Martin-Sebastian Abel: „Die Bremser sitzen oft im Bundesfinanzministerium“

Antrag der Piraten zu Steuervermeidungsstrategien von Konzernen

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück aus dem warmen Griechenland. Ich verkneife mir jetzt die Frage, wie viele Ouzo denn der Rede vorausgegangen sind. Aber über die Begrifflichkeit „Gyros-Connection“ habe ich schon ein bisschen gehustet, lieber Marcus Optendrenk. Ich habe auch etwas schlucken müssen, als Sie wieder versucht haben wegzuwischen, dass das Thema „Steuervermeidung, Steuerhinterziehung, Steuerflucht“ hier quasi gar nichts zu suchen hätte, weil das ja auf internationaler Ebene alles getan werden müsste. Da kann man nur noch einmal an die Debatte erinnern, die wir hier im Hause zu den Panamapapers geführt haben.
Es gibt sehr wohl nationale Möglichkeiten und Mittel, beispielsweise ein Transparenzregister, das öffentlich zugänglich ist, gegen das sich der Bundesfinanzminister, Herr Dr. Wolfgang Schäuble, mit allem, was ihm zur Verfügung steht, wehrt, das hintertreibt. So ist das bei vielen anderen gesetzlichen Regelungen, die von der Europäischen Union kommen, bei denen versucht wird, diese auf den europäischen Gipfeln zu verhindern. In diesen Tagen hört man ja immer wieder, jetzt wo die Britten weg sind, seien ja die größten Bremser für Steuerregulierung, für einheitliche Steuergesetze weg. Da muss man sagen: Vorsicht! – Die Bremser sind immer noch da, die Bremser sitzen nämlich ganz oft im Bundesfinanzministerium. Sehr oft stimmt Deutschland mit Malta, mit Zypern, mit anderen Steueroasen ab, wenn es beispielsweise darum geht, die Unternehmenssteuersätze in Europa zu harmonisieren. Wenn es beispielsweise, wie eben erwähnt, darum geht, ein Transparenzregister einzuführen.
Wenn wir dann unter anderem im Haushalt über die Kosten, die für die Integration der Leute, die zu uns geflohen sind, entstanden sind, reden und das in Relation setzen zu Schätzungen, beispielsweise von der Hans-Böckler-Stiftung, dass uns als Gesamtverbund jedes Jahr 100 Milliarden € Steuern durch Steuerhinterziehungen, durch Steuervermeidung verloren gehen, dann kann man doch wirklich nicht so tun, nach den Debatten, die wir hier geführt haben, und die vor allem in der Öffentlichkeit geführt werden, als hätten wir damit nichts zu tun. So einfach geht es dann auch nicht, lieber Kollege Marcus Optendrenk.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte noch einmal darauf eingehen, weil der Kollege Schulz darauf hingewiesen hat, dass es eine hohe Übereinstimmung gibt. Ja, die gibt es in der Tat. Ich verstehe nicht, warum Sie ausgerechnet bei dem Punkt des Ankaufs der Steuer-CDs jetzt immer noch auf dem Stand der 2000er-Jahre sind. Dieser Ankauf hat doch beispielsweise dazu geführt, dass bei einem vom Land Nordrhein-Westfalen erworbenen Datensatz herauskam, dass die Commerzbank Geschäfte mit der viel genannten und viel diskutierten Kanzlei Mossack Fonseca, die quasi industrieartig Briefkastenfirmen in Panama angemeldet hat, gemacht hat. In diesem Datensatz waren Geschäftsbeziehungen zwischen der Commerzbank und dieser Kanzlei enthalten.
(Ralf Witzel [FDP]: Was ist denn mit der WestLB?)
Das Land Nordrhein-Westfalen hat das an die BaFin gemeldet.
(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Immerhin!)
Das ist ein Beleg für Ihre These, Herr Kollege Schulz, dass die Bundesregierung überhaupt nichts unternommen hat und dass die BaFin nur stumpfe Schwerter in ihrem Arsenal hat. Das Einzige, was seit den Enthüllungen der Panama Papers passiert ist, war die Ankündigung, die BaFin wolle sich jetzt Betriebsabschlüsse genauer anschauen.
Da kann ich nur sagen: So kommen wir nicht weiter. Wir brauchen hier Maßnahmen, wie wir sie auch in unserem Entschließungsantrag skizziert haben. Schließlich haben wir seit der Veröffentlichung der Panama Papers nicht nur eine öffentliche Debatte. Vielmehr ist auch der Fokus der gesamten Weltöffentlichkeit auf das Unwesen gerichtet, das durch Briefkastenfirmen weltweit angerichtet werden kann. Es geht um Drogenkriminalität, es geht um Terrorismusfinanzierung, und es geht eben auch um Steuerhinterziehung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist gut, dass das Licht der Öffentlichkeit darauf fällt; denn dunkle Geschäfte scheuen diese Öffentlichkeit.
Dann muss aber auch darüber gesprochen werden, was diese Bundesregierung alles blockiert hat. Die Bundesregierung hat auf EU-Ebene zum Beispiel massiv gegen die Einführung des eben erwähnten Transparenzregisters gekämpft. Die Bundesregierung hintertreibt die Meldepflicht von Steueroasen für die schwarze Liste der EU-Kommission aktiv, indem sie kein einziges Land meldet. Als einziges Land in Europa hat die Bundesrepublik kein einziges Land auf die schwarze Liste setzen lassen. An dieser Stelle reiht sich auch ein, dass die Große Koalition Gesetzesinitiativen im Bundestag zum Whistleblower-Schutz und zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen nicht mitgetragen hat.
Kurzum: Wir müssen an dieser Stelle handeln. Der Bund ist hier in der Pflicht. Wir haben vieles davon in unseren Entschließungsantrag übernommen und bitten um Zustimmung. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])