Martin-Sebastian Abel: „Wir wollen gesunde Kommunen haben, und wir brauchen eine Ausfinanzierung für Maßnahmen, die unsere Kommunen belasten“

Antrag von SPD und GRÜNEN zu Konnexität mit dem Bund

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein guter Zustand der Schule, entsprechende Öffnungszeiten der Bibliothek, die Frage, ob ich meinen Kindern den Zugang zu Schwimmunterricht in guten Badeanstalten ermöglichen kann – habe ich das in meiner Kommune, in meinem direkten Lebensumfeld, ja oder nein? Diese Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger entscheidet auch oft über die Wahrnehmung des Zustands unseres Landes insgesamt. An dieser Stelle – damit möchte ich beginnen – müssen wir unseren Kommunalpolitikerinnen und -politikern in Nordrhein-Westfalen auch einmal ein herzliches Dankeschön für ihr Engagement aussprechen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort ruinieren sich ehrenamtlich die Freizeit, und sie verwenden ihre freie Zeit, um für die Bürgerinnen und Bürger, für ihre Städte, für ihre Dörfer das Beste zu erreichen. Das tun sie in Nordrhein-Westfalen unter einem besonderen Finanzdruck. Das wissen wir. Deswegen war es richtig, die Ausgaben für die Kommunen im Haushalt seit 2010 hier im Land um 70 % zu steigern – 70 %, meine Damen und Herren!
Bei der Regierungsübernahme 2010 bestand die Situation, dass in über 128 Kommunen dieses Landes die eben erwähnten ehrenamtlichen Politikerinnen und Politiker überhaupt keine Entscheidungskompetenz mehr hatten, weil die Kommunen im Nothaushalt waren, sodass die Räte quasi entmachtet waren und es im Grunde – wenn es überhaupt Entscheidungsspielräume gab – meistens darum ging, was man als Erstes schließt. Deswegen war es auch richtig, dass wir über das GFG mit einer Steigerung von 40 %, mit über 3,8 Milliarden € Mehrinvestitionen diese Situation verbessert haben. Heute befinden sich nur noch neun Kommunen im Nothaushalt. Das ist ein wichtiger Erfolg.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Mein Mitarbeiter engagiert sich ebenfalls ehrenamtlich. Er ist Dritter Bürgermeister in der eben auch von Herrn Wolf erwähnten Stadt Remscheid. Er hat mir in Vorbereitung auf diese Debatte einen Artikel aus der „Rheinischen Post“ mit der Überschrift „So belasten Sozialkosten die Stadtkasse“ auf den Schreibtisch gelegt. Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich gerne daraus zitieren.
„Die Sozialausgaben der Stadt Remscheid stiegen im Zeitraum von 2011 bis 2014 um 15 Prozent.“
Das hat die positive Entwicklung in der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes aufgefressen. 122,6 Millionen € gab die Stadt 2014 für soziale Zwecke aus – 37,3 % des Haushalts –; nicht eingerechnet 33,7 Millionen € Ausgaben für das Jobcenter.
Deswegen ist es richtig, dass wir hier noch einmal in einem Antrag festgehalten haben, dass insbesondere die Sozialkosten immensen Druck auf unsere städtischen Haushalte, auf die Kassen der Kommunen ausüben. Es muss Schluss damit sein, dass sich die Minister auf Bundesebene für soziale Errungenschaften abfeiern. Wir haben gestern auch über den Kompromiss zum Unterhaltsvorschuss debattiert, bei dem am Ende klar ist, dass auf die Kommunen Mehrbelastungen zukommen.
Wir als Landespolitiker müssen die Schuldenbremse einhalten – Art. 109 Grundgesetz – und das auffangen. Das nimmt uns aber gleichzeitig auch die Gestaltungsspielräume, die wir hier im Haushalt beispielsweise für kulturelle Angebote vor Ort oder für zusätzliches Personal – Polizei, Lehrerinnen und Lehrer – brauchen.
Mit dieser Melodie muss ein für alle Mal Schluss sein. Wir brauchen hier eine große Koalition, aber nicht eine in dem Sinne, wie wir sie seit 2005 mit einer Unterbrechung von vier Jahren haben,
(Zuruf von der CDU)
die viele Entscheidungen zulasten der Kommunen getroffen hat. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung, und das bringt der Antrag zum Ausdruck.
Ich bin den Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten sehr dankbar, dass sie auch Kritikpunkte an der Bundesregierung mit aufnehmen und dass wir als Landespolitiker noch mal klar benennen: Wir wollen gesunde Kommunen haben, und wir brauchen eine Ausfinanzierung für Maßnahmen, die unsere Kommunen belasten. Es kann nicht sein, dass die Kommunen quasi als letztes Glied in der Nahrungskette einen immensen Druck haben.
Das wird letztendlich dazu führen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich für unsere Städte, für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, für das direkte Lebensumfeld, für ein lebenswertes Zuhause engagieren, dermaßen unter Druck gesetzt werden. Deswegen ist dieser Antrag notwendig. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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