Mario Krüger: „Wir sorgen dafür, dass weder der ländliche Raum noch die großen kreisfreien Städte bevorzugt oder benachteiligt werden.“

Gemeindefinanzierungsgesetz 2014

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Das war schon starker Tobak, Herr Abruszat, was Sie hier vorgetragen haben. Sie sollten einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass wir mit rund 9,3 Milliarden € die höchste Summe an Finanzmitteln für die Gemeindefinanzierung bereitstellen, die jemals in diesem Zusammenhang eingestellt worden ist. Das ist ein erheblicher Mittelzuwachs gegenüber dem Spitzenwert aus dem Jahr 2013. Ich empfehle Ihnen, sich mal die Zahlen Ihrer Regierungszeit anzusehen, beispielsweise die Zahlen aus dem 2006. Sie werden feststellen, dass der Mittelzuwachs im Jahr 2013 gegenüber dem Jahr 2006 rund 61 % beträgt.
Frau Scharrenbach, ich will gerne zugestehen, dass das einerseits auf die gestiegenen – ich betone: weitergeleiteten – Steuermehreinnahmen des Landes zurückzuführen ist, aber auch auf unser Festhalten am kommunalfreundlichen Kurs, unter anderem durch eine weitere Einbeziehung der Grunderwerbsteuer, die Sie seinerzeit abgeschafft haben. Wir haben auch an der Herausnahme der früheren Befrachtung festgehalten, die Sie in diesem Zusammenhang vorgenommen haben. Wir stehen – ganz im Gegensatz zu Ihnen in Ihrer Regierungszeit – zu unserem kommunalfreundlichen Kurs. Wenn Sie sagen, Herr Abruszat, dass bis 2010 alles schlecht war und danach alles besser geworden ist, kann man dem nur zustimmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Damit komme ich auf Ihren Antrag zurück, den Sie in der vorletzten Woche in einer Anhörung haben behandeln lassen. Er trägt den Titel: „Kommunen fair behandeln – NRW braucht eine verlässliche und transparente Informationsgrundlage zum kommunalen Finanzbedarf!“ Das war ein durchsichtiger Versuch, Herr Abruszat, sich als Anwalt der Kommunen zu präsentieren.
Wenn man sich in diesem Zusammenhang mal Ihre Herangehensweisen zu Gemüte führt, ist zum Beispiel die Verdopplung der Krankenhausumlage von 20 auf 40 % zu nennen. Das alleine hat zu einer Mehrbelastung der kommunalen Haushalte in Höhe von 110 Millionen € geführt. Allein der Wegfall des Elternbeitragsausgleichsverfahrens bei den Kindertagesstätten hat 85 Millionen € gekostet. Der Minister hat eben schon die Kürzung bei der Schülerbeförderung, aber auch die Aufgabenverlagerung zulasten der Kommunen bei der Versorgungs- und Umweltverwaltung angesprochen. Man könnte noch weitere Baustellen nennen, zum Beispiel die Weiterbildungsmittel, die Sie ebenfalls gekürzt haben.
Das werden wir Ihnen jedes Mal vorhalten, Herr Abruszat, wenn Sie sich hier entsprechend aufstellen – das gilt auch für Frau Scharrenbach –: Das war die frühere CDU-FDP-Landesregierung. Ein Raubzug durch die kommunalen Kassen! Warum? Um den Landeshaushalt schönzurechnen!
Selbstverständlich ist eine Anhebung der Verbundquote zu begrüßen. Das sage ich gerade in meiner Funktion als kommunalpolitischer Sprecher. Zurzeit liegt sie bei 23 %. Von Ihnen ist ja die Situation aus den 90er-Jahren vorgetragen worden, als wir 28 % hatten. Dann müssen Sie aber auch eine Antwort darauf geben – das tun Sie jedoch nicht, Frau Scharrenbach –, wie Sie das finanzieren wollen. Denn Sie wissen auch: Die Erhöhung um einen Punkt macht Mehrkosten von 410 Millionen € aus. Die Antwort, wie das finanziert werden soll, bleiben Sie schuldig.
Damit komme ich zum zweiten Themenkomplex, der Grunddaten­anpassung auf Basis des Jahres 2009. Auch das ist ein Vorwurf, den ich Ihnen, Herr Abruszat und Frau Scharrenbach, für die FDP- bzw. die CDU-Fraktion machen muss. Wir halten daran fest, die Verteilung der Schlüsselzuweisungen auf Grundlage der jeweils aktuellsten Grunddaten vorzunehmen – so geschehen bei den Gemeindefinanzierungsgesetzen 2011, 2012, 2013 und auch 2014. Damit sorgen wir dafür, dass weder der ländliche Raum noch die großen kreisfreien Städte bevorzugt oder benachteiligt werden – ganz im Gegensatz zur früheren schwarz-gelben Landesregierung.
Sie haben doch durch die Anwendung überalterter Bemessungs­grundlagen – beispielsweise zur Bemessung der sozialen Lasten – den ländlichen Raum einseitig bevorzugt und damit die strukturschwachen und kreisfreien Städte mit erheblichen sozialen Aufwendungen benachteiligt und letztlich die Finanzkrise der Kommunen im Ruhrgebiet bzw. im Bergischen Land verschärft. Das muss an diesem Punkt festgestellt werden.
Wir haben das korrigiert. Wir haben im Jahr 2011 die Anpassungen vorgenommen. Wir haben aber gleichzeitig gesehen – das sollte auch gesagt werden –, dass es Verwerfungen im ländlichen Raum gibt, mit denen man nur schwer umgehen kann. Insofern ist die Anpassung beim Soziallastenansatz nicht in voller Höhe vorgenommen worden, sondern wir haben das Ganze in zwei Schritten gemacht, und zwar zunächst auf 9,6 in 2011 und 15,3 in 2012. Normalerweise hätte man gleich auf 17,76 anheben müssen. Darüber hinaus haben wir in 2012 aus dem Landeshaushalt eine zusätzliche Abmilderungshilfe in Höhe von 60 Millionen € insbesondere für den ländlichen Raum zur Verfügung gestellt.
In gleicher Weise werden wir beim Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 verfahren. Im GFG 2013 lag der Soziallastenansatz bei 15,3. Die Regressionsanalyse auf Basis der Grunddatenanpassung 2009 ermittelte einen Wert von 12,4. Wir wollen diese Umverteilungswirkungen abmildern. Daher werden wir in zwei Schritten zu jeweils 50 % diesen Gewichtungsfaktor absenken, für das GFG 2014 auf 13,85. Klar ist, dass davon die strukturschwachen kreisfreien Städte profitieren.
Gleichzeitig haben wir aber auch den Zentralitätsansatz von 0,65 auf 0,46 abgesenkt. Die Spreizung der Hauptansatzstaffel haben wir um fünf Punkte zurückgenommen. Und das Verhältnis des Schüleransatzes für Halb- und Ganztagsschüler haben wir von ursprünglich 4,76 auf nunmehr 3,26 reduziert. Das bringt Vorteile für den ländlichen Raum.
Wer sich die Verteilung der Schlüsselzuweisungen zwischen dem ländlichen Raum und den kreisfreien Städten ansieht, der wird sehr schnell erkennen können, dass insbesondere der ländliche Raum von den gestiegenen Schlüsselzuweisungen profitiert. Das sage ich auch ganz ausdrücklich im Zusammenhang mit den immer wieder vorgetragenen falschen Behauptungen, Rot-Grün würde den ländlichen Raum benachteiligen.
Kommen wir zum dritten Themenkomplex: der Umsetzung des FiFo-Gutachtens in 2014 oder in 2015. Frau Scharrenbach, Sie wissen ganz genau: Das FiFo-Gutachten wurde Mittel April vorgelegt. Es ist unverzüglich an die kommunalen Spitzenverbände herausgegeben worden. Die haben ihre Stellungnahmen Mitte/Ende Mai dieses Jahres eingereicht. Die wurden ausgewertet. Dann stand man als Landesregierung vor der Frage: Wie geht man angesichts der gegenteiligen Auffassungen innerhalb der kommunalen Familie damit um? Wollen wir das Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 – wie in früheren Jahren – im September einbringen, ist es zwingend erforderlich, dass wir eine Kabinettsvorlage brauchen, die vor der Sommerpause erstellt wird. Warum? Weil unter anderem ein Anhörungsverfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden durchzuführen ist.
Insofern war es naheliegend, dass es angesichts der gegenteiligen Auffassungen in der kommunalen Familie keinen Sinn macht, die Diskussion über das Knie zu brechen. Das ist auch Ihnen gegenüber signalisiert worden. Insofern werden wir die entsprechenden Empfehlungen des FiFo-Gutachtens für das GFG 2015 anpacken.
Alles andere, Frau Scharrenbach, sind Schnellschüsse. Es mag sein, dass Sie für Schnellschüsse bekannt sind; wir jedenfalls nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir werden Veränderungen vornehmen. Zum Beispiel durch Umstellung des Zuschussbedarfs auf Auszahlung aaD, Thema „NKF, Kameralistik“; das ist klar. Ob wir als Referenzzeitraum für die Ermittlung der Steuerkraft zugrunde den Mehrjahres- oder den Einjahreszeitraum zugrunde legen, muss diskutiert werden.
Zum Thema „Fiktive Hebesätze“ hat der Gutachter eindeutig gesagt: Ihr Vorschlag, in Klassen abhängig von der Einwohnerzahl zu unterscheiden, macht keinen Sinn. – Die Herangehensweise, den fiktiven mittleren Hebesatz auf Ebene des Bundesniveaus heranzuziehen, wird von der kommunalen Familie auch nicht begrüßt. So lautet zumindest die Einschätzung, die wir in diesem Zusammenhang gehört haben.
Alle anderen Kriterien, zum Beispiel die Regressionsanalyse, der Soziallastenansatz, der Schüleransatz, die Hauptansatzstaffel, der Flächenansatz und der Zentralitätsansatz, die sie in der Vergangenheit immer kritisiert haben, sind vom Gutachter ausdrücklich begrüßt worden.
Kommen wir zum letzten Teil – das steht ja auch an –: der Einbringung des Einheitslastenabrechnungsgesetzes. Damit räumen wir ebenfalls eine Erblast von CDU und FDP ab. Ich möchte hier noch mal feststellen: Im Mai letzten Jahres hat der Landesverfassungsgerichtshof eindrucksvoll festgestellt, in welchem Umfang die Kommunen zu ihrem Nachteil zur Finanzierung der Einheitslasten herangezogen worden sind. Das war eine schallende Ohrfeige. Das sollten Sie mal zur Kenntnis nehmen. Das korrigieren wir heute.
Wer hat in diesem Zusammenhang die Verhandlungen geführt? Deren Ergebnis ist gut für die Kommunen: Es gibt eine Rückerstattung in Höhe von 275 Millionen € für die Jahre 2009, 2010 und 2011, die in 2013 zahlungswirksam wird. Für die nächsten Jahre erwarten wir Minderbelastungen in Höhe von jährlich etwa 145 Millionen €.
Gleichzeitig, Frau Scharrenbach, Herr Abruszat, verzichtet das Land auf Rückforderungen, die man hätte verrechnen können, in einer Größenordnung von etwa 240 Millionen € für die Rechnungsjahre 2007 und 2008. Das ist ein kommunalfreundlicher Kurs.
Zum Thema „Inklusion – Konnexität ja oder nein?“ werden noch Gespräche geführt. Ich gehe davon aus, dass wir dabei ein ähnliches Verfahren finden werden wie seinerzeit bezogen auf den Verwaltungsaufwand, das Bildungs- und Teilhabegesetz oder aber das jetzt neu eingeführte Betreuungsgeld, zu dem wir auch schon eine Menge gesagt haben. Das werden wir diskutieren, nachdem die Gespräche zu Ende geführt worden sind.
Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Krüger, die Redezeit.
Mario Krüger (GRÜNE): Ich bin fertig.
(Vereinzelt Heiterkeit)
Vizepräsident Daniel Düngel: Wunderbar! Dann habe ich viel zu früh dazwischengequatscht. – Vielen Dank, Herr Krüger.
Mario Krüger (GRÜNE): Eben! – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)