Martin-Sebastian Abel: „FDP und CDU, wollen sie ernsthaft erklären, dass bei der Abwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und der Unannehmlichkeit, für eine Zigarette vor die Tür zu gehen, die Unannehmlichkeit ein stärkeres Gewicht hat?“

Aktuelle Stunde auf Antrag der FDP zum Nichtraucherschutzgesetz

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in einer lebendigen Demokratie ein normaler Vorgang, wenn Menschen gegen politische Entscheidungen protestieren und das auch auf der Straße tun. Das zeichnet unseren Rechtsstaat, unsere freiheitliche Grundordnung aus.
(Ministerin Barbara Steffens: Genau!)
Es ist legitim, wenn Wirte, wenn Vertreter des Brauchtums und Bürgerinnen demonstrieren. Doch ich finde es erstaunlich, dass weder in Pressemitteilungen der Opposition noch in Ihren heutigen Redebeiträgen das angesprochen wurde, worauf Sie sich in der Begründung der Aktuellen Stunde beziehen, nämlich das, was am letzten Samstag in Düsseldorf passiert ist.
Lassen Sie uns einmal hinschauen, wie sich der Protest in Teilen geäußert hat! Es wurden Plakate mit dem Konterfei Adolf Hitlers hochgehalten, unterschieben mit: Entmündigung kann tödlich sein.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Ein einziges!)
– Selbst wenn es nur eines war, ist es schlimm genug. – Im Demonstrationszug waren Teilnehmer mit gelbem Stern auf der Brust, auf dem „Raucher“ stand. Die Frage steht im Raum, ob ein den Hells Angels nahestehender Rockerclan Ordnerfunktion ausgeübt hat. Man muss sich das mal vorstellen. Kriminellen Rockern nahestehende Gruppen laufen in der erste Reihe, offenbar vom Veranstalter geduldet.
Da wird eine hier im Landtag demokratisch getroffene Entscheidung mit der Nazidiktatur verglichen; da werden Zeichen der Ausgrenzung, Zeichen des Holocausts benutzt und damit das Leid der Opfer relativiert. Und von der anwesenden Bürgermeisterin der Stadt Düsseldorf, die der FDP angehört, wird das nicht problematisiert.
Zu alledem haben Sie nichts gesagt. Bei allem Verständnis für kreative und zugespitzte Protestformen, auch bei der Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit, heiligt der Zweck nicht die Mittel. Hier sind Grenzen überschritten worden, und das muss hier klar gesagt werden, wenn Sie das nicht tun!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Meine Damen und Herren, Sie sprechen in Ihrem Antrag von Bevormundung. Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber, Menschen so gut es geht vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen. Das Grundgesetz garantiert das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Wir wissen, dass Rauchen das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Gesellschaft ist. Wenn Menschen freiwillig dieses Risiko in Kauf nehmen, ist das ihre freie Entscheidung. Wir können und wollen diese Freiheit nicht einschränken.
Wir wissen auch, dass jedes Jahr 3.300 Todesfälle in Deutschland auf eine regelmäßige Passivrauchbelastung zurückzuführen sind. Wir wissen, dass die Konzentration vieler gesundheitsschädigender Inhaltsstoffe in der Luft, die in den Raum abgegeben wird, größer ist, als in dem Rauch, den die Raucherinnen und Raucher inhalieren.
Wir wissen aus einer Studie skandinavischer Länder, die Krankendaten von mehr als 15 Millionen Berufstätigen ausgewertet haben, dass bei keiner anderen Berufsgruppe das Risiko, an Krebs zu erkranken, so hoch ist wie bei Kellnerinnen und Kellnern. Lassen Sie uns mal schauen, wer sich hinter dieser Berufsgruppe verbirgt! Das sind in großen Teilen Studentinnen, die sich durch Aushilfsjobs in Szenekneipen etwas dazuverdienen; das sind meist Geringverdiener, das sind Selbstständige, die im eigenen Geschäft stehen – allesamt Menschen, die auf das Einkommen angewiesen sind.
(Zurufe von der FDP)
Meine Damen und Herren von der FDP, meine Damen und Herren von der CDU, wollen Sie uns angesichts dieser Situation erklären, dass bei Ihnen bei der Abwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und der Unannehmlichkeit, für eine Zigarette vor die Tür zu gehen, die Unannehmlichkeit ein stärkeres Gewicht hat? – Das ist keine Freiheit, das ist Bevormundung derer, die sich entschieden haben, nicht zu rauchen. Das ist Bevormundung, meine Damen und Herren!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In der Anhörung wurde noch einmal sehr eindeutig festgestellt, und zwar von der Europäischen Kommission, den Ärztekammern, dem Deutschen Krebsforschungszentrum, dass ein konsequenter Nichtraucherschutz zur Verbesserung der Gesundheit der gesamten Bevölkerung führt, besonders der Angestellten in der Gastronomie.
Rauchverbote führen zur Senkung der Zahl von Herzinfarkten; das belegen Studien für Italien, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Zahlen der Atemwegserkrankungen und verschiedener Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems gingen dort zurück. Neuere Studien weisen auf eine Verbesserung der Gesundheit der Schwangeren und ihrer ungeborenen Kinder hin – sowohl bei Nichtraucherinnen als auch bei Raucherinnen.
Ebenso deutlich kam heraus – das lassen Sie gerne unter den Tisch fallen –: Es sind keine wirtschaftlichen Negativeffekte festzustellen. Ich belege das ganz konkret entlang der Anhörung und der Studien.
Ich fange mit dem Bayerischen Landesamt für Statistik an, unverdächtig, uns nahezustehen. Die Umsätze der bayrischen Gastronomie im ersten Jahr nach dem Volksentscheid liegen deutlich über denen des Vorjahres. Ich bleibe in Bayern bei dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Auch die Gastronomieumsätze sind davon nicht in größerem Umfang bzw. dauerhaft betroffen. Dies steht auch im Einklang mit der internationalen Studienlage, so wörtlich.
Wie die internationale Studienlage aussieht, stellt die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme fest. In 47 von 49 Studien zu den Auswirkungen von strikten Nichtraucherschutzgesetzen in der EU können keine negativen wirtschaftlichen Folgen festgestellt werden.
Laut eines WTO-Berichts haben rauchfreie Umgebungen entweder neutrale oder positive Auswirkungen auf Unternehmen, einschließlich der Gastronomie. Privatempirisch – ich komme aus Düsseldorf-Flingern – nehme ich es so wahr, dass sich jetzt vermehrt Menschen, die vorher aufgrund des Rauchs nicht in die Kneipen gegangen sind, wieder hintrauen.
Für unsere Gastronomie würde ich mir wünschen, dass diese Gruppe auch die Umsätze der gastronomischen Betriebe in Nordrhein-Westfalen wieder hebt, die nach unten gegangen sind – auch in der Zeit, als Sie regiert haben – und jüngst sogar eingebrochen sind, und zwar im Frühjahr, besonders im Februar und im März, also bevor unser Gesetz in Kraft trat. Das ist die Realität, meine Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie suggerieren hier außerdem – das hat der Kollege Yüksel schon gesagt –, dass die Proteste eine Mehrheitsmeinung zum Ausdruck brächten, der wir uns verschließen würden. Bereits im Februar 2005 lag die Zustimmung für rauchfreie Gaststätten bei 53 %, im Februar 2012 bei 78 %. Inzwischen gibt es sogar bei den Raucherinnen und Rauchern eine Mehrheit für unser Gesetz. Schauen Sie sich einmal die Umfrage in der „WAZ“ an!
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)
Der Nichtraucherschutz war eines der zentralen Themen im Landtagswahlkampf. Die Wählerinnen und Wähler haben uns, SPD und Grünen, auch dafür ein Mandat gegeben. Hören Sie also auf, so zu tun, als ob an unserer Entscheidung irgendetwas Anstößiges wäre! Der ausgestreckte Finger an Ihrer Hand zeigt auf uns, drei Finger weisen auf Sie zurück. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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