Martin-Sebastian Abel: „Legalisiert man das oder versucht man, das zu kanalisieren?“

Antrag der FDP zum staatlichen Glücksspielwesens

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Marcus Optendrenk, an Dir ist echt eine Primaballerina verlorengegangen. Diese Pirouetten – das muss erst einmal jemand nachmachen. Donnerlittchen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will gerne – weil das auch vielleicht die Zuschauerinnen und Zuschauer erst einmal wundert – darauf zurückkommen, worüber wir eigentlich reden und warum wir eigentlich in der Geschichte einen staatlichen Glücksspielbetrieb haben. Wir haben einen Kanalisierungsauftrag. Man muss konstatieren, dass viele bzw. manche Menschen das Bedürfnis haben, sich am Glücksspiel zu beteiligen. Die Grundsatzfrage, die wir heute nicht diskutieren, die man aber immer im Kopf haben muss, lautet: Legalisiert man das, oder versucht man, das zu kanalisieren? In Beantwortung dieser Frage haben wir uns überparteilich verständigt, zu versuchen, das in einem gewissen Rahmen zu kanalisieren.
Es ist historisch so gewachsen, dass bestimmte Arten von Glücksspiel nur in staatlichen Kasinos stattfinden dürfen.
Man muss natürlich – das ist, glaube ich, die Folie, welche die FDP immer aufmacht; ich sage gleich noch etwas zu den Motiven – darüber diskutieren: Macht man das rein privat? Oder wählt man einen staatlichen Anbieter? Mit Ihnen über die Frage „Privat oder Staat“ zu diskutieren, ist so ähnlich, wie mit Margot Honecker über die DDR zu reden. Es ist auf jeden Fall kontrovers. Und man muss damit rechnen, nicht auf Einsicht zu stoßen.
Ich will dennoch einige Punkte nennen, mit denen ich begründe, warum das in staatlicher Hand anders als in privater Hand funktioniert. Vor allen Dingen möchte ich auf den Aspekt Spielerschutz eingehen. Herr Wirtz, Sie und ich waren zu einer Diskussion der Automatenwirtschaft in Ihrer Heimatstadt Essen eingeladen. Da sprach ein Forscher, der Folgendes sagte: Die Trümpfer-Studie hat festgestellt, dass 50 % der Gewinne bei den privaten Spielhallenbetreibern beim privaten Glücksspiel Verluste von Spielsüchtigen seien. Er halte das für viel zu wenig, er geht von 80 % aus. Wir müssten uns dann einmal anschauen, was WestSpiel alles unternimmt, um Spielerschutz zu gewährleisten. Das geht über Kooperationen mit Verbänden bis hin zu einer Kooperation mit der Uni Mainz, die ein eigenes Zentrum zur Erforschung von Spielsucht hat. Und natürlich gibt es auch eine Kooperation mit dem Initiativkreis Spielsucht hier in Nordrhein-Westfalen. Es gibt regelmäßige Evaluationen der Konzepte, und es gibt Beratungsangebote für die Spielerinnen und Spieler. Ich folge jetzt einmal einen Moment lang Ihrer betriebswirtschaftlichen Logik: Sie kritisieren, WestSpiel habe einen Fehlbetrag. Und Sie – so war das in der Zeitung zu lesen – würden favorisieren, das an Private abzugeben.
Würde es nicht betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, dann auf das Personaltableau zu schauen, um Kosten zu sparen? Würde der Private nicht als erstes genau die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, die die Spieler davon abhalten, mehr zu spielen? – Herr Witzel, es ist fadenscheinig, dass Sie ein Duzend Kleiner Anfragen stellen, dass Sie immer wieder WestSpiel aufs Tableau heben, dass Sie Mitarbeiterfeste skandalisieren? – Das Motiv, das dahinter steht, ist vielleicht darin zu suchen, dass Ihre Partei in der Vergangenheit sehr eng mit einem großen Anbieter aus der Automatenwirtschaft verbunden ist, nämlich mit Herrn Gauselmann.
Ich habe mir das noch einmal herausgesucht, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 9. September 2012:
FDP soll verdeckte Millionenspende erhalten haben
Überschrift am 10. März 2012:
Liberale Leibwächter für den König der Automaten.
Auch das Forum LobbyControl hat am 24. September 2012 darüber berichtet. Das sind übrigens alles Zitate, bei denen es keine Gegendarstellungen, auch von Ihrer Seite nicht, gab.
Im September 2012 mussten Sie dann einräumen, dass der Bericht des Magazins „Monitor“ stimmt, dass die FDP über eine Tochterfirma von der Gauselmann AG mehrere Millionen Euro erhalten hat. Offenbar fühlen Sie sich jetzt verpflichtet, immer wieder nachzulegen und lassen keine Gelegenheit aus, die staatliche WestSpiel …
(Zuruf von der FDP: Sie versuchen gerade hier, den Maulkorb zu verteilen!)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Abel, würden Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Witzel zulassen?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Sehr gerne.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Witzel, bitte.
Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Kollege Abel, ich weise in aller Form Ihre schäbigen Unterstellungen hier zurück und kann Sie nur auffordern, sich zu erkundigen, was Ihr früherer grüner Fraktionschef Priggen zum Thema Umgang mit Lobbyismus-Vorwürfen unter Abgeordneten in dieser Legislaturperiode gesagt hat.
(Stefan Zimkeit [SPD]: Herr Präsident, das geht so nicht!)
Meine Frage an Sie lautet: Angesichts der Tatsache, dass es verschiedenste Regierungen gibt, auch mit grüner und roter Regierungsbeteiligung in anderen Bundesländern, die ausdrücklich andere Modelle haben, die es Privaten ermöglichen, sich auch mit an dieser Stelle einzubringen, frage ich: Halten Sie diese anderen Regierungen für gewissenlos? Ist in diesen anderen Bundesländern Spielerschutz kein Thema?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Witzel, dass Sie mir die Gelegenheit geben, das klarzustellen. Natürlich gibt es in anderen Ländern andere Modelle, die zum Teil auch anders historisch gewachsen sind. Die Behauptung, die Sie immer wieder im Zusammenhang mit WestSpiel aufstellen, ist ja, dass es für das Land ein Verlustgeschäft ist.
(Ralf Witzel [FDP]: Das ist in jedem Jahresbericht nachzulesen!)
Dass es im Bereich des Spielerschutzes keinen Unterschied zu den Privaten geben soll, habe ich eben versucht, zu widerlegen. Sie müssen mir auch zuhören, wenn Sie mir eine Frage stellen, sonst ergibt das Frage-Antwort-System keinen Sinn. Sie müssen tatsächlich aufpassen, wenn es um den Bereich Spielerschutz geht. Bei den privaten Anbietern gibt es mehrere unabhängige Untersuchungen, woher der Großteil der Einnahmen erwirtschaftet werden: Sie stammen aus den Spielverlusten der Spielsüchtigen. Das zum Bereich Spielerschutz.
Zweitens. WestSpiel ist kein Verlustgeschäft für das Land. Der Kollege Zimkeit hat es schon gesagt. Wir haben nicht nur die Zuführung zur Stiftung Wohlfahrtspflege in Höhe von 8 Millionen €, sondern wir haben auch die Spielbankenabgabe. Das müssen Sie in die betriebswirtschaftliche Betrachtung einbeziehen, wenn Sie über den Fehlbetrag reden. Bei der Frage, die ich Ihnen gestellt habe, vermuten Sie ja immer wieder, dass ich Ihnen unterstelle, dass Ihnen Spielerschutz nicht so wichtig ist wie Spendenfluss. Das kann auch damit zu tun haben, dass es da in der Vergangenheit einen Zusammenhang mit dem Verhalten Ihres früheren Bundeswirtschaftsministers Rössler gab, der jeden Vorstoß der Suchtbeauftragten der Bundesregierung innerhalb von fünf Minuten revidiert hat. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Peinlich!)

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