Martin-Sebastian Abel: „Das Thema betrifft nicht nur Schule“

Antrag der Piraten zum Gehalt von angestellten Lehrern

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte damit beginnen – ich denke, das ist Ansinnen aller hier im Hause –, den Kolleginnen und Kollegen für den Dienst, den sie an unseren Schulen, aber auch in anderen Teilen der öffentlichen Verwaltung leisten, ausdrücklich zu danken. – Ich hätte jetzt eigentlich erwartet, dass Sie applaudieren. Aber okay!
Dieses Thema ist in der Tat ein wichtiges Thema. Das Thema wird von denjenigen, die am Ende des Monats weniger auf dem Gehaltszettel haben, völlig zu recht als Ungerechtigkeit empfunden. Das haben die Kollegen schon ausgeführt. Natürlich ist es auch eine Ungerechtigkeit. Das müssen wir hier so klar ansprechen.
Wir haben seit 2010 eine Strecke hinter uns, auf der wir den Schuletat auf fast 18 Milliarden € angehoben haben. Das ist ein Zuwachs von 27 %. Wir haben deutlich mehr Stellen eingestellt. Es sind aufaddiert über 7.300. Das ist eben ein wichtiges Element.
Frau Kollegin Korte, Sie haben am Schluss Ihrer Rede noch die Biege bekommen, warum das nicht alles im Rahmen der Dienstrechtsreform angegangen wurde. Sie haben selbst auf das Finanzvolumen hingewiesen.
Es gibt viele Ungerechtigkeiten im System, beispielsweise bei der Besoldung der Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen. Die Strecke der letzten sieben Jahre wollen wir gerne fortsetzen und diese Ungerechtigkeiten Stück für Stück abbauen und beseitigen. Dafür spielen § 109a auf Bundesebene und die Steuereinnahmen eine Rolle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Thema betrifft nicht nur Schule, sondern auch die Kommunalverwaltung und andere Verwaltungseinheiten. Auch in unseren Ministerien gibt es diese Ungleichheiten zwischen Menschen, die mit demselben Aufgabenbereich betraut sind. Es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen den angestellten Kolleginnen und Kollegen und denjenigen, die verbeamtet sind, weil bei Angestellten einfach netto weniger überbleibt.
Das Institut der Wirtschaft hat eine Studie veröffentlicht. Der Durchschnittsbeamte oder die Durchschnittsbeamtin – ich weiß nicht, ob in der Studie zwischen Mann und Frau differenziert wurde – hat eine Abgabenquote von etwa 28 %, die Angestellten haben eine von über 40 %. Ich glaube, es sind 42 %. Das bedeutet dann auch, wenn wir – und das wollen wir – die Ungerechtigkeiten auch über die Tarife abschmelzen, ein Euro für eine angestellte Kollegin ist dann netto weniger als bei der Kollegin, die verbeamtet ist. Wir müssen dann auch auf Bundesebene darüber reden – und unsere Partei tut das seit vielen Jahren –, wie wir Einkommen entlasten können. Das hat auch etwas damit zu tun, wie wir unser Gesundheitswesen organisieren. Da reden wir über das Thema „Bürgerversicherung“. Ich war ja sehr erfreut, dass der Kanzlerkandidat der SPD dieses Thema nach vielen Jahren auch für sich entdeckt hat.
(Zuruf von der SPD: Was?)
Da kann man nur die Frage stellen: Was braucht es denn noch außer einer Großen Koalition? Wer soll das denn umsetzen, wenn nicht eine Große Koalition, dass wir dieses System reformieren und dann diese Ungerechtigkeit aufhört, dass nur Erwerbseinkommen einbezogen wird bei der Höhe der Kosten zur Krankenversicherung, dass es dann keine Rolle spielt, wenn sie zum Beispiel Einnahmen aus Mieten und Pachten oder Ähnliches haben. Das wollen wir ändern. Das würde dann auch Angestellte entlasten. Das gehört dann auch zur Gerechtigkeitsdiskussion, meine Damen und Herren. Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, dass Sie das unruhig macht, aber diese Ungerechtigkeit anzugehen, dafür steht unsere Partei seit vielen Jahren, und das wollen wir auch durchsetzen.
Meine Damen und Herren, in der Enquetekommission „Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte“ haben wir gemeinsam – alle fünf Fraktionen – viele Handlungsempfehlungen verabschiedet. Wir haben vor einigen Wochen in einer Podiumsdiskussion in Köln erlebt, dass aufgrund politischer Entscheidungen viele angestellte Kolleginnen und Kollegen in ihrer Biografie immer wieder Brüche haben. Ich rede zum Beispiel von Einstellungsvoraussetzungen – da die Altersgrenze –, dass die da immer vorbeigeschrammt sind und ihnen, obwohl sie gut qualifiziert waren und wahrscheinlich mit der Reform die Anforderungen erfüllt haben, so der Zugang zum Beamtentum verwehrt wurde.
Man kann hier nur gemeinsam handeln, denn es braucht eine breite Mehrheit. Ich bin dafür, dass unabhängig davon, wie die Wahl am 14. Mai ausgeht, wir gemeinsam eine grundlegende Reform angehen, bei der wir diese Regelungen zum Eintrittsalter angehen. Das kann nicht nur eine regierungstragende Mehrheit alleine, dazu braucht es einen Konsens. Wir haben diesen Konsens in der Enquetekommission gehabt. Ich wünsche mir, dass wir das nach dem 14. Mai – egal, wie die Mehrheitsverhältnisse hier im Hause sind – dann auch angehen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. Lieber Kollege Abel, ich nehme jetzt einfach die Gelegenheit wahr. Sie waren ja mit mir, mit Frau Gebauer, mit Frau Hammelrath und Herrn Möbius von der Union auf dieser Podiumsdiskussion der GEW in Köln. Ich denke, Ihnen ist auch nicht entgangen, wie aufgeladen die Stimmung dort gewesen ist bei den Lehrerinnen und Lehrern. Sie war richtig aufgeladen.
(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Ja!)
Ich frage mich, wenn wir hier über dieses Problem reden in so einer technischen, vielleicht haushalterischen Sprache, wie das draußen ankommt. Bei den Leuten brennt die Hütte, und zwar richtig. An einen Fall möchte ich erinnern, an den eines Berufsschullehrers mit drei Kindern, der 1.000 € netto weniger hatte als ein gleichqualifizierter Kollege. Wenn man jetzt noch auf eine Dienstrechtsreform wartet, dann kommt das doch draußen so an wie „Die machen wieder Warten auf Godot“.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Es laufen doch gerade Verhandlungen!)
– Ja, ich weiß, dass gerade Verhandlungen laufen. Trotzdem brennt bei denen die Hütte, und das sollten wir hier auch entsprechend würdigen. Immer nur diesen lapidaren Dank an die Lehrerinnen und Lehrer geht mir auf den Senkel!
(Beifall von den PIRATEN)
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ach, Herr Kollege Dr. Paul, das ist wieder so ein Exempel, wo man sich fragt, ob Sie sich selber noch im Griff haben. Natürlich weiß ich, dass die Stimmung…
(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Vorsicht, Freund! – Christof Rasche [FDP]: Wozu denn Vorsicht?)
– Immer diese Ausraster und das Auf-den-Tisch-Hauen. Ich glaube, dass das draußen nicht gut ankommt. Und ich glaube, dass diejenigen, die der Debatte folgen, schon gemerkt haben, was ich hier gesagt habe. Und da Sie das offensichtlich überblendet haben, will ich das dann auch noch einmal sagen.
Ich habe darüber gesprochen, dass dann, wenn wir das Ziel haben – und das Ziel verfolgen wir –, die Ungerechtigkeiten auch über den Tarif abzuschmelzen, wir auch berücksichtigen müssen, dass bei Angestellten weniger netto vom brutto bleibt, und das ist eine Ungerechtigkeit. Ich habe auf die Gründe abgehoben. Die liegen im Steuerrecht. Aber ich habe auch auf die Krankenversicherung abgehoben. Das ist wahrscheinlich für den Kollegen mit den 1.000 € Gap – das habe ich auch noch sehr gut in Erinnerung – ein wichtiger Faktor. Und das wissen die Leute auch.
Ja, man kann natürlich so tun, als wenn die Rahmenbedingungen, unter denen wir hier arbeiten, einem egal seien. Sie können das auch kritisieren, und Sie haben das ja auch mit Ihrem Sachverständigen Bontrup in der Enquetekommission getan, dass Sie die Regelung in Art. 109a Grundgesetz ablehnen. Wir Grünen haben ja damals auch nicht zugestimmt. Aber es ist jetzt nun mal im Grundgesetz, und ich sehe keine verfassungsändernde Mehrheit, die das aufhebt. Deswegen kann ich nicht Versprechungen machen, die wir am Ende nicht einhalten können, denn das frustriert dann die Kolleginnen und Kollegen. Und hören Sie auf, so zu tun, als wenn das alles ganz einfach wäre und man einfach nur mal auf den Tisch hauen muss, um klare Kante zu zeigen. So einfach ist das nicht, Herr Dr. Paul.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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