Mario Krüger: „Wie waren gut beraten, die Anerkennung der Soziallasten im Gemeindefinanzierungsgesetz einzubauen.“

Gemeindefinanzierungsgesetz 2013

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen, meine Herren! Herr Präsident! Ich möchte gerne an das anknüpfen, was Herr Witzel vorhin formuliert hat. Bezogen auf das Thema der Haushaltsplanung und Finanzplanung für dieses Land hat er gesagt, ein Umsteuern sei nicht erkennbar. Ich weiß nicht, ob er diesen Haushaltsplan tatsächlich gelesen hat. Bei seinem Fraktionsvorsitzenden Lindner habe ich den Eindruck gehabt, dass er sich nur das Deckblatt angeguckt hat.
(Kai Abruszat [FDP]: Nein, nein!)
Nicht umsteuern werden wir in der Frage: Wie gehen wir mit den Kommunen um? Wie stellen wir uns der Situation der kommunalen Haushalte? Da steuern wir nicht um, sondern halten Kurs. Daran halten wir fest.
Die Zahlen sind von Herrn Jäger gerade schon genannt worden. Insgesamt werden dem Gemeindefinanzierungsgesetz 8,7 Milliarden € als Verteilmasse zugrunde gelegt. Im Vergleich zu dem, was wir in früheren Jahren gehabt haben, ist das eine Spitzensumme. Die Steigerung gegenüber dem GFG 2012 beträgt 234 Millionen €. Vom Gesamtbetrag sind rund 7,34 Milliarden € nicht zweckgebunden. Das macht deutlich, welchen Stellenwert die Frage der kommunalen Finanzen in der Finanzplanung des Landes besitzt.
Wenn ich Herrn Kuper gerade richtig verstanden habe, versucht er sich als Anwalt der Kommunen zu präsentieren. Ich finde das nett; denn ich würde Ihnen einmal empfehlen, bei Google „Belastung der Kommunen schwarz-gelbe Landesregierung“ einzugeben. Das Erste, was Ihnen auffallen wird, ist ein Papier – leider nicht von der Landtagsfraktion der Grünen, sondern von der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik mit Stand vom 15. Januar 2009 –, das eine schöne Aufstellung darüber enthält, was in der schwarz-gelben Regierungszeit, und zwar in den Jahren 2006, 2007 und 2008, vorgenommen worden ist:
–   Wegfall der Grunderwerbsteuer im Rahmen der Verbundmasse in diesen drei Jahren: 540 Millionen €
–   Abschlag auf den Verbundsatz von 23 % um 1,17 Prozentpunkte ab 2009: 402 Millionen €
–   Kürzung bei der frühkindlichen Bildung von 2005 bis 2007: 141 Millionen €
–   Kürzung der Förderung der Betriebs- und Investitionskosten für Kindergärten: 87,5 Millionen €
–   Einbehaltung von Bundesmitteln für Betriebskosten der Krippen in diesen drei Jahren: 17 Millionen €
–   Kürzung der Sachmittel für die pädagogische Arbeit in den Kindertagesstätten ab 2006: 72 Millionen €
–   Kürzung für Kindertagesstätten mit besonderen Angeboten 2006: 18,7 Millionen €
–   Unterdeckung im Landesjugendplan seit 2006: 78,7 Millionen €
–   Kürzung der Erstattung bei den Schülerbeförderungskosten; das führt zu Mehrausgaben bei den Kommunen in den Jahren 2007 und 2008: 77 Millionen €
(Henning Rehbaum [CDU]: Koch/Steinbrück!)
So geht die Liste weiter. Gekrönt wird das Ganze mit einer Verdoppelung des kommunalen Anteils an den Krankenhausinvestitionen seit 2007, was zu Mehrbelastungen der Kommunen um etwa 330 Millionen € geführt hat.
Das ist die Bilanz für die drei Jahre 2006, 2007 und 2008. Ich gehe davon aus, dass die SGK in diesem Zusammenhang alle Sachverhalte vorgetragen hat. Insofern müsste das eigentlich vollständig sein. – So viel zu der Frage, wie Sie in der Vergangenheit mit den Kommunen umgegangen sind und inwieweit Sie sich in der Vergangenheit als Anwalt der Kommunen präsentiert haben!
Lassen Sie mich mehrere Sätze zum Stärkungspakt Stadtfinanzen sagen: Wohlwissend, dass sich die Kassenkredite im Zeitraum zwischen 2005 und 2010 von 10 Milliarden € auf über 20 Milliarden € mehr als verdoppelt haben, haben Sie es nicht für nötig gehalten, ein entsprechendes Paket auf den Weg zu bringen, das sich der kommunalen Situation stellt. Wir haben das gemacht!
Natürlich kann ich bezogen auf die kommunale Familie und das Thema „Neuberechnung“ nachvollziehen, dass man sich heute darüber beklagt, dass die Mittel nicht mehr 1:1 im Jahr 2013 beziehungsweise in den Folgejahren gewährt werden. Warum? – Weil in diesem Zusammenhang fehlerhafte Daten zur Verfügung gestellt worden sind – mit der Konsequenz, dass, bezogen auf die Frage der Ermittlung der strukturellen Lücke, Fehleinschätzungen beziehungsweise fehlerhafte Angaben bei der Berechnung für 2011 gemacht worden sind.
Wenn eine kreisfreie Stadt im Ruhrgebiet aus eigener Einsicht heraus an 80 Stellen Veränderungen vornimmt, die dazu führen, dass sich die strukturelle Lücke in diesem Fall um rund 9 Millionen € reduziert, muss man sich nicht wundern, dass der Landesgesetzgeber gut beraten ist, das zum Anlass zu nehmen, zu sagen: Wenn sich die Situation derart verändert hat, dann muss das eben neu verteilt werden. Ich glaube, wir wären in diesem Zusammenhang nicht gut beraten, eine Mittelzuweisung festzuschreiben, die auf diese Art ermittelt worden ist bzw. die auf derart fehlerhaften Daten beruht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Noch etwas war auch so schön, nämlich das Plädoyer für den ländlichen Raum. Ich weiß nicht, wo bei Ihnen der ländliche Raum anfängt und wo er aufhört. Sehen Sie sich einmal die Mittelzuweisung für den Kreis Recklinghausen an, der irgendwo auch ländlicher Raum ist, werden Sie Zuwächse bemerken.
(Zuruf von der CDU)
– Gehen wir einmal in den Kreis Gütersloh. Da sind wir uns einig, dass das ländlicher Raum ist. Dort können wir feststellen, dass die Gebietskörperschaften im Kreis Gütersloh Mehreinnahmen von etwa 11,7 % erzielt haben. Das sind fast 10 % mehr gegenüber dem, was wir im Landesschnitt gehabt haben. Bezogen auf die Frage der eigenen Mehreinnahmen ist es doch selbstverständlich, dass sich das bei den Schlüsselzuweisungen auswirkt. Das ist völlig selbstverständlich.
Es ist übliche Herangehensweise: Man schaut, wie groß die eigene Einnahmesituation ist, vergleicht die mit der Einnahmesituation im Landesschnitt. Wenn in diesem Zusammenhang Gebietskörperschaften Mehreinnahmen über dem Landesschnitt erzielt haben, führt das zu entsprechenden Reduzierungen, und zwar auch in solchen Gemeinden, die Mitglieder des Stärkungspaktes sind. Das ist die Systematik des Gemeindefinanzierungsgesetzes. Daran wollen wir weiterhin gerne festhalten.
Im Zusammenhang mit der Umverteilung zwischen dem ländlichen Raum und den kreisfreien Städten ist vom Ruhrgebiet die Rede und davon, dass die SPD-Hochburgen entsprechend bedacht werden. Entsprechende Klagen laufen. Wir werden im nächsten Jahr erleben, ob insoweit das Gemeindefinanzierungsgesetz auf die richtigen Füße aufgestellt worden ist. Außerdem haben wir – das wissen Sie auch – mit den Spitzenverbänden vereinbart, dass die Stellschrauben im Rahmen einer erneuten Beurteilung noch einmal überprüft werden. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse des Gutachtens.
Darüber hinaus waren wir gut beraten, die Anerkennung der Soziallasten, die sich in Nordrhein-Westfalen durchaus unterschiedlich verteilen, wahrzunehmen und entsprechende Handlungsansätze im Gemeindefinanzierungsgesetz einzubauen.
Insofern haben wir keine Umverteilung vom ländlichen Raum gegenüber den kreisfreien Städten, dem Ruhrgebiet und dem Bergischen Land, sondern wir verteilen die Mittel entsprechend den Notwendigkeiten. Die Notwendigkeiten sind gerade in diesen Bereichen sehr ausgeprägt. Insofern war es sinnvoll, so zu verfahren. Das von meiner Seite. – Vielen Dank!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)