Martin-Sebastian Abel: „Bargeld ist gelebter Datenschutz, weil ich anonym bezahlen kann.“

Antrag der CDU zum Erhalt des Bargeldverkehrs

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Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Noch einmal vielen Dank. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Abel das Wort.
(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE] geht zum Rednerpult.)
Ist das Muhammad Ali auf Ihrem T-Shirt?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ja, Herr Präsident. Anlässlich der Beerdigung habe ich gedacht, das wäre eine schöne Geste.
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])
Ich glaube, dass viele die Nachricht vom Ableben von Muhammad Ali mit großer Trauer aufgenommen haben. Deswegen habe ich dieses T-Shirt heute Morgen aus meinem Kleiderschrank herausgepickt.
(Zuruf von den PIRATEN: Zweierlei Maß!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Optendrenk, der CDU-Antrag ist ein ziemlich billiger Versuch. Kollege Weske hat auf den Zeitplan hingewiesen; es gibt bereits Anträge im Hause. Es ist besonders billig, wenn man sieht, dass Ihr Finanzminister Herr Dr. Schäuble einer der brennenden Befürworter einer Bargeldobergrenze ist.
Man muss sich an dieser Stelle wie auch an anderen Stellen fragen, ob Sie als größter Landesverband der CDU in Ihrer Partei überhaupt irgendetwas zu sagen haben. Denn wenn Sie geißeln, dass es hier vonseiten des Finanzministers – was er nicht gemacht hat – Vergleiche mit der Mafia gegeben hätte, kann man nur sagen: Wenn Sie mit dem Finger auf uns zeigen, zeigen drei Finger auf Sie selbst zurück. Es war Staatssekretär Meister, der gesagt hat, er sei für eine Abschaffung des Bargeldes, weil damit sehr viele illegale Geschäfte gemacht würden.
(Zuruf von der SPD)
Das heißt, Staatssekretär Meister hat alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt, und damit zeigen drei Finger eindeutig auf Sie zurück. Das ist schon sehr billig, Herr Kollege.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Abel, der von Ihnen soeben angesprochene Abgeordnetenkollege möchte Ihnen gerne seinerseits eine Frage stellen. Ich nehme an, Sie lassen sie zu.
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ja, sehr gerne.
Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Kollege, ich danke herzlich dafür und frage Sie, wie Sie die Einschätzung von Kollegen Weske bewerten, dass die Äußerungen, die Sie als Grüne auf Ihrem Landesparteitag getätigt haben, nicht die Meinung der SPD-Fraktion sind. Darf ich daraus schließen, dass es heute ein abweichendes Abstimmungsverhalten der Grünen zu unserem Antrag gibt, oder wie werden Sie sich gleich verhalten?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) TC „Martin-Sebastian Abel (GRÜNE)“: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk, für die Zwischenfrage. In der Tat, 95 % Ihres Antrages entsprechen wortwörtlich einem sehr guten Parteitagsbeschluss, den die Grünen auf dem Landesparteitag zu dem Thema gefasst haben. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass sich auch die Fraktion sehr eindeutig gegen die Einführung einer Bargeldobergrenze positioniert hat, weil wir sagen: Das ist ein nicht verhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger.
(Ralf Witzel [FDP]: Richtig! Ganz genau!)
Es droht damit eine neue Form der Vorratsdatenspeicherung. Bargeld ist gelebter Datenschutz, weil ich anonym bezahlen kann.
(Ralf Witzel [FDP]: Richtig!)
Es ist eben nicht mehr retrograd nachverfolgbar und durchsuchbar und wird gespeichert, wann ich mich wo aufgehalten habe und wofür ich was bezahlt habe. Das ist ein großer Freiheitsraum, den wir erhalten sollten. Das ist die Position der Grünen.
Es gilt die alte Regel: Anträge der Opposition, die die Absicht haben, die Regierungsfraktionen zu spalten, werden abgelehnt.
(Zurufe von der FDP: Oh! – Widerspruch von der CDU)
So werden wir auch heute verfahren. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, weil Sie danach gefragt haben: So, wie ich die Anhörung wahrgenommen habe, gab es einen Sachverständigen, der nicht grundsätzlich gegen die Einführung einer Bargeldobergrenze war, der aber auf jeden Fall den Betrag von 3.000 € als Obergrenze, den Ihr Bundesfinanzminister in die Diskussion gebracht hat – ich sage das noch einmal; es gibt aber auch andere Vorschläge –, als viel zu niedrig angesehen hat. Er hat sich für eine Grenze von 10.000 € ausgesprochen.
Ich kann nur sagen: Mein parlamentarisches Verständnis ist es in der Tat, dass wir die Anhörung auswerten. Deswegen kommt der Antrag zur Unzeit. Da hat der Kollege Weske recht.
Ich würde aber für unsere Fraktion festhalten wollen, dass wir bei dieser Positionierung bleiben. Da sind wir eben an einem Punkt nicht der Meinung des Landesfinanzministers. Aber Sie brauchen jetzt nicht zu denken, dass Sie dadurch einen Keil zwischen uns treiben können. Denn der Unterschied zwischen Ihrem Bundesfinanzminister und diesem Landesfinanzminister ist vor allen Dingen beim Kampf gegen Steuerhinterziehung eklatant.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Welche Schritte hat die Bundesregierung, hat Herr Schäuble seit den Veröffentlichungen um die Panama-Papers eingeleitet, um dieses Geschäftsgebaren einzugrenzen?
(Ralf Witzel [FDP]: Das hat damit nichts zu tun!)
Die EZB hat den 500-€-Schein abgeschafft. Die BaFin will jetzt genauer in die Jahresabschlüsse von Banken gucken. Donnerwetter! Dazu kann ich nur sagen, Herr Kollege Dr. Optendrenk: Wenn der Staatssekretär Meister ernsthaft der Meinung ist, es sei ein geeignetes Instrument, alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht zu stellen, möchte ich Sie eindrücklich davor warnen. Denn die Menschen draußen verstehen nicht, dass die Freiheit, mit Bargeld zu bezahlen – auch über eine gewisse Grenze hinaus –, eingeschränkt wird, während die ganze Finanzindustrie, wie Teile der Commerzbank und Privatbanken, die auch hier in Düsseldorf ansässig ist, Menschen beraten haben, wie sie an unserem Staat vorbei Anlagen kaufen, um keine Steuern zahlen zu müssen. Das verstehen die Bürgerinnen und Bürger dann wirklich nicht mehr.
Deswegen ist es ein fatales Signal, das der Staatssekretär und der Bundesfinanzminister aussenden. Es geht nicht um das Instrument einer Bezahlobergrenze, sondern es geht um die Angst vieler Bürgerinnen und Bürger, dass jeder Schritt durchforstet wird. Das ist ein fatales Signal, wenn an anderer Stelle nichts gegen Steuerhinterziehung unternommen wird.
(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Sagen Sie mal etwas zur WestLB!)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Abel, Herr Kollege Dr. Optendrenk würde Ihnen gern noch eine Frage stellen.
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Wenn es der Wahrheitsfindung dient, sehr gern.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das ist die Voraussetzung dafür, dass eine Frage zulässig ist. Das war ein Scherz. – Bitte, Herr Kollege.
Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herzlichen Dank, dass ich noch einmal fragen darf. Wie wollen Sie den Menschen eigentlich erklären, dass Sie, obwohl Sie jetzt ein Hemd mit einem Boxermotiv tragen, nicht den Eindruck erzeugen, hier eine „politische Mattenflucht“ begangen zu haben?
(Zurufe von den GRÜNEN)
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Kollege, Dr. Optendrenk, Sie müssen in der Debatte schon aufpassen, dass Sie sich am Ende nicht selber hauen und auf der Matte liegen. Einfach einen Parteitagsbeschluss zu nehmen, wo wir anderer Meinung als der Landesfinanzminister sind, um von der ganzen Untätigkeit der Bundesregierung bei Panama-Papers, bei Lux-Leaks abzulenken – ich könnte noch weiter in die Vergangenheit zurückgehen, zum Beispiel zum Steuerabkommen mit der Schweiz, das Sie verhindert haben –, dazu sage ich: Ihre Leute in Berlin machen überhaupt nichts.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Das ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln. Passen Sie auf, dass Sie sich nicht selber schlagen, wenn Sie einen Schlag auf die Deckung kriegen, und nachher mit zwei blauen Augen hier herausgehen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass der Blick auf andere europäische Länder zeigt: Die Einführung einer Bezahlobergrenze hat weder zu signifikant niedrigeren Kriminalitätsraten noch zu höheren Aufklärungsquoten geführt.
Man muss den Bürgerinnen und Bürgern auch sagen, wenn hier von einer Bargeldobergrenze von 5.000 € oder sogar 3.000 € gesprochen wird und angeführt wird – ich bitte, das jetzt nicht misszuverstehen –, es sei auch eine Maßnahme, um Terrorfinanzierungen einzudämmen, dass es Länder gibt wie Frankreich und Belgien, die eine sehr viel niedrigere Bezahlobergrenze von 1.000 € haben. Da muss man schon fragen: Ist das wirklich wirksam?
Wir glauben – da hat der Kollege Kern mit seiner Zwischenfrage nicht ganz Unrecht gehabt –, dass es wenig Sinn ergibt, einen neuen Datenpool zu bilden, Daten zu speichern und zu sammeln, weil die Ermittlungsbehörden im Einzelnen aufgrund der Masse der Daten am Ende überfordert sind.
Der zweite Punkt, den man bezüglich der Vorratsdatenspeicherung anführen muss, ist Folgender: Es gibt aus Verbraucherschutzgründen mehrere Gründe, gegen so ein Instrument zu sein. Wenn alles auf ein Konto eingezahlt wird, Herr Kollege Weske, wird jeder Schritt nachvollziehbar.
Und wir reden auch über das Risiko von Negativzinsen. Als der Antrag der Fraktion der Piraten kam, der das aufgenommen hat, und auch von der FDP, konnte man noch sagen: Das ist ein Szenario, von dem man nicht weiß, ob es eintritt. Aber es gibt inzwischen die ersten Sparkassen, die für ihre Geschäftskunden auch Negativzinsen einführen. Es ist schon ein Risiko nicht nur für den privaten Zahlungsverkehr, sondern auch für den Geschäftszahlungsverkehr, wenn mittelständische Unternehmen beispielsweise Rücklagen für die Gehälter ihrer Mitarbeiter bilden, dass sie bestraft werden, wenn sie das auf einem Bankkonto machen.
Schauen Sie sich die Entwicklung an beim Goldpreis. Schauen Sie sich die Zuwachsraten von Tresorherstellern an. Es ist ein eklatantes Problem. Das betrifft alle Bürgerinnen und Bürger. Deswegen ist für die grüne Fraktion ganz klar: Man kann das Kind hier nicht mit dem Bade ausschütten. Es ist nicht verhältnismäßig. Deswegen werden wir uns weiterhin gegen eine Bezahlobergrenze bei Bargeld positionieren, auch wenn wir diesen Antrag heute ablehnen müssen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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