Martin-Sebastian Abel: „Verunsicherung darf nicht zu einer Vertrauenskrise führen“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum Nachtragshaushalt

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als wir vor knapp sechs Wochen hier im Landtag über die Ereignisse der Kölner Silvesternacht debattierten, standen wir noch unter dem Eindruck der Bilder und Berichte, die uns ein in Deutschland nicht gekanntes Ausmaß der Taten offenbarten. Sie waren erschreckend. Sie haben das Sicherheitsgefühl vieler Menschen erschüttert, und man muss ehrlich sagen, dass die Verunsicherung bei vielen andauert.
Meine Damen und Herren, Verunsicherung darf nicht zu einer Vertrauenskrise führen. Wir können für die absolute Sicherheit nicht garantieren, aber wir wollen und wir haben einen starken Rechtsstaat, der Stärke zeigen muss, wo es notwendig ist, denn nur so können die Schwächsten unserer Gesellschaft geschützt werden.
Wir haben im Januar-Plenum auf die Ereignisse mit einem 15-Punkte-Plan reagiert, der nun mit dem Nachtrag fiskalisch hinterlegt wird. Sechs Wochen nach Einbringung und detaillierter Arbeit wollen wir über 700, fast 800 neue Stellen und zusätzliche Sachmittel investieren.
Als Erstes möchte ich den Schutz und die Unterstützung von Opfern sexueller Gewalt nennen. Diese Maßnahmen werden wir jetzt weiter verstärken. Für die Opfer der Übergriffe in Köln wurde eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet, damit sie dort die dringend notwendige Betreuung erhalten können.
Uns geht es darum, den Opfern bestmöglich zu helfen, Opferschutz zu stärken, das Netz an Beratung auszubauen. Das tun wir nicht erst seit Köln, was auch auf viele andere Maßnahmen zutrifft, aber jetzt noch einmal mit zusätzlichem Geld und zusätzlichen Stellen.
Herr Kollege Dr. Optendrenk, Sie haben eben ausgeführt, dass die Haltbarkeit der Haushalte des Finanzministers, der Landesregierung kürzer sei als die eines Fruchtjogurts. Herr Kollege, wenn Sie sich einmal darüber klar werden, was die Konsequenz Ihrer Aussage ist: Hätten wir denn in den vergangenen Monaten bei den steigenden Flüchtlingszahlen, bei neuen Einigungen auf Bundesebene nicht nachsteuern sollen? Hätten wir nicht zusätzliche Stellen bei der Polizei schaffen sollen? Hätten wir nicht über 5.000 Lehrerinnen- und Lehrerstellen schaffen sollen?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das sind alles Leistungen, die wir mit einem Nachtrag nachgesteuert haben. Es ist absurd, wenn man Ihre Kritik zu Ende denkt.
Meine Damen und Herren, die Täter sollen schnell bestraft werden. Die Strafe muss der Tat auf dem Fuße folgen. Deswegen wird es personelle Verstärkungen innerhalb der Staatsanwaltschaften geben – 200 zusätzliche Stellen, Staatsanwältinnen und Richter. Das ist ein Kraftakt für den Haushalt, ja. Es ist aber vor allem ein starkes Bekenntnis zum Rechtsstaat – so hat der Richterbund seine Presseerklärung zu diesem Nachtrag überschrieben. Ich finde, das ist die richtige Bewertung dieser zusätzlichen Stellen.
(Hendrik Schmitz [CDU]: Sagen Sie was zur Videoüberwachung!)
– Dazu komme ich gleich noch, Herr Kollege, immer Geduld. Ich habe ja dank des Finanzministers noch ein paar Minuten.
Wir werden die Präsenz der Polizei auf der Straße verstärken. Dafür wollen wir möglichst schnell 500 Polizistinnen und Polizisten zusätzlich an den Kriminalitätsbrennpunkten einsetzen. Wir haben hier, meine Damen und Herren von der Opposition, in den letzten Jahren 8.000 zusätzliche Stellen bei der Polizei geschaffen.
(Daniel Sieveke [CDU]: Wie viele Stellen?)
– 8.000 zusätzliche Stellen, Herr Kollege Sieveke. Sie sollten das als Vorsitzender des Innenausschusses eigentlich wissen: 8.000 zusätzliche Stellen – das sind exakt doppelt so viel wie in der ganzen Zeit 2005 bis 2010, exakt doppelt so viele Einstellungen bei der Polizei. Wir haben jetzt mit 1.920 Anwärterinnen und Anwärtern die höchste Zahl in der Geschichte dieses Landes, meine Damen und Herren. Auch hier verschließen wir uns nicht.
(Hendrik Schmitz [CDU]: Wie viel sind denn in Pension gegangen?)
– Wie viele in Pension gegangen sind? Sie geben mir gute Stichworte, Herr Kollege Schmitz. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. – Wir sind in der Tat das einzige Bundesland, das seit 2011 mehr Beamte einstellt, als in den Ruhestand gehen. Wir sind das einzige Bundesland.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn wir uns dann die Bundeszahlen und die bei der Bundespolizei angucken, dann sieht die Bilanz gerade der Unions-Innenminister, die traditionell dieses Ressort in der Großen Koalition in den letzten Jahren besetzen, negativ aus. 15 andere Bundesländer und der Bund haben gekürzt. Seit 2011 sind wir konstant das einzige Land mit einem positiven Saldo. Wir verschließen uns aber auch in diesem Bereich nicht und wollen zusätzliche Beamtinnen und Beamte auf die Straße bringen.
Zu Ihrem Stichwort, Herr Kollege Schmitz, zur Videobeobachtung: Ja, wir verschließen uns auch diesem nicht. Das ist eine bisher im Polizeigesetz vorgesehene Regelung. Ich habe Altweiber den Polizeieinsatz in Düsseldorf begleitet. Ich habe mir dort auch die Videobeobachtung am Bolker Stern angeguckt. Wir haben hier die Situation, dass wir unter einer Minute – auch bei dichtem Gedränge – Reaktionszeit haben, in der Beamtinnen und Beamte sofort Verstärkung hinschicken können, sodass sofort interveniert werden kann. An Kriminalitätsschwerpunkten, die geprüft werden müssen, wo es klare Voraussetzungen gibt, werden wir uns auch an dieser Stelle nicht verschließen, Herr Kollege.
Für uns bleibt ein zentraler Punkt, die Integration zu stärken. Als erstes und bisher einziges Bundesland investieren wir in Nordrhein-Westfalen erhebliche Mittel, um 3.600 zusätzliche Plätze in Basissprachkursen zu schaffen. Und die von uns in den letzten Jahren aufgebauten kommunalen Integrationszentren werden die Aufgabe der Wertevermittlung wahrnehmen und koordinieren. Auch funktionierender gesellschaftlicher Zusammenhalt ist Prävention. Auch das gehört zu einem starken Rechtsstaat.
Meine Damen und Herren, es ist ohne Zweifel so: Viele Menschen hat die Silvesternacht aufgeschreckt, viele fühlen sich verunsichert. Dies zu leugnen, grenzt an Realitätsverlust. Wenn wir aber davon reden, dass das Sicherheitsgefühl von Menschen gestört ist, dann dürfen wir die Angst derer nicht vergessen, die mit den Taten der Kölner Silvesternacht nichts zu tun hatten und die sich nun unter Generalverdacht gestellt sehen.
Wir haben als Demokratinnen und Demokraten die Verantwortung, dass Menschen nicht aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Haarfarbe oder aufgrund anderer Merkmale stigmatisiert, diskriminiert werden, dass Gruppen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Meine Damen und Herren, ich finde es daher unerträglich, dass ein Mitglied der CDU-Bundestagsfraktion genau das versucht, genau versucht, Menschen gegeneinander auszuspielen, mit einem Tweet zu hetzen, mit einer Bildsprache, wie wir sie sonst nur von AfD, Pegida und Co. kennen. Ich fand es, meine Damen und Herren von der Union, bemerkenswert, wie sich Armin Laschet nach Clausnitz positioniert hat. Sie müssen nun deutlich machen, dass in der Fraktion einer großen Volkspartei in diesem Lande rassistische Stimmungsmache keinen Platz hat, egal in welcher Form. Sie haben ein U-Boot von Pegida in Ihren Reihen.
(Hendrik Schmitz [CDU]: Was?)
Stärken Sie die demokratische Kultur. Sagen Sie Herrn Laschet, dass er sein Gewicht dafür einsetzen soll, dass Erika Steinbach Konsequenzen spürt,
(Daniel Sieveke [CDU]: Wir sind hier in Nordrhein-Westfalen!)
dass sie von den Ämtern enthoben wird. Das wäre konsequent. Wir dürfen eins nicht zulassen:
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir dürfen nicht zulassen, dass es als normal gilt, dass auf diese rassistische Hetze keine Konsequenzen folgen. Es kann nicht sein, dass es in diesem Land ohne Konsequenzen bleiben soll, wenn die menschenrechtspolitische Sprecherin in der Art und Weise hetzt, wie sie es getan hat. Reden Sie mit Herrn Laschet, er hat hier Verantwortung.
Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Sie sind der größte Landesverband. Sie haben die größte Landesgruppe im Bundestag. Sorgen Sie dafür, dass es Konsequenzen hat im Sinne der demokratischen Kultur und damit auch im Sinne von uns allen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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