Martin-Sebastian Abel: „Es gilt nach wie vor: Wir werden bunter, wir werden älter, wir werden weniger.“

Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte"

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es lohnt sich wirklich, diesen Bericht, den Sie heute in Ihren Fächern vorfinden, zur Hand zu nehmen und zu lesen. Es lohnt sich für die Fachpolitikerinnen hier im Hause. Es lohnt sich für die Expertinnen in den Räten, in den Kreisen. Und es hat sich wirklich gelohnt – als Bilanz nach zwei Jahren –, dass wir den Versuch unternommen haben, gemeinsam Vorschläge zu erarbeiten.
Lieber Kollege Schmitz, auch wenn Sie den einen oder anderen Vorschlag, die eine oder andere Handlungsempfehlung dazu benutzt haben, sie zu „entführen“ und in die Tagespolitik zu ziehen, wo sie vielleicht nicht so ganz gepasst hat,
(Zuruf von Hendrik Schmitz [CDU])
kann das nichts daran ändern, dass wir gemeinsam viele gute Vorschläge im Konsens erarbeiten konnten. Dazu, um einen Konsens zu erreichen, gehört, jenseits der Tagespolitik aufeinander zuzugehen und manche Formulierung zu verändern. Die Ziele waren meistens dieselben, bei den Wegen waren wir hingegen manchmal unterschiedlicher Ansicht.
Das war auch der Fall bei den von Ihnen erwähnten Infrastrukturfonds, wenn es um die ÖPPs geht; wir hatten das gestern schon in der Haushaltsdebatte. Sie wissen auch, dass es bei Ihrem Weg Diskussionsbedarf gibt, weil uns die Wissenschaft und der Bundesrechnungshof eindeutig sagen: Bei den Infrastrukturmaßnahmen, bei denen wir privates Kapital mit hineingenommen haben, hat am Ende die öffentliche Hand immer mehr gezahlt. Hier müssen wir vorsichtig sein. Das können wir so nicht eins zu eins machen, und deswegen haben wir das auch im Analyseteil und in der Handlungsempfehlung klargestellt. Wir haben hier dasselbe Ziel, indem wir glauben, dass ein solcher Infrastrukturfonds richtig ist, aber einen anderen Weg.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist nur eines von vielen Beispielen, das ich aufgrund der Kürze der Zeit aus zwei Jahren Kommissionsarbeit erwähnen möchte.
Ich bin den Kolleginnen und Kollegen und vor allen Dingen den Sachverständigen sehr dankbar, dass wir so gut zusammenarbeiten konnten. Viele der Vorschläge wären hervorzuheben. Ich will mich aber auf zwei Aspekte kurz konzentrieren; Frau Kollegin Velte wird weitere im zweiten Block erwähnen.
Mir sind besonders die Handlungsempfehlungen im Bereich des öffentlichen Dienstes wichtig. Der demografische Wandel verlangt auch von unserer Verwaltung Anpassung: Wir haben steigende Pensionierungszahlen, und wir werden einen Wiederbesetzungsbedarf in der Dekade 2020 bis 2030 haben, der so noch nie dagewesen ist. Deshalb empfehlen wir als Enquetekommission die Förderung und Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes in vielen konkreten Punkten – 25 Handlungsempfehlungen allein für diesen Bereich. Zu den Empfehlungen gehören neben der Modernisierung und der Digitalisierung, die Bürgerbüros, die Flexibilisierung des öffentlichen Dienstes sowie der Zugang zur Wirtschaft und der Austausch mit der Wirtschaft.
Bei den finanzpolitischen Aspekten haben wir festgestellt, dass wir in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu allen anderen Bundesländern besonders große Herausforderungen verzeichnen, weil wir erst sehr spät anfangen können, zu tilgen, und wir durch unsere Industriegeschichte besonders viele Großstädte haben, die durch den Strukturwandel besonders hohe Finanzbedarfe und besonders hohe Verschuldungsraten haben. Dadurch haben wir auch einen besonders hohen Bedarf bezüglich des Erhalts der Infrastruktur und setzen deshalb auf eine präventive wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, die Einrichtung des Sondervermögens, des sogenannten Infrastrukturfonds, und die Gesetzesfolgenabschätzung um den Bestandteil des demografischen Wandels.
Mitten in der Kommission haben wir dann die aktuelle Prognose bekommen, und einige Kollegen haben auf dem Flur schon gefrotzelt: „Ja, jetzt könnt ihr das Ganze im Grunde sein lassen, das hat sich erledigt.“ – Nein, es gilt nach wie vor: Wir werden bunter, wir werden älter, wir werden weniger.
Auch wenn wir in diesen Tagen die Frage der Flüchtlingszahlen, die uns alle beschäftigt, und darüber diskutieren, was das für uns bedeutet – wie viele bleiben hier, und wie integrieren wir sie? –, kann ich den Kolleginnen und Kollegen sagen: Diese Handlungsempfehlungen, dieser Bericht ist so aktuell wie nie. Die ersten Handlungsempfehlungen drehen sich genau um diesen Bereich: Es geht um Anerkennung von im Ausland erworbener Abschlüsse, um den Arbeitsmarktzugang und um Integrationsmaßnahmen. Ich kann Ihnen diesen Bericht nur empfehlen.
Einen herzlichen Dank nochmals an die Sachverständigen, an die Kolleginnen und besonders an die wissenschaftlichen Referentinnen. Zwei Jahre intensive inhaltliche Arbeit sind auch eine persönliche Zusammenarbeit, und ich habe mich auf die Sitzungen immer gefreut.
Vielen Dank auch der Vorsitzenden, die mit ihrer besonnenen und weisen Art und Weise, Sitzungen zu leiten, dazu beigetragen hat, dass wir den einen oder anderen schrillen Ton, den wir in der Kommission hatten, konsensual auflösen konnten. Dafür mein herzliches Dankeschön!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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