Martin-Sebastian Abel: „Sie reden von Verantwortung, Sie reden von Transparenz. Aber wenn es dann konkret wird, findet sich nichts.“

Gesetzentwurf der Piraten zum Wissenschaftsgesetz

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Paul, was Sie mit Herrn Dr. Berger zu klären haben, könnte länger dauern. – Ich fand Ihre Rede insofern erhellend, als noch einmal deutlich wurde, dass von den Piraten in der Vergangenheit nur Worthülsen und Schlagworte kamen. Sie haben auch mit diesem Gesetzentwurf nichts Substantielles vorgelegt, was uns in der Diskussion der letzten zwei Jahre um ein neues Hochschulgesetz irgendwie weiterbringen würde.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Mit diesen Worthülsen und Schlagworten versuchen Sie offensichtlich, bei oberflächlich interessiertem Publikum zu verfangen. Insofern war ich dann doch gespannt, als ich gesehen habe, es gibt einen Gesetzentwurf der Piraten. Die Textgattung „Gesetzesentwurf“ suggeriert, jetzt gibt es etwas Konkretes.
Ich war mäßig, aber auch nicht übermäßig von dem enttäuscht, was Sie vorgelegt haben. In der Vergangenheit haben Sie ja ganz große Ankündigungen gemacht. Im März dieses Jahres haben Sie zum Beispiel einen Entschließungsantrag mit der Überschrift „Land muss endlich wieder mehr Verantwortung für die Hochschulen übernehmen“ eingebracht. Da fiel das Schlagwort „Verantwortung“. Aber in diesem Antrag gibt es keinen einzigen konkreten Punkt. Er hat nur einen Feststellungsteil. Es gibt keine Aufforderung an die Landesregierung. Nichts. Darin stehen so vielsagende Sätze wie den, den Sie heute auch gebracht haben: Als Anwälte der Steuerzahler müssen wir für Transparenz sorgen. – Darin ist das Schlagwort „Transparenz“ enthalten.
Die Entgleisungen des Kollegen Bayer in der Debatte vom November, als es um die Rüstungsforschung ging, kann man nicht anders nennen. Ich zitiere aus dem Protokoll:
„Hochschulen sollen sich dabei heute spezialisieren und ein bestimmtes Profil ausbilden. Bochum, Aachen und Wuppertal haben es auf eine traurige Art und Weise geschafft, innerhalb einer Woche ein ganz bestimmtes Profil auszubilden.“
Weiter heißt es:
„Meine Sorge ist, dass die Legitimität öffentlicher Forschungsförderung insgesamt leidet. Die Forschung ist aber von der Akzeptanz der Bürger im besonderen Maße abhängig.“
Dann lassen Sie uns doch einmal in Ihren Gesetzentwurf schauen und sehen, was Sie zu der von Ihnen geforderten Transparenz, was Sie zum Spannungsfeld zwischen Verantwortung und Freiheit zu Papier gebracht haben.
Bei der Landesverantwortung: nichts Neues. Da bleiben Sie im Wesentlichen bei dem, was jetzt im Hochschulfreiheitsgesetz verankert ist. Bei dieser schwammigen Formulierung aus Pinkwarts Zeiten weiß niemand so genau, wer eigentlich wie die strategischen Ziele des Landes mit den Hochschulen vereinbaren oder formulieren soll.
Mit der Freiheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es auch nicht so weit her, jedenfalls dann nicht, wenn es Ihnen nicht passt. Dann wollen Sie eingreifen. Zum Beispiel wollen Sie die Wissenschaftler zwingen, sich das Recht auf nicht kommerzielle Zweitveröffentlichungen vorzubehalten.
Dann schauen wir einmal – ich habe die Rede des Kollegen Bayer hier erwähnt – nach einer Friedensklausel. Suchen wir nach Worten wie Rüstung, Frieden, zivile Zwecke, gesellschaftliche Verantwortung: Sie liefern nichts dazu. Herr Bayer, was folgt aus Ihren Forderungen, aus Ihren Anwürfen an die Universitäten?
(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Dass die Hochschule das selbst entscheidet!)
– Ja, vielen Dank für den Zwischenruf, dass die Hochschulen selbst entscheiden sollen. Da merkt man eben: Sie haben hier kein Ziel, keine Linie. Sie reden von Verantwortung, Sie reden von Transparenz. Aber wenn es dann konkret wird und wenn man an konkreten Punkten, an konkreten Fragestellungen danach sucht, dann findet sich nichts.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben keine Linie. Sie haben behauptet, Kernkompetenz der Piraten sei die Wissenschaftspolitik. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn Ihr Gesetzentwurf das Ergebnis einer zwei Jahre andauernden Debatte ist, wobei Sie je nach Software 40 bis 45 % wortwörtlich Übereinstimmung mit unserem Gesetzentwurf haben, dann muss ich sagen: Das ist Niveaulimbo.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn man es sanft formuliert – die Punkte sind nicht falsch, das wäre schizophren –, könnte man sagen: Sie sind sehr eng an den Formulierungen mit den 40, 45 %, die Sie wortwörtlich an unseren Gesetzentwurf angelehnt haben. Wenn man es deutlicher sagen würde: Sie haben es einfach geklaut. Lassen wir das einmal beiseite. Werten wir die Punkte einmal als Zustimmung zu Rot-Grün. Ich glaube, Kollege Schultheis hat das auch gemeint, der einen ziemlich friedlichen Beitrag zu diesem Gesetzentwurf hier lieferte. Das kann auch am Karlsjahr und an der guten Stimmung liegen.
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Abel, wenn ich einmal unterbrechen darf: Kollege Bayer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie die zulassen?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ja, sehr gerne.
Vizepräsident Daniel Düngel: Dann machen wir das so. Herr Kollege Bayer, bitte schön.
Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich hätte Sie jetzt fragen können, ob Sie meine Rede zur Zivilklausel überhaupt ganz gelesen haben. Viel wichtiger finde ich die Frage, ob Sie es denn für sinnvoll halten, wenn man einen Gesetzentwurf macht, der im Grunde vor allem das Hochschulgesetz selbst reformieren oder modernisieren möchte, etwas komplett neu zu schreiben, bei dem kein Wort auf irgendetwas basiert. Ist es nicht besser, sich an dem zu orientieren, was da ist, und zu versuchen, das besser zu machen und zu optimieren?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Wahrscheinlich haben Prominente wie Herr zu Guttenberg damals ähnlich formuliert: Man kann nicht alles neu erfinden. Aber bei 40 bis 45 % der Punkte – wenn Sie sich zum Beispiel den Tierschutz ansehen oder bei den Zielen von Studium und Lehre, dann ist das einfach wortwörtlich herübergezogen. Da kommen Sie auch nicht hinterher.
Ja, ich habe Ihre Rede ganz gelesen. Ich habe ja gesagt: Es ist kein Problem. Wir werten das einmal als Zustimmung. Sie haben suggeriert, Sie würden hier einen großen Wurf bringen und Ihre Gedanken einbringen. Interessant ist, was Sie ausgelassen haben, nämlich das, was Sie von uns nicht übernommen haben. Das ist neben der angesprochenen Friedensklausel zum Beispiel der ganze Themenkomplex zur Gleichstellung.
Sie haben nicht nachvollzogen, wie Sie denn das geltende Gleichstellungsrecht auf die Hochschulen übertragen wollen. Sie reden lediglich von einer Selbstverpflichtung. Sie haben in der Diskussion wohl mitbekommen, dass wir, wenn wir so weitermachen wie bisher, 50 bis 100 Jahre brauchen, bis wir genügend Professorinnen an den Universitäten haben, um eine echte Gleichstellung in allen Gremien zu gewährleisten. Da bleiben Sie weit hinter unserem Gesetzentwurf und sogar hinter dem aktuellen Hochschulfreiheitsgesetz zurück.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das hilft uns so nicht weiter. Wir müssen damit leben, dass der Gesetzentwurf überwiesen wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie im Laufe der Debatte konkrete Änderungsanträge zu unserem stellen würden. Ich denke, das ist zielführender. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Abel, wenn ich Sie noch einmal zurück zum Rednerpult bitten darf. – Herr Dr. Paul hat sich zu einer Kurzintervention angemeldet. Dafür hat er wieder 90 Sekunden Zeit. Das Verfahren kennt er schon. Herr Dr. Paul hat das Wort, bitte schön.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Herr Abel, ich kann es Ihnen leider an dem Punkt nicht ersparen. Ich hätte es Ihnen gerne erspart. Herr Schultheis hat friedvolle Worte gesprochen. Ich persönlich bin auch eher in einer friedvollen Stimmung. Aber ich kann Ihnen das jetzt nicht ersparen.
Ihr Passus zur Zivilklausel im Gesetz: Wir sagen, die Hochschule ist frei. Wenn man einer demokratisch verfassten Institution freie Entscheidungen einräumt, dann ist das auch Freiheit. Was Sie machen, ist Staatsdirigismus.
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Dr. Paul, ich weiß nicht, ob Sie, wenn Sie eher mit linken Gruppen diskutieren, nicht unter Umständen Probleme bekommen. Erst einmal haben wir eine Friedensklausel. Ihre Aussage gerade widerspricht auch beispielsweise Ihrem Gesetzentwurf.
Wenn Sie sich einmal vergewissern: § 43 ist es, glaube ich, der ist von uns – ich kenne ihn. Wenn Sie dann zum Beispiel Ziele für Studium und Lehre fortschreiben und beispielsweise beim Tierschutz konkrete Maßnahmen machen, dann beißt sich das total mit dem, was Sie jetzt gesagt haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ansonsten belasse ich es dabei. Es gibt bei uns HSV-Fans. Ich will jetzt keinen Ärger mit denen haben. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)