Martin-Sebastian Abel: „Die Anforderungen an eine gerechte Erbschaftsteuer sind dadurch jedenfalls nicht erfüllt“

Antrag der FDP zur Erbschaftssteuerreform

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Dekade hat das Bundesverfassungsgericht zweimal – zweimal, lieber Kollege Dr. Optendrenk – den Gesetzgeber, den Bund, aufgefordert, die Erbschaftsteuer gerechter zu machen, und es hat zweimal die pauschalen Ausnahmeregelungen für grundgesetzwidrig erklärt.
Die Große Koalition hat nach dem letzten Urteil fast anderthalb Jahre gebraucht, um einen Gesetzentwurf vorzulegen. Deswegen ist es völlig unverständlich, wie Sie sich hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen ans Pult stellen und der Landesregierung vorwerfen können, sie habe über Wochen und Monate geschwiegen, wenn die Große Koalition wegen der Alpen-Ayatollahs, die alles Mögliche ins Getriebe geworfen haben, um die Erbschaftsteuer zu kassieren, sich nicht einigen konnte. Wenn Sie sich in der CDU gegen die nicht durchsetzen können, ist das der Treppenwitz der Geschichte, lieber Kollege Marcus Optendrenk.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Das, was die Große Koalition uns da vorgelegt hat, war meilenweit von dem entfernt, was das Bundesverfassungsgericht an Ansprüchen festgelegt hat. Die Regelungen wurden noch komplizierter. Die pauschalen Begünstigungen bei Erben von Betriebsvermögen wurden beibehalten, und Betriebsvermögen im Millionenumfang wurden pauschal ohne Bedürfnisprüfung weiter geschont.
Da geht es auch nicht um die kleinen und mittleren Unternehmen; da geht es auch nicht um Arbeitsplätze. Wer der Meinung ist, dass wir Betriebsvermögen bis zu 90 Millionen € ohne Bedürftigkeitsprüfung generell verschonen sollten, der hat nicht den mittleren Handwerksbetrieb in Nordrhein-Westfalen im Sinn. Es ging darum, dass die CSU die Maut für das Bierzelt bekommt und Seehofer für die Schickeria in München die Erbschaftsteuer kassiert. Darum ging es, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Die CDU hat hier vor der Sommerpause noch versucht, uns zu drängen, diesen Murks mitzutragen, weil sie nicht allein in diesem Boot sitzen wollte. Sie wollte nicht alleine der Handlanger der CSU zu sein. Das aber können Sie ohne uns machen!
Nach den Ausführungen von Herrn Dr. Optendrenk und von Herrn Witzel fällt es mir schwer, das zu sagen, aber ich bin näher bei Herrn Witzel.
(Minister Johannes Remmel: Oh! – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Zuruf von Oliver Keymis [GRÜNE])
– Ja, das ist in der Tat bemerkenswert. Deswegen sage ich das hier noch einmal.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine …
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Lieber Kollege Marcus Optendrenk, so, mit der Leichtigkeit, mit der Sie über die beiden grundsätzlichen Urteile des Bundesverfassungsgerichts hinweggegangen sind und das auch noch verteidigt haben, machen Sie sich unglaubwürdig, wenn Sie an anderer Stelle hier im Hause, wie vorhin in der Fragestunde, immer auf Gerichte und Urteile verweisen. Das ist unglaubwürdig.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Abel, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Optendrenk zulassen?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ja, immer sehr gern.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.
Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herzlichen Dank, dass ich nachfragen darf. Ist Ihnen bewusst, dass es bei den 90 Millionen € nicht um den Firmenumsatz in einem Jahr geht – so wie das immer als Gegenargument erzeugt wird –, sondern um eine Bewertung, die aufgrund der sehr niedrigen Zinslage eine steuerliche Festsetzung ist, die bei Weitem nicht nur riesige Unternehmen und Konzerne betrifft, sondern aufgrund des Bewertungsfaktors auch schon mittlere und größere Mittelständler umfasst?
(Vereinzelt Beifall von der CDU)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Abel.
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ich würde am liebsten mit einer Gegenfrage antworten, aber ich sage einfach: Ja, das ist mir bewusst. – Ihnen sollte allerdings auch bewusst sein, dass das Bundesverfassungsgericht in beiden von mir erwähnten Urteilen die pauschale Befreiung ohne die Bedürftigkeitsprüfung als verfassungswidrig erklärt hat. Diese Systematik wird erneut durchbrochen.
Wenn man anderthalb Jahre Zeit hatte und dann auch noch mit einer satten Mehrheit innerhalb der Großen Koalition das Gericht auf diese Art und Weise missachtet, dann kann ich dazu nichts anders als: Das ist Murks, und das entspricht nicht unseren Vorstellungen.
(Beifall von Oliver Keymis [GRÜNE])
Ich glaube, mit unseren Vorstellungen von gerechten Erbschaftsteuern erzielen wir auch über die Parteigrenzen hinweg Einigkeit. Natürlich muss es bei Betriebsübergaben Ausnahmen für die Firmen geben, die sich das nicht leisten können, sodass die Übernahme eines Betriebes im Falle einer Erbschaft nicht verunmöglicht wird. Wir benötigen die Ausnahmen. Aber das kann man doch nicht pauschal bis zu einem Vermögen von 90 Millionen € machen. Das steht nun wirklich ganz klar in den Urteilen.
Die Verbesserungen, die unser Finanzminister gemeinsam mit der grünen Finanzministerin Monika Heinold aus Schleswig-Holstein erreicht hat, haben diesen Kompromiss näher an das gebracht, was das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber als Hausaufgaben aufgegeben hat. Das ist gemessen am Ausgangspunkt und der von mir erwähnten Blockadehaltung der CSU ein großer Erfolg. Ich denke da etwa an die Stundungsregelung, an die versteckten Luxusgüter – Herr Zimkeit hat auch die Oldtimersammlungen erwähnt – sowie an die Verschärfung des Ausschüttungsverbotes.
Ob diese Verbesserungen ausreichend sind und den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, das bleibt abzuwarten. Die Klagewahrscheinlichkeit ist hoch. Die Anforderungen an eine gerechte Erbschaftsteuer sind dadurch jedenfalls nicht erfüllt. Wir werden deswegen weiterhin als Fraktion und auch als Partei dafür einstehen, dass Vermögen und Erbschaften stärker als bisher in die Finanzierung unserer gesamtstaatlichen Aufgaben, in die Finanzierung für gute Schulen, für ein gutes Straßen- und Schienennetz sowie in die Finanzierung wichtiger Zukunftsaufgaben einbezogen werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dafür werden wir streiten.
Einen letzten Punkt möchte ich zum Schluss noch ansprechen – da hat Herr Kollege Witzel auch recht –: Was muten Sie den kleinen und mittleren Unternehmen, die vielleicht kurz vor einer Unternehmensnachfolge stehen, eigentlich an Rechtsunsicherheit zu?
Das Bundesverfassungsgericht wird sich erneut mit dieser Thematik befassen. Ich glaube, dass die Kollegin Britta Haßelmann aus dem Deutschen Bundestag recht hatte, wenn sie hat mit dem Satz geschlossen hat, mit dem auch ich schließen möchte: Das hier ist die Erbschaftsteuerreform vor der nächsten Erbschaftsteuerreform. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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