaft im Ausbildungskonsens gemachten Zusagen nicht realisiert werden. Es scheint so zu sein, dass zwischen der Funktionärsebene und den Unternehmen keine Einflussmöglichkeiten bestehen, dass Information und Kommunikation nicht ausreichend vorhanden sind.
Wir Grünen sehen es so: Eine Ausbildungsumlage oder ‑abgabe ist keine Zwangsumlage, sondern eine Investitionsleistung in unsere Jugend.
Erschreckend ist auch, dass laut einer aktuellen Bertelsmann-Studie annähernd 60 % aller aktiven Ausbildungsbetriebe noch nie einen Azubi mit Migrationshintergrund eingestellt haben. Den Unternehmen scheint noch nicht existenziell bewusst geworden zu sein, dass sie im Lichte des drohenden Fachkräftemangels – zumindest in einigen Branchen – selbst für Nachwuchs sorgen müssen und nicht mehr unproblematisch Fachkräfte einkaufen können. Im neuen Prognos-Bericht ist zu lesen, dass unzureichende Ausbildung Gift für den Wirtschaftsstandort NRW ist. Das muss uns doch alle aufrütteln.
Die Jugendarbeitslosigkeit in NRW ist besonders gravierend. Im Juli 2014 waren in NRW 80.000 Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslos. Dies entspricht einer Quote von 8,1 %. In NRW fanden ca. 20.000 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz. Mehrere Tausend Bewerber hatten überhaupt keine Anschlussperspektive und blieben unversorgt. Die abgeschlossenen Ausbildungsverträge gingen in 2013 um 3,2 % zurück. Und so viel zu regionalen Unterschieden: Lediglich in drei von 34 Bezirken, die die BA untersucht hat, war die Entwicklung im Ausbildungsmarkt positiv.
Unternehmen haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Dieser Verantwortung stellt sich das Baugewerbe. Hier gibt es schon seit 1975 einen tariflich geregelten Ausbildungsfonds.
Es ist auch bereits auf die Umlagefinanzierung in der Altenpflege hingewiesen worden. Die hat uns 10.000 neue Ausbildungsplätze gebracht.
Unsere europäischen Nachbarn in Frankreich und Dänemark haben schon seit 1925 bzw. 1977 Ausbildungsabgaben. Liebe Kollegen der FDP, mir ist nicht bekannt, dass Altenheime oder Baubetriebe in Deutschland oder die Dänen oder die Franzosen bürokratisch untergehen, weil es dort eine Ausbildungsplatzumlage gibt.
(Zuruf von der FDP)
– Trotzdem, es hat sich doch bewährt. Wir sollten uns das wenigstens mal in Ruhe anschauen.
(Zuruf von der FDP: Das duale System: Ja!)
– Das duale System und auch die Ausbildungsumlage – nach meiner Wahrnehmung und der Wahrnehmung der Grünen.
Ich möchte mit einem Zitat meines derzeitigen Schülerpraktikanten Kubilay schließen, der aus seiner Sicht sicherlich auch ein Fachexperte ist:
Durch eine Abgabe oder Umlage können sich viele Jugendliche weiterentwickeln und bleiben nicht auf der Strecke. Man darf nie vergessen, dass die Jugendlichen heute die Zukunft von morgen sind. Und wenn man auf die Zukunft setzt und will, dass es vorangeht, dann muss man auch die Zukunft unserer Jugendlichen fördern.
In diesem Sinne! – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und Daniela Jansen [SPD])

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